Deutschland

"Das ist doch alles ein Wahnsinn" - Kramp-Karrenbauer wettert gegen politische Korrektheit

Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigt beim politischen Aschermittwoch der CDU in Demmin ihre Äußerungen zum dritten Geschlecht. Die politische Korrektheit beschreibt die neue Parteivorsitzende als Bedrohung für die Gesellschaft - und wird dafür gefeiert.
"Das ist doch alles ein Wahnsinn" - Kramp-Karrenbauer wettert gegen politische KorrektheitQuelle: Reuters © Fabrizio Bensch

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist im Streit über ihre Karnevals-Äußerungen zur Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht zum Gegenangriff übergegangen. Über vieles habe sie in dieser Diskussion nur den Kopf schütteln können, sagte Kramp-Karrenbauer beim politischen Aschermittwoch der CDU im mecklenburg-vorpommerischen Demmin.

Wenn wir da so verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt und das sollten wir nicht zulassen.

Die Dinge seien künstlich hochgepuscht worden, kritisierte sie.

Kramp-Karrenbauer hatte mit einer Fastnachtsrede in Stockach empörte Reaktionen ausgelöst. Zu der Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht hatte sie gesagt:

Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist die Toilette.

In Demmin kritisierte die CDU-Chefin auch scharf die Debatte darüber, ob Kinder als Indianer oder Scheichs verkleidet Karneval feiern dürfen, nachdem diese Kostüme in einer Hamburger Kita für unerwünscht erklärt worden waren. Wenn sie an Kinder denke, dann "weniger daran, welche Empfehlung man ausgeben muss, ob ein Kind als Indianer oder Scheich in den Kindergarten kommen darf".

Unter großem Beifall rief sie, sie wünsche sich ein Deutschland, in dem Kinder Cowboy und Indianer spielen dürften und "in dem sie im Kindergarten wahlweise mit der Puppe oder mit Lego spielen dürfen, wie sie es wollen. Ohne dass man ihnen mit drei Jahren schon sagt, dass sie kultursensibel sein müssen. Das ist doch alles ein Wahnsinn, was wir hier erleben".

Für die CDU gelte nach wie vor, dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden solle, sagte Kramp-Karrenbauer vor dem Hintergrund der Kritik an ihren Worten über ein drittes Geschlecht. Niemandem werde vorgeschrieben, wie er zu leben habe. Man freue sich über jene, die an Silvester mit Feuerwerk feierten und mache sich keine Gedanken, ob man damit Feinstaubalarm auslöse. Man freue sich über Vegetarier und Veganer, "aber wir machen auch nicht aus denen, die gerne beim Fleisch bleiben, die größten Verbrecher, die wir in diesem Land haben. Das Maß stimmt nicht mehr."

Dass manche politischen Gegner und der Koalitionspartner SPD ihre Äußerungen zu einem Thema gemacht hätten, "zeigt, wie schlimm die Situation bei denjenigen sein muss", sagte Kramp-Karrenbauer. Es sei "etwas ganz Wunderbares in unserem Land", dass man im Karneval und der Kleinkunst "gerade nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss". Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 seien die Deutschen das glücklichste Volk auf der Welt gewesen:

Heute habe ich das Gefühl, wir sind das verkrampfteste Volk, das überhaupt je auf der Welt rumläuft. Das kann doch so nicht weitergehen.

Sie sei vor dem Narrengericht in Stockach der Entmannung der CDU angeklagt gewesen, rief Kramp-Karrenbauer. Bei ihrer Erwiderung sei es nicht um ein drittes Geschlecht, "sondern um die Frage von Emanzen, von Machos, vom Verhältnis von Mann und Frau" gegangen. "Manchmal muss man einfach auch genau hinschauen, bevor man sich über irgendetwas künstlich aufregt."

Kramp-Karrenbauers rhetorische Abrechnung mit der politischen Korrektheit ist bemerkenswert. Die neue CDU-Vorsitzende will ihre Partei offenbar gesellschaftspolitisch wieder stärker traditionell ausrichten. Die Abgrenzung zu ihrer Vorgängerin und Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch in dieser Frage unverkennbar.

Die konservative Neuausrichtung der Union dürfte auch der deutlicheren Abgrenzung zum möglichen neuen Koalitionspartner dienen, den Grünen. Kommt der Wechsel zu Schwarz-Grün oder Jamaika tatsächlich, dürften der neuen Koalition lebhafte gesellschaftspolitische Debatten ins Haus stehen. Unter die Räder käme wieder einmal die SPD, die den Bruch mit der politischen Korrektheit noch nicht gewagt hat.

In Demmin hatte Kramp-Karrenbauer mit ihrer klaren Rhetorik Erfolg: Die Saarländerin wurde in der politischen Heimat Merkels begeistert gefeiert; die Zustimmung für die Kanzlerin war verglichen damit in den vergangenen Jahren sehr gedämpft ausgefallen.

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(rt deutsch/dpa)

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