Kinderarmut häufiger bei Alleinverdienern - Entlastungspaket könnte soziale Gräben vertiefen
Kinder von Alleinerziehenden sind besonders oft von Armut bedroht, wenn ihr verbliebener Elternteil über einen längeren Zeitraum ohne Vollzeitjob bleibt. Dies sagt eine am Mittwoch vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Armutserfahrungen würden vor allem dann verhindert, wenn ein alleinerziehender Elternteil mehr als 30 Wochenstunden arbeite.
Fehlt dieser Job, wachsen dagegen 96 Prozent der betroffenen Kinder in einer dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslage auf. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung oder einem Minijob leben 20 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armut, weitere 40 Prozent zumindest vorübergehend.
Die Stiftung erklärt, dass diese Kinder zwar nicht obdachlos seien oder Hunger leiden müssten. Sie würden sich aber vielfach vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten fühlen, weil sie nicht in Vereine oder zum Musikunterricht gehen könnten.
Mangelnde Kinderbetreuung und Erwerbsarmut als Faktoren
Der Sozialverband VdK Deutschland forderte ergänzende familienpolitische Leistungen, damit Alleinerziehende ihren Lebensunterhalt verdienen können:
Hierzu gehören der Ausbau der Kinderbetreuung auch zu Randzeiten, eine Lohnersatzleistung bei Pflege analog dem Elterngeld, die Anpassung der Arbeitszeit bei familiärer Belastung und ein Rückkehrrecht in Vollzeit.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock erklärte:
Aber nicht nur Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut betroffen.
Dass 30 Prozent der Kinder, bei denen nur ein Elternteil arbeite, dauerhaft in Armut leben müssten, sei nicht hinnehmbar.
Eine Ursache für Kinderarmut ist die Einkommensarmut der Eltern. Löhne reichen immer häufiger nicht zum Leben", sagte Linken-Chefin Katja Kipping. "Ein paar Euro mehr Kindergeld nützen da leider nicht. Schon gar nicht, wenn jede Kindergelderhöhung auch auf aufstockende Sozialleistungen angerechnet wird."
Die Stiftung fordert unter anderem ein Teilhabegeld, das Kinder – abhängig vom Einkommen der Eltern –unbürokratisch erhalten sollten. Laut Definition der Studie leben Kinder in Armut, wenn sie entweder in einem Haushalt mit staatlicher Grundsicherung oder mit einem Haushaltsnettoeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle leben. Diese liegt bei rund 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland.
Geplante Maßnahmen "sozial unausgewogen und armutspolitisch verfehlt"
Am 2. Juni 2018 fand in Leipzig der Armutskongresses des Netzwerkes gegen Kinderarmut statt. Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, betonte, dass es mittlerweile mehr als drei Millionen von Armut betroffener Kinder in Deutschland gebe, ungeachtet einer guten wirtschaftlichen Situation. Er mahnte,
dass es wesentliches Moment ist, dass unsere Gesellschaft ihre Haltung zu Kindern und Familien verändert. Kinderarmut ist nicht selbstverschuldet und es muss alles dafür getan werden, dass Kinder aus der Armutsspirale herausgeholt werden.
Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett nach eigenen Angaben Milliarden-Entlastungen für Familien ab 2019. Der entsprechende Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, so eine Kindergelderhöhung um zehn Euro pro Monat ab Juli 2019, einen höheren Grundfreibetrag bei der Steuer und zusätzlich einen höheren Kinderfreibetrag. Außerdem ist eine Entlastung mittlerer und unterer Einkommen bei der sogenannten kalten Progression geplant.
Wir stärken Familien mit diesem Gesetz spürbar", lobte Scholz den Entwurf in der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung (vom Mittwoch).
Besonders diejenigen würden profitieren, die weniger Geld hätten, so der Vizekanzler. Doch eben diesen Aspekt sehen viele nicht berücksichtigt.
Sozialhilfeempfänger und prekär Beschäftigte spüren Entlastung nicht
Da das Kindergeld voll auf den Hartz-IV-Regelsatz angerechnet wird und Kinderfreibeträge nur dann anfallen, wenn Steuern gezahlt werden, profitieren Sozialhilfeempfänger kaum. Auch Alleinerziehenden, die Unterhaltsvorschuss beziehen, wird das Kindergeld vollständig auf diese Leistung angerechnet.
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Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) bezeichnete die Maßnahmen als ambitioniert, kritisierte das Paket zugleich aber als "sozial unausgewogen und armutspolitisch" verfehlt. Der Präsident des DKHW, Thomas Krüger, warnte, seiner Auffassung nach werde
die vorgesehene Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag [...] die soziale Spaltung sogar noch weiter vorantreiben, da die maximale monatliche Entlastungswirkung durch den Kinderfreibetrag für gut verdienende Eltern die vorgesehene monatliche Erhöhung des Kindergeldes für Eltern mit niedrigem und mittlerem Einkommen übersteigt.
Mit den beschlossenen Maßnahmen würde
keine Verteilungsgerechtigkeit geschaffen, sondern im Gegenteil [würden] diejenigen Familien bevorteilt, die ihren Kindern durch höhere Einkommen ohnehin bessere Startbedingungen geben können. Ein Familienentlastungsgesetz sollte alle Familien entlasten", so Krüger weiter.
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