Deutschland

Grünen-Politikerin Göring-Eckardt: Nord Stream 2 ist eine Provokation

Katrin Göring-Eckardt kritisiert in einem Interview die Gaspipeline Nord Stream 2. Diese sei falsch und eine "Provokation der Nachbarn". Doch auch Flüssiggas aus den USA lehnt sie ab. Europa könne bis 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Grünen-Politikerin Göring-Eckardt: Nord Stream 2 ist eine ProvokationQuelle: AFP © Tobias Schwarz

Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, hat in einem Interview mit der Welt scharfe Kritik an der im Bau befindlichen Erdgaspipeline Nord Stream 2 geübt. Die Grünen seien schon immer gegen das Projekt gewesen, weil es von Anfang an falsch gewesen sei:

Es bindet uns mit zusätzlichen Abnahmeverpflichtungen auf Jahrzehnte an noch mehr russisches Gas und ist eine Provokation für unsere europäischen Partner. 

Bis 2030 könne Deutschland ganz "erdgasunabhängig" von Russland werden. Voraussetzung dafür laut Göring-Eckardt: die konsequente Umsetzung der Energiewende und Jahr für Jahr die energetische Sanierung von drei Prozent der Bestandsgebäude. Interessanterweise spricht sich Göring-Eckardt auch gegen Flüssiggas aus den USA aus. Auf die Frage, ob das durch Nord Stream 2 kommende Gas durch das teurere US-Flüssiggas ersetzt werden solle, antwortet die Spitzengrüne:

Es gibt keine Notwendigkeit, russisches Gas durch amerikanisches Fracking-Gas zu ersetzen. Wir brauchen es nicht.

In diesem Zusammenhang übt Göring-Eckardt scharfe Kritik an Wirtschaftsminister Peter Altmaier und seinen Plänen zur Errichtung von Flüssiggasterminals. Altmaier entwickle "planwirtschaftliche Konzepte" und sei dabei, zum "Retropolitiker" zu werden. Auf die Frage der Welt, ob für sie in der Frage einer Abhängigkeit von den USA oder von Russland "eine Art Äquidistanz" gebe, erklärt Göring-Eckardt:

Auf ihre Frage zum Verhältnis zu Russland und den USA sage ich als Transatlantikerin: Wir können unmöglich unsere Verbündeten in Osteuropa, in Polen, in den baltischen Staaten vergrätzen. Die haben riesige Sorge.

Nebenbei stellt Göring-Eckardt noch einige gewagte Thesen zur Energie- und Verkehrspolitik auf. Den Atomausstieg betrachtet sie als gelungen, der Kohleausstieg werde durch die "Entwicklungspotenziale der Erneuerbaren" ermöglicht, ohne dass jemand befürchten müsse, dass das Licht ausgehe. Die Elektromobilität könne durch eine Verwendung der Batterien als Zwischenspeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Auch bei einer massiven Zunahme dieser Antriebsart gilt für Göring-Eckardt: "Der Strom wird ausreichen."

Europa könne unabhängig von Energieimporten sein – und bis 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt. Bis dahin werde Gas als Übergangstechnologie gebraucht. Da Göring-Eckardt bis 2030 "energieunabhängig" von Russland sein möchte, muss das Gas für die verbleibenden 20 Jahre woanders herkommen.

Im Zuge der Mobilitätswende werde es in Zukunft deutlich weniger Autos geben als heute. Allerdings werde niemandem das Auto weggenommen, eine zentrale Rolle in der Mobilität der Zukunft werden laut Göring-Eckardt – neben dem Fahrrad und dem öffentlichen Nahverkehr – Carsharing und vernetzte Mobilität spielen.

Lob für SPD - Kritik an CDU

Göring-Eckardt lobt die SPD für deren sozialpolitische Neuausrichtung:

Ich bin froh darüber, dass die SPD sich jetzt wieder zentral den sozialen Fragen nähert. Die Grundrente geht in die richtige Richtung und ist nah an unserem Garantierentemodell. Da reichen wir gern die Hand.

Den ungelenken Versuch der CDU, die Migrationspolitik von 2015 aufzuarbeiten, betrachtet sie ähnlich wie die Kanzlerin als "rückwärtsgewandt". Die CDU befasse sich beim Thema Migration nicht mit dem, was notwendig wäre, so Göring-Eckardt, und verweist diesem Zusammenhang auf die – wissenschaftlich fragwürdige – Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Göring-Eckardts kritische Aussagen zur Union in den Fragen Flüssiggas und Migration und ihr Lob für die sozialpolitische Neuausrichtung der SPD sind bemerkenswert. Im Vorfeld der anstehenden Europa- und Landtagswahlen will die Grüne offenbar den Eindruck vermeiden, dass ihre Partei der natürliche Bündnispartner der Union sei – oder für ein solches Bündnis schon einmal den Preis hochtreiben. Für rot-grüne Konstellationen dürfte es in diesem Jahr allerdings weder auf Bundesebene noch in einem der Länder eine Mehrheit geben, in denen gewählt wird.

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