"Der größte Schuft im ganzen Land" - Deutsche Botschaft regte Strafverfahren gegen Krimbesucher an
Die West-Ost-Gesellschaft in Baden-Württemberg e.V. (WOG) organisierte im Sommer und Herbst 2016 im Zuge bestehender Städtepartnerschaften mehrere Krim-Reisen: nach Jalta, Simferopol und Eupatoria. Einer der Reisenden war Jörg Tauss, ehemaliger SPD-Politiker und Vorsitzender des Vereins. Damals forderte dieser in der Stadtverwaltung Jalta die Aufhebung der Russland-Sanktionen und die Abschaffung der Visapflicht für die Krim-Bewohner.
Das ging offenbar deutschen Behörden, die eine "Nichtanerkennungpolitik" in Bezug auf die Sezession der Krim von der Ukraine im Jahr 2014 betreiben, zu weit. Ein polizeiliches Ermittlungsverfahren, eingeleitet im Juni 2017 nach einer Anzeige durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), sollte klären, ob deutsche ehrenamtliche Reisemanager gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstießen: Im Einklang mit EU-Sanktionen gegen Russland dürfte kein deutsches Unternehmen Tourismus auf der Krim betreiben. Betroffen von den Strafverfolgungsmaßnahmen war eine WOG-Reise im Herbst 2016. Im Zuge der Ermittlung wurden auch die private Wohnung und die Computer von Jörg Tauss durchsucht. RT berichtete.
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Denunziation statt Konsularschutz
Das Verfahren wurde Ende 2017 eingestellt, da man keine kommerziellen Ziele bei dem Städtpartnerschaftsverein WOG feststellen konnte. Der Verein machte daraufhin vom Informationsfreiheitsgesetz (IFG-Bund) Gebrauch und beantragte beim BMWi die Akteneinsicht. Unter anderem wollten die Antragsteller wissen, wer dem Ministerium den entscheidenden Hinweis gegeben hat, auf welchen hin dieses das Verfahren eingeleitet hätte.
Die Verwunderung der ehrenamtlichen Aktivisten aus Baden-Württemberg war groß, als sie erfahren haben, dass es nicht wie etwa im Fall "Scooter" 2017 die ukrainischen Behörden waren, die eine deutsche Krim-Reise kriminalisieren wollten, sondern die deutsche Botschaft in Moskau. So schrieb eine Botschaftsmitarbeiterin ans BMWi in einer E-Mail: „Wir haben WIEDER einmal was für euch“. Dies belegt, dass die deutsche Botschaft in Moskau systematisch tatsächliche oder vermeintliche Krim-Verstöße zur Anzeige brachte.
Bisher gingen wir arglos davon aus, dass irgendwelche ukrainischen Dienststellen hinter der Denunziation und der Anzeige stecken… Umso überraschender und schlicht schockierend war es aber für uns, zu erfahren, dass nicht die Ukraine, sondern 'unsere' deutsche Botschaft in Moskau in ihrem Verantwortungsbereich den Stein ins Rollen gebracht hat", schrieben die WOG-Vorstandsmitgleider in ihrem Protestschreiben an den Botschafter Rüdiger von Fritsch.
In ihrem Brief empörten sich die Unterzeichner nicht nur wegen der Respektlosigkeit gegenüber dem gesellschaftlichen Engagement der Reisenden, die in dieser Denunziation zum Ausdruck kommt, sondern weil die deutsche Botschaft entgegen ihren eigentlichen gesetzlichen Pflichten die deutschen Bürger im Ausland eher gefährdet als schützt. In diesem Zusammenhang wies der Verein auf die berüchtigte ukrainische Hetzseite "Mirotworez" hin und das Desinteresse, mit dem die deutschen Behörden die Einträge von Daten deutscher Bürger auf diese Seite quittieren.
Sollen Bürger davon abgehalten werden, die Realität auf der Krim zu erleben?
Die deutsche Botschaft stehe in ihrem denunziatorischen Eifer dem ukrainischen Sicherheitsdienst, der hinter diesem Projekt vermutet wird, offenbar in nichts nach. Diese Politik ziele darauf, deutsche Unternehmen und Vertreter der Zivilgesellschaft zu verunsichern und von jeglichen Kontakten zu den durch die EU sanktionierten Krim-Bewohnern abzubringen.
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Diese Politik, die eine Entstehung von "schwarzen Löchern" in Europa befördere, kritisiert auch der europapolitische Sprecher der Fraktion "Die Linke" im Bundestag, Andrej Hunko. Die Fraktion kontaktiert auf dem Wege Kleinen Anfragen regelmäßig die Bundesregierung zum Thema Krim und zum Verhältnis zu Russland und stellt fest, dass diese sich nicht für eine Klärung im rechtlichen Raum einsetzt.
Es ist absurd, wenn Gruppenreisen zum zivilgesellschaftlichen Austausch auf Grundlage der EU-Sanktionen kriminalisiert werden. Die Verunsicherung, welche Formen des Austauschs legal sind, muss beendet werden", schrieb Hunko nach einer Anfrage am 29. September.
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