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Kandel-Mordfall: Gerichtsverfahren ohne Öffentlichkeit - Details gelangen dennoch nach außen

Der von einem Flüchtling vor acht Monaten im pfälzischen Kandel begangene Mord an einer 15-jährigen entwickelte sich zu einem Politikum. Sei Juni verhandelt nun ein Gericht über das Verbrechen - jedoch trotz großen öffentlichen Interesses hinter verschlossenen Türen.
Kandel-Mordfall: Gerichtsverfahren ohne Öffentlichkeit - Details gelangen dennoch nach außenQuelle: www.globallookpress.com © Global Look Press

"Nichtöffentliche Hauptverhandlung" heißt es lapidar auf dem Zettel neben einer Tür des Gerichtsgebäudes im pfälzischen Landau. Dort verhandelt die Jugendkammer I seit Juni ohne Publikum ein Verbrechen, das bundesweit für Aufsehen sorgte und in den Sog des Streits über die deutsche Flüchtlingspolitik geriet: den Mord an einer 15-Jährigen Ende 2017 in Kandel. Nach bisher zehn Sitzungstagen könnte im September ein Urteil fallen.

"Es ist einer der aufsehenerregendsten Prozesse des ganzen Jahres in ganz Deutschland", hatte Gerichtssprecher Robert Schelp zum Auftakt gesagt. Vor Gericht steht Abdul D.  - der wahrscheinlich aus Afghanistan stammende Flüchtling soll im benachbarten Kandel Ende Dezember seine Ex-Freundin Mia erstochen haben. Für Landau ist es ein Prozess der Superlative, mit großen Sicherheitsvorkehrungen, die den Beschuldigten, die Prozessteilnehmer und das Gericht schützen sollen.

Das öffentliche Interesse ist gewaltig, die Berichterstattung jedoch schwierig. Denn der Prozess wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Als Abdul D. der Anklage zufolge in einem Drogeriemarkt mit einem Brotmesser sieben Mal zugestochen haben soll, war er wohl minderjährig. Und Verfahren nach dem Jugendstrafrecht werden grundsätzlich ohne Publikum verhandelt.

Seit Prozessbeginn wird dies in der Öffentlichkeit und in der Presse hinterfragt. "Dem Landgericht kann man keinen Vorwurf machen, es befolgt nur die Vorschrift. An deren Sinn aber darf man gleichwohl zweifeln", kommentierte etwa die Zeitung Die Rheinpfalz. Bei Prozessauftakt protestierte ein Mann mit Ohrenschützern und zugeklebtem Mund vor dem Gericht gegen den Ausschluss des Publikums.

Strafrechts-Experte spricht sich gegen öffentliches Verfahren aus

Doch trotz aller Abschottung: Seit Prozessbeginn werden immer wieder interessante angebliche Details über den Fall an Medien durchgestochen. Unklar bleibt, wer dafür verantwortlich ist. Die durchgestochenen Informationen werden von den Behörden nicht kommentiert und bleiben daher ohne Einordnung.

Wäre es da nicht besser, die Verhandlung zu öffnen, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann? Auf keinen Fall, sagt Dirk Lammer, Fachanwalt für Strafrecht. "Das Jugendstrafverfahren hat nicht den Zweck, dass sich jeder ein Bild machen kann, sondern soll gewährleisten, dass sich das Gericht ein möglichst zutreffendes Bild von der Tat und dem Angeklagten machen kann", sagt er mit Nachdruck. Die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung verbessere die Möglichkeiten des Gerichts. Lammer betont: 

Dass pflichtvergessene Schöffen, Staatsanwälte, Verteidiger oder gar Richter Informationen aus nichtöffentlichen Prozessen durchstechen, kann kein Argument sein für die Abkehr vom sinnvollen Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Dass geklaut wird, ist ja auch kein Argument für die Abschaffung des Diebstahlverbots.

Kandel-Fall ist längst ein Politikum

Im Grunde sei es ein Prozess wie jeder andere, sagt Gerichtssprecher Schelp. Doch das stimmt nur zum Teil. Der Tatort Kandel ist zu einem Reizwort im Konflikt um die deutsche Migrationspolitik geworden. Immer wieder kommt es zu Kundgebungen rechtsgerichteter Gruppen und zu Gegenveranstaltungen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing demonstrativ Kandels Bürgermeister Volker Poß (SPD) in Berlin. Und unlängst reiste Grünen-Parteichef Robert Habeck nach Kandel. "Die politische Dimension, die hier reininterpretiert wird, die kommt von außen", sagte Gerichtssprecher Schelp vor kurzem.

Die Anklage geht bei der Tat von Mord aus und wirft Abdul D. vor, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt zu haben. Seine Motive sollen Eifersucht und Rache gewesen sein. Der Prozess ist derzeit bis zum 10. September terminiert. Der Angeklagte hatte seinem Anwalt zufolge zum Prozessauftakt am 18. Juni Reue bekundet. Als Höchststrafe drohen ihm zehn Jahre Haft nach Jugendstrafrecht – und bei einer "besonderen Schwere der Schuld" als Höchstmaß 15 Jahre.

Bürgermeister Poß hofft, dass endlich Ruhe in Kandel einkehrt und die Trauerarbeit abgeschlossen werden kann. Vor allem für Mias Eltern. Das anstehende Urteil werde aber wohl noch nicht das Ende sein, meint ein Prozessbeobachter: "Es wäre erstaunlich, wenn es keine Revision gäbe." 

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(dpa/rt deutsch)

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