Entwicklungsminister Müller will EU-Märkte für alle afrikanischen Produkte öffnen
Die Europäische Union sollte ihre Märkte nach Ansicht von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für sämtliche Güter aus Afrika öffnen. Besonders Agrarprodukte sollten hierzulande zoll- und quotenfrei eingeführt werden können, um in Afrika Jobs für Millionen arbeitslose junge Menschen zu schaffen, sagte der CSU-Politiker der Welt am Mittwoch. Dies könne auch die Migration Richtung Europa bremsen.
Ich bin mir sicher: Afrikas Jugend will und wird sich nicht auf die Flucht begeben und in der Heimat bleiben, wenn es Arbeit und Zukunftsperspektiven gibt.
Europa könne sich dennoch nicht völlig abschotten, sagte er. Im Rahmen eines EU-Afrika-Abkommens müssten die EU-Staaten auch legale Möglichkeiten eröffnen, um in Europa zu arbeiten. "Klar ist aber auch, dass wir von den afrikanischen Ländern im Gegenzug verlangen, abgelehnte Asylbewerber ohne Duldung zurückzunehmen."
Müller bemängelte, dass sich bislang nur 1.000 von 3,5 Millionen deutschen Unternehmen in Afrika engagierten. Dabei hätten 42 von 54 afrikanischen Ländern im vergangenen Jahr ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland gehabt. "Das zeigt, welche enorme Dynamik Afrika entwickeln kann." Er sehe es jedoch mit Sorge, dass die EU-Importe aus Afrika in den vergangenen Jahren um fast 40 Prozent zurückgegangen seien, während die europäischen Exporte nach Afrika anstiegen. "Der europäische Markt ist faktisch gesperrt", so Müller.
In den kommenden zehn Jahren werde in afrikanischen Städten mehr gebaut werden, als dies in den vergangenen 100 Jahren in Europa der Fall gewesen sei. Doch derzeit seien vor allem chinesische, türkische und russische Unternehmen auf dem Kontinent aktiv. Der Energiebedarf werde deshalb gewaltig ansteigen. Das deutsche Ziel müsse es sein, "Afrika mit Technologie für erneuerbare Energie zum grünen Kontinent zu machen".
Auch politisch wünscht sich Müller einen neuen Stellenwert für den afrikanischen Kontinent. Die Haushaltsansätze der Europäischen Union entsprächen nicht den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Von 2021 bis 2027 seien für die Afrikapolitik nur 39 Milliarden Euro vorgesehen, für Agrarsubventionen in der EU hingegen 370 Milliarden. Auf EU-Ebene forderte Müller deshalb, einen Afrika-Kommissar zu benennen, "bei dem alle Fäden einer Afrikapolitik zusammenlaufen". Nötig sei außerdem ein regelmäßig tagender EU-Afrika-Rat. Ein EU-Afrika-Gipfel alle zwei Jahre reiche nicht aus.
Der Vorstoß des Entwicklungsministers könnte jedoch für Irritationen bei den europäischen Partnern sorgen. Seit dem 10. Oktober 2016 ist das EU-Freihandelsabkommen mit Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika und Lesotho in Kraft. Die Auswirkungen dieses Deals sind hoch umstritten.
Laut dem Abkommen bekommen Namibia, Botswana, Swasiland und Lesotho einen zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Lediglich Südafrika als eine stärkere Volkswirtschaft zahlt auf einen kleinen Anteil seiner EU-Exporte Abgaben. Im Gegenzug müssen alle diese afrikanischen Länder jedoch ihre Märkte für Produkte aus Europa öffnen und Zölle für 86 Prozent der Einfuhren beseitigen.
Laut Afrika-Experten sind daher die größten Verlierer des neuen Arrangements die am wenigsten entwickelten Staaten (LDCs). Bisher verfügten sie über uneingeschränkten Marktzugang zur EU (mit der Ausnahme von Waffen), ohne dafür im Gegenzug Leistungen für die EU erbringen zu müssen. Für Länder wie Lesotho ist das Freihandelsabkommen also keine wirklich gute Nachricht, denn nun muss das Land auch seinen eigenen Markt weiter als bisher für europäische Waren öffnen, ohne dafür mehr Vergünstigungen als bisher zu erhalten.
Auch wird es sicherlich südeuropäischen Ländern wie Spanien oder Griechenland schwer vermittelbar sein, wenn Entwicklungsminister Müller nun zum Beispiel mehr Ölivenöl aus Tunesien importieren möchte. Zudem leiden viele Landwirte in Afrika unter Lebensmitteln, die aus der EU importiert und von der EU subventioniert werden. Diese drücken die Preise und zwingen Bauern zum Aufgeben - und verstärken dadurch den Wunsch nach einer Flucht über das Mittelmeer. Inwieweit Müller hier Abhilfe schaffen möchte, geht aus seinen Vorschlägen nicht hervor.
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