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Umtausch oder Nachrüstung: Dieselbesitzer sollen wählen können – im Prinzip

Die Regierung hat Einzelheiten ihrer Pläne zur Lösung der Dieselkrise vorgestellt. Betroffene Autofahrer in 14 Städten sollen ihre Fahrzeuge umtauschen oder nachrüsten können. Verschiedene Details sind noch unklar, dennoch stößt das Konzept schon auf Kritik.
Umtausch oder Nachrüstung: Dieselbesitzer sollen wählen können – im PrinzipQuelle: Reuters © Reuters

Besitzer älterer Diesel in Regionen mit besonders schmutziger Luft sollen neue Angebote zum Kauf sauberer Wagen und für Motor-Nachrüstungen bekommen. Das geht aus dem Beschlusspapier der Koalitionsspitzen hervor, das der dpa vorliegt.

Vorgesehen sind diese beiden Möglichkeiten zum einen bezogen auf 14 "besonders betroffene Städte" mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NO2): München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Zum anderen geht es um weitere Städte, in denen demnächst Fahrverbote kommen könnten – dies betrifft unter anderem Frankfurt am Main.

Einbezogen werden sollen bei all diesen Städten jeweils auch Bewohner der angrenzenden Landkreise und "außerhalb dieser Gebiete wohnhafte Fahrzeughalter, die ein Beschäftigungsverhältnis in der Stadt haben". Ebenso Selbstständige, die ihren Firmensitz in der Stadt haben und deswegen aus beruflichen Gründen in die Städte pendeln müssen, sowie Fahrzeughalter mit besonderen Härten.

Damit mehr schmutzige ältere Diesel von den Straßen verschwinden, sollen neue Kaufanreize kommen. Die deutschen Hersteller haben dem Bund demnach zugesagt, für Besitzer von Wagen der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 "ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten" anzubieten. Summen werden in dem Papier nicht genannt. Dabei solle "der besondere Wertverlust, den Diesel-Fahrzeuge durch die Debatte um deren Schadstoffausstoß erlitten haben, ausgeglichen werden". Gekauft werden können Neuwagen und – anders als bei früheren Prämien – auch Gebrauchtfahrzeuge. Von den ausländischen Herstellern würden vergleichbare Angebote erwartet.

Für Euro-5-Diesel soll als zweite Möglichkeit der Einbau zusätzlicher Abgasreinigungstechnik am Motor ermöglicht werden. Wenn Besitzer eine solche Hardware-Nachrüstung wollen und solche Systeme verfügbar und geeignet sind, erwartet der Bund "vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt". Die Haftung sollen die Nachrüstfirmen übernehmen.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht bei den Nachrüstungen noch technischen Klärungsbedarf. "Das Thema Tausch und Umtausch oder Prämien wirkt unmittelbar und sofort, das haben mir die deutschen Hersteller so auch zugesagt", sagte er am Dienstagmittag, als er gemeinsam mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) das Diesel-Konzepts der Großen Koalition in Berlin vorstellte. "Bei der Hardware-Nachrüstung müssen wir noch Gespräche führen, nicht nur auf der finanziellen Seite, sondern auch auf der technischen Seite."

BMW habe sich zum Beispiel entschlossen, überhaupt keine Hardwarenachrüstungen zu machen. Es gebe andere Hersteller, die ihr Okay gegeben haben, sagte Scheuer zum Beispiel mit Blick auf VW. Man habe sich politisch geeinigt, jetzt gehe es um die Details der Umsetzung. Er habe einen ersten Rundruf gestartet. Das Konzept sei von den deutschen Herstellern positiv bewertet worden. Er hoffe darauf, dass auch ausländische Hersteller attraktive Angebote machen werden. "Wir sitzen im Koalitionsausschuss ja nicht mit der Automobilindustrie zusammen", betonte Scheuer, dass nun noch weitere Gespräche anstehen. Er rede auch mit ausländischen Herstellern.

Die vielen offenen Punkte beim Thema Nachrüstung, die Zurückhaltung der Hersteller und die offenen Haftungsfragen legen die Vermutung nahe, dass Fahrzeuge nur in sehr begrenztem Umfang nachgerüstet werden dürften. Möglicherweise wurde die Nachrüstoption nur deshalb so prominent präsentiert, damit die SPD diesen Punkt als Erfolg für sich präsentieren konnte. Der Verkehrsminister hatte sich immer skeptisch gegenüber solchen Lösungen gezeigt.

Scheuer betonte, dass für die Nachrüstung und den Umtausch von Dieselautos keine staatlichen Mittel aufgewendet werden sollen. Dagegen werde die Nachrüstförderung für Kommunen für kommunale Busse und Fahrzeuge noch einmal aufgestockt. Die Nachrüstung dieser größeren Fahrzeuge könnte relativ schnell zu sauberer Luft in den Städten führen. 

Ministerin Schulze bekannte sich zum Diesel als Übergangstechnologie. Dieselfahrzeuge seien sparsamer und hätten einen geringeren Kohlendioxidausstoß als Benziner. Es gelte, Diesel wieder attraktiver zu machen.

Die Frage ist nun, wie weit die Autokonzerne bei den Plänen der Regierung mitmachen. "Wir werden uns die Ergebnisse der Koalitionsrunde anschauen und dann die Details unseres Programms bekannt geben", teilte der größte deutsche Autobauer Volkswagen mit. Opel ist weiter gegen Hardware-Nachrüstungen für Diesel. Man habe aber noch keine Entscheidung über weitere Maßnahmen getroffen, hieß es in Rüsselsheim. Daimler will sich erst nach einer sorgfältigen Prüfung zu den Plänen der Regierung äußern.

"Wir wollen Fahrverbote verhindern und dort, wo sie unumgänglich sind, Nachteile für Bürgerinnen und Bürger, die auf individuelle Mobilität angewiesen sind, vermeiden", heißt es im Beschlusspapier. "Dies gilt sowohl für finanzielle Belastungen als auch für Nutzungseinschränkungen. Dabei hat die Automobilindustrie ebenfalls eine hohe Verantwortung."

Bereits nach dem Dieselgipfel von Bund und Autobranche 2017 hatten die deutschen Hersteller Prämien von bis zu 10.000 Euro aufgelegt. Diese nahmen mehr als 200 000 Kunden in Anspruch, wie es im Juli hieß. Dieser Effekt reichte der Regierung aber nicht. Generell können Kunden beim Autokauf mit Rabatten von einigen Tausend Euro rechnen.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei ein "Mäuschen geboren worden". Es gebe bei der Umtauschaktion nicht um einen Umstieg auf wirklich saubere Autos, sondern allein um die Sicherstellung von Mobilität. "Die Umtauschprämie ist ohne Effekt für die Luftreinhaltung und die Nachrüstung ist ein frommer Wunsch", sagte Resch mit Blick darauf, dass Motor-Umbauten mit zusätzlicher Katalysatortechnik an die Bedingung geknüpft sind, dass diese verfügbar und geeignet sein muss. Also muss sich der Autobesitzer selbst darum kümmern. Die DUH hat in mehreren Städten für eine Einhaltung der Luftrichtlinien zum Wohle der Gesundheit von Anwohnern geklagt und mehrere Fahrverbote in deutschen Großstädten erzwungen.

Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center der Universität Duisburg-Essen äußerte sich skeptisch, ob es nun zu einer neuen großen Neukauf-Welle kommen könnte. Nach seiner Einschätzung sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Teil der heutigen Rabatte mit bisherigen Umweltprämien "verrechnet" werden könnte, sagte Dudenhöffer. "Denn heute sind schon jede Menge Rabatte im Markt, und mehr als 200.000 alte Diesel wurden mit der letzten großen Umtauschaktion auch nicht abgefischt", so der Experte weiter.

Der Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan sagte: "Ein gutes Jahr nach dem ersten Dieselgipfel hat die Bundesregierung der Autoindustrie schockierend dünne Zusagen abgerungen." Wenn Verkehrsminister Scheuer drohende Fahrverbote vermeiden wolle, werde es nicht reichen, "nur einen Teil der schmutzigen Autos in ein paar Städten etwas weniger schmutzig zu machen". Das dürften die nächsten Gerichtsurteile zeigen. "Alle betrogenen Dieselfahrer, unabhängig von Wohnort oder Eurostandard ihres Fahrzeugs, müssen ihre Autos auf Kosten der Industrie in Ordnung gebracht bekommen."

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(rt deutsch/dpa) 

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