Höheres Rentenalter bedeutet faktisch Rentenkürzung: Gewerkschaften verweisen auf Arbeitsbedingungen
Am Mittwoch nahm die Rentenkommission der Bundesregierung ihre Arbeit auf. Nach ihrer ersten Sitzung hat sie einen Abschlussbericht für März 2020 angekündigt. Zunächst seien die Form der Zusammenarbeit und die Arbeitsplanung beschlossen worden, teilte das Gremium nach einer konstituierenden Sitzung mit.
Das Gremium, das von den langjährigen Rentenpolitikern Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) und Karl Schiewerling (CDU) geleitet wird, soll Möglichkeiten zur Sicherung der Altersbezüge nach 2025 für immer mehr Rentner aufzeigen. Im Jahr 2050 kommen lediglich 1,7 Erwerbstätige auf einen Renter. Bereits jetzt, so hat auch der Tafel-Skandal gezeigt, sind zahlreiche Rentner in Deutschland von Armut betroffen.
Laut einer aktuellen Studie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) befürchten 80 Prozent der abhängig Beschäftigten, dass sie im Alter "gar nicht" oder "gerade so" von ihrer gesetzlichen Rente leben können.
Auch für viele, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, gibt es keine Garantie mehr, im Alter oberhalb der Armutsschwelle zu leben, die mit 60 Prozent des Medianeinkommens in Deutschland bei 1.063 Euro liegt. Stattdessen müssen bereits jetzt viele ältere Menschen von der Grundsicherung leben, die sich aus einem Grundanspruch von gerade einmal 416 Euro plus Wohnkosten berechnet. Und das ist kein Randphänomen, nahezu jedem dritten Arbeitnehmer droht eine Rente unterhalb der Armutsschwelle.
Jedoch zeigt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung eine Prognose jenseits von "Katastrophenszenarien" auf. Demnach hänge die Zukunft der auskömmlichen Rente nicht allein vom "Altenquotienten" (Zahl der Alten im Verhältnis zur Zahl der Jungen) ab, sondern auch vom ökonomischen Status der Menschen. Weiterhin werde durch das Zugrundelegen aktueller Arbeitsmarktdaten ausgeblendet, dass erhebliche Beschäftigungspotenziale brachliegen. So müssten die Erwerbstätigenquoten steigen. Der Sozialverband VDK fordert, dass auch Beamte, Selbständige und Politiker einzahlen sollen.
Neue Ordnung am Arbeitsmarkt und bessere Arbeitsbedingungen
Laut DGB ist aber auch eine
neue Ordnung am Arbeitsmarkt notwendig, die für gute Arbeitsbedingungen und Tarifverträge mit hohen Löhnen sorgt. Dazu müssten grundlose Befristungen abgeschafft werden ...
Denn viele Stellen werden heute schlechter bezahlt, viele Menschen nicht mehr sozialversichert.
Wer aber wenig verdient oder gar keine Beiträge zahlt, bekommt am Ende auch wenig oder gar keine Rente.
Während das grassierende Niedriglohnproblem als Faktor weniger im Gespräch war, führte die umstrittene Anhebung des Rentenalters zu Diskussionen der Kommission.
Den Jahrgängen, die bis 2025 in Rente gehen werden, garantiert die Koalition das sogenannte Rentenniveau von 48 Prozent (der prozentuale Anteil einer Durchschnittsrente am Durchschnittslohn), gleichzeitig soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent der Bruttomonatsgehälter steigen. Dazu müsse der Steuerzuschuss zur Rentenversicherung ansteigen oder das Renteneintrittsalter angehoben werden.
So plädiert die Deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) für eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters auf 68 oder 69 Jahre ab 2030 beziehungsweise 2040 und rechtfertigt ihre Forderung mit der steigenden Lebenserwartung.
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Auch der ehemalige Gesundheitsminister und Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU), selbst Mitglied der Kommission, forderte, ein höheres Rentenalter nicht als Tabu von der Diskussion auszuschließen.
Keine der Maßnahmen sollte jetzt vorschnell tabuisiert werden", sagte Gröhe dem Bayerischen Rundfunk.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte:
Rente mit 68, 70 oder noch später, wie (...) Gröhe es will, wird es mit der SPD nicht geben.
Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sieht derzeit keinen dringenden Bedarf für die Diskussion der Anhebung des Rentenalters.
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sagte der Rheinischen Post (Donnerstag), die Politik solle sich jetzt lieber darauf konzentrieren, Frühverrentungsanreize zu beseitigen und teure Leistungsausweitungen zu vermeiden, anstatt "heute schon über das Renteneintrittsalter von übermorgen zu diskutieren". Allerdings dürfe das Rentenalter in der neuen Rentenkommission, die am Mittwoch erstmals getagt hatte, kein Tabu sein.
Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds wäre eine Anhebung des Renteneintrittsalters "nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm", wie DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Zeitung sagte.
Je größer der Abstand zwischen realem Renteneintritt und gesetzlichem Renteneintrittsalter, desto höher sind die Abschläge, und umso niedriger fällt die Rente aus", erklärte Buntenbach, die auch Mitglied der neuen Rentenkommission ist. "Schon heute schaffen es nur wenige bis zur regulären Rente."
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