Deutschland

Zahnloser Tiger – Ein Blick auf ein Jahr NetzDG

Vor einem Jahr wurde das NetzDG im Bundestag verabschiedet. Lange wurde für und gegen die Einführung gestritten. Internetplattformen übernähmen Aufgaben des Staates, so Kritiker. Seitdem zeigt sich aber vor allem eins: Das NetzDG ist eigentlich überflüssig.
Zahnloser Tiger – Ein Blick auf ein Jahr NetzDGQuelle: Reuters © Thomas Peter

Am 1. Oktober 2017 wurde das Gesetz mit dem sperrigen Namen "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken", kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder NetzDG, vom Bundestag verabschiedet. Betreiber von sozialen Medien wie Facebook und Twitter werden durch dieses dazu verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte zu löschen. In schweren Fällen kann das Konto gesperrt werden.

Das Gesetz umfasst 21 Straftatbestände, darunter Verbreitung von Propagandamitteln, Bedrohung, Beleidigung und Billigung von Straftaten. Das NetzDG wurde im Justizministerium unter dem damaligen Minister Heiko Maas ausgearbeitet und erntete noch vor der Verabschiedung heftige Kritik. 

Als "unausgegorenen Entwurf" bezeichneten die Grünen das Gesetz von SPD-Minister Maas, der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sagte: "Das läuft auf die staatliche Einsetzung privater Meinungspolizei hinaus", der Branchenverband der Internetwirtschaft eco sprach von einem "schwarzen Tag für das freie Internet".

In dem Jahr seit der Verabschiedung des Gesetzes haben Firmen reagiert. Wie hat das NetzDG das Internet verändert?

Wer überwacht die Wächter? 

Facebook beschäftigt 65 Mitarbeiter für die Überprüfung von NetzDG-Beschwerden. Im ersten Halbjahr 2018 wurden 1.704 Inhalte aufgrund des NetzDG geprüft, 362 gelöscht oder gesperrt. Das sind im Schnitt neun Fälle pro Tag. Facebook gibt an, die Mitarbeiter in "mehrwöchigen" Schulungen gründlich auf die Arbeit mit dem NetzDG vorzubereiten.

Twitter hat im gleichen Zeitraum 264.818 Beschwerden erhalten und löschte 28.645. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen für den Bereich NetzDG 50 Mitarbeiter. Ein Mitarbeiter müsste pro Tag 29 Fälle bearbeiten.

Youtube bearbeitete 214.827 gemeldete Inhalte und sperrte davon 58.297. Wie viele Menschen die Videos sichten, will das Mutterunternehmen Google nicht preisgeben. Im Dezember 2017 plante Google, 10.000 zusätzliche Personen zur Sichtung einzustellen, nachdem 150.000 Videos mit verstörendem Inhalt entdeckt und gelöscht wurden.

Alle Unternehmen geben an, die Mitarbeiter umfassend zu schulen. Wie diese Ausbildung aussieht und wie hoch der Arbeitsaufwand pro Inhalt und Mitarbeiter ist, wollen die Firmen jedoch nicht verraten.

Overblocking als eigentliches Problem

Wenn man sich die weiteren Löschzahlen der sozialen Plattformen anschaut, so verschwindet das NetzDG dahinter. Facebook hat in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 über 2,5 Millionen Inhalte gelöscht, die den Gemeinschaftsregeln nicht entsprachen. Youtube löschte im gleichen Zeitraum über 9,5 Millionen Videos.

Es überrascht nicht, dass ein halbes Jahr nach der Inkraftsetzung des NetzDG kaum Beschwerden über mangelhafte Löschung beim Bundesamt für Justiz eingehen. Die Plattformen sind dem Gesetzgeber schon längst voraus. Die Gemeinschaftsregeln sind in vielen Bereichen strenger als es das Gesetz verlangt. Kritiker sehen dies als Indiz dafür, dass Firmen auch im Zweifelsfall eher löschen, als Strafen zu riskieren. Das Gesetz sieht empfindlich hohe Bußgelder vor, falls ein strafbarer Inhalt nicht innerhalb von 24 Stunden gelöscht wird. Immer wieder beschweren sich User über gesperrte Inhalte und Konten.

RT Deutsch wurde selbst Opfer der restriktiven Sperrpolitik, als ein inhaltlich unproblematischer Artikel auf Facebook gesperrt wurde. Bis heute hat die Plattform die Redaktion über den Grund der Sperrung nicht informiert. Die Übergabe der Rechtsdurchsetzung an private Firmen wird die Netzgemeinde auch weiterhin beschäftigen.

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