Deutschland

Familienministerin Giffey wegen Plagiatsverdacht bei Doktorarbeit unter Druck – Rücktrittsforderung

Die Familienministerin Franziska Giffey gilt als fleißig und talentiert. Doch sie hat ein Problem: Ihre Doktorarbeit weist offenbar erhebliche Mängel auf. Die Universität prüft den Entzug der Doktorwürde, ein emeritierter Professor fordert nun ihren Rücktritt.
Familienministerin Giffey wegen Plagiatsverdacht bei Doktorarbeit unter Druck – RücktrittsforderungQuelle: AFP © Tobias Schwarz

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey gerät wegen ihrer Doktorarbeit zunehmend unter Druck. Peter Grottian, emeritierter Professor an der Freien Universität Berlin (FU), an der Giffey promoviert wurde, forderte Giffey in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung zum Rücktritt und die Universität zur Aberkennung ihrer Doktorwürde auf:

Wenn Giffey klug ist, sollte sie selbst den Rücktritt von ihrem Amt vollziehen und die FU bitten, die Aberkennung ihres Doktorgrades einzuleiten. Sie hätte Haltung gezeigt und ihre politische Karriere vor weiterem Schaden bewahrt.

Die Arbeit sei "höchst anfechtbar", die Verfehlungen und Mängel gravierend. Giffey habe vom Handwerk des wissenschaftlichen Arbeitens "nur einen blassen Schimmer":

Das gilt auch für den Stand der Forschung und die theoretisch-methodische Reflexion in ihrer Arbeit. Giffey demonstriert ein oft naives, fehlerhaftes und verantwortungsloses Verhältnis zu ihrem Fach.

Grottian sieht bei Giffey vor allem auch das Problem mangelnder wissenschaftlicher Distanz. Ihr Thema sei die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der EU-Politik am Beispiel von Berlin-Neukölln gewesen, während sie selbst Europabeauftragte des Bezirks war. Sie habe also über sich selbst geschrieben, ohne diesen Umstand angemessen zu reflektieren.

Bereits im Februar hatte der Spiegel gemeldet, dass die Seite Vroni PlagWiki Giffeys Arbeit geprüft und auf etwa einem Viertel der Seiten problematische Stellen ausgemacht habe. Die Ministerin bat die FU daraufhin um die Prüfung der Arbeit. Die Hochschule erklärte, ein entsprechendes Verfahren eingeleitet zu haben.

Giffey absolvierte von 2005 bis 2010 ein Promotionsstudium in Politikwissenschaft an der FU, während sie beruflich als EU-Beauftragte des Bezirks Neukölln tätig war. Ihre Dissertation mit dem Titel "Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" reichte sie 2009 ein, drei Monate nach der Geburt ihres Sohnes. Sie wurde mit "Magna cum laude" bewertet.

Giffey gilt in der SPD als eine der wenigen verbliebenen Nachwuchshoffnungen der Partei. In letzter Zeit wurde sie wiederholt als mögliche Nachfolgerin Michael Müllers gehandelt, der als angeschlagen geltende Regierende Bürgermeister Berlins. Sollten sich die Plagiatsvorwürfe bestätigen, dürfte ihre Karriere zumindest Schaden nehmen.

Grottian schätzt Giffeys Verfehlungen als schwerwiegender ein als die von Annette Schavan. Die frühere Bildungsministerin war 2013 zurückgetreten, nachdem ihr wegen ähnlicher Verfehlungen der Doktortitel aberkannt worden war. Dabei findet der Professor für die Regierungstätigkeit Giffeys lobende Worte. Im Interview für das Morning Briefing des ehemaligen Handelsblatt-Herausgebers Gabor Steingart sagte er:

Frau Giffey ist eine engagierte Ministerin und sie hat einiges angepackt, was vorher nicht angepackt worden ist.

Grottian übt in seinem Beitrag für die SZ auch scharfe Kritik an seiner Universität. Die Promotionsordnung des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft (OSI) von 2008 müsse dringend überarbeitet, die Macht des Erstgutachters beschnitten werden. Giffeys Erstgutachterin, die Politikprofessorin Tanja Börzel, wirft er "Unverantwortlichkeit" vor:

Sie hätte die Probleme erkennen und Giffey helfen müssen, die Doktorarbeit auf ein Feld zu konzentrieren, wo Wissenschaft und Eigennutz nicht kollidieren. Das wäre ein Leichtes gewesen.

Grottian, der 2007 emeritiert wurde, galt mit seinem markanten linken Profil als eine der Aushängefiguren des "alten", gesellschaftskritischen OSI, das in den 2000er Jahren zu einem "normalen" politikwissenschaftlichen Institut umgebaut wurde. Börzel, die seit 2004 an der FU lehrt, ist eine Vertreterin dieses neuen, am neoliberalen Mainstream orientierten OSI. Indirekt ist Grottians Stellungnahme damit wohl auch als Kritik am Umbau seines alten Instituts zu verstehen.

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