Verhandlung über Hartz-IV-Sanktionen: Die Linke hält Verfassungsrichter Harbarth für befangen
Stephan Harbarth ist seit Anfang Dezember vergangenen Jahres Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senats, der nun die Frage verhandelt, ob Kürzungen des Harzt-IV-Satzes als Strafe - etwa für versäumte Termine oder abgelehnte Jobs - mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Harbarth war von 2009 bis 2018 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Rhein-Neckar) und von 2016 bis 2018 auch stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Noch im Juni 2018 hat der 47-jährige Jurist als CDU-Abgeordneter für die Beibehaltung dieser Sanktionen gestimmt. Und jetzt soll er als Richter in Karlsruhe die Verhandlung genau über dieses Thema führen. Die Linksfraktion im Bundestag hält Harbarth in diesem Prozess für befangen.
Er sollte sich an der Urteilsfindung nicht beteiligen", sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, vor der Verhandlung an diesem Dienstag.
Der Düsseldorfer Rheinischen Post sagte er weiter: "Ich finde den Vorgang durchaus problematisch, da Herr Harbarth Gesetze mitbeschlossen hat, die hier auf dem Prüfstand stehen."
Harbarth könnte sich selbst als befangen erklären
Die Verfassungsrechtsexpertin Astrid Wallrabenstein von der Uni Frankfurt gab gegenüber neues deutschland zu bedenken, dass mit dem Befangenheitsvorwurf gegenüber Verfassungsrichtern vorsichtig umzugehen sei. "Eine politische Meinung darf und soll jeder haben, auch jemand, der später Verfassungsrichter wird." Sie halte Selbsteinschätzung für den richtigen Maßstab.
Harbarth hätte die Möglichkeit, sich selbst als befangen zu erklären, falls er einen Interessenkonflikt sieht. Zuletzt tat dies der Ex-Politiker Peter Müller, der seit 2011 Richter in Karlsruhe ist. Er zog sich in der Causa Sterbehilfe selbst zurück. Als Begründung nannte er, dass er sich zuvor als Ministerpräsident des Saarlandes bereits eindeutig gegen aktive Sterbehilfe positioniert hatte. Im Fall von Harbarth ist momentan noch nichts von einer so genannten "Selbstablehnung" bekannt.
Jobcenter verhängten 2017 fast eine Million Sanktionen
Anlass für die Verhandlung in Karlsruhe ist der Fall eines Hartz-IV-Empfängers, dem das Jobcenter Erfurt in zwei Stufen die Leistungen gekürzt hatte: erst um 30 Prozent des Regelbedarfs, also 117,30 Euro im Monat, als er ein Jobangebot ablehnte; dann um weitere 60 Prozentpunkte, also 234,60 Euro, weil er einen Gutschein zur Probe bei einem Arbeitgeber nicht eingelöst hatte. Die Klage des Mannes ist beim Sozialgericht Gotha anhängig. Die Richter dort halten die Sanktionen für verfassungswidrig und haben deshalb Karlsruhe um Prüfung gebeten. Sie sehen unter anderem das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
2017 verhängten die Jobcenter fast eine Million Sanktionen. Zahlenmäßig könnten davon allerdings mehrfach dieselben Personen betroffen sein. In gut drei Viertel aller Fälle hatten die Betroffenen einen Termin beim Jobcenter versäumt.
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