Sensation! "Bild"-Chef räumt Fehler ein!

Nachdem das Satiremagazin "Titanic" der "Bild"-Zeitung gefälschte E-Mails untergeschoben hatte, wählte "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt nach außen hin die gewohnte Vorwärtsverteidigung. In internen E-Mails gab er sich hingegen ungewohnt selbstkritisch.

Einen zerknirschten und selbstkritischen Julian Reichelt erlebt man nicht alle Tage. Normalerweise ist Angriff die Verteidigungstaktik des Bild-Chefredakteurs. Oder zumindest, es tunlichst zu vermeiden, einen Fehler öffentlich einzugestehen. Nachdem die Bild kürzlich auf gefälschte E-Mails hereinfiel, die ihr vom Satiremagazin Titanic zugespielt worden waren, können die Medienkonsumenten nun beides erleben: Einen Reichelt, der sich nach außen selbstbewusst verteidigt. Und einen Reichelt, der in internen Mails einen klaren Fehler einräumt.

In der internen E-Mail solidarisiert sich Reichelt zunächst mit seinen Untergebenen, die nun seinetwegen gepiesackt werden:

Mir ist bewusst, dass viele von Euch Fragen im Freundeskreis ausgesetzt sind. Und vermutlich auch Häme. Es ist leicht, gegenüber BILD hämisch zu sein. Für viele Menschen gehört das zum Weltbild und zum guten Ton. Wir teilen aus, also müssen wir auch einstecken.

Und dann kommt der für Reichelt so herrlich untypische Kniefall:

Für die Entscheidung, die gefälschten Mails zur Schlagzeile zu machen, bin allein ich verantwortlich. In Kenntnis aller nun zur Verfügung stehenden Fakten würde ich das so natürlich nicht mehr machen. Für diese Entscheidung habt Ihr alle nun viel auszuhalten. Aber gerade in solchen Situationen zeigt sich Zusammenhalt. Und dabei ist mir ein Punkt wichtig: Lasst Euch nicht verunsichern vom Spott auf Social Media.

Doch es gibt natürlich keinen Reichelt-Text ohne Bild-Lob: "Wir haben über Mails berichtet, die von Titanic gefälscht wurden - das stimmt. Aber zu keinem Zeitpunkt sind wir auf das hereingefallen, was Titanic erreichen wollte." Die Mitarbeiter sollen doch auch mal das Positive sehen: "An diesem Punkt haben unsere Mechanismen und – das ist besonders wichtig – unsere Diskussionskultur funktioniert und uns vor Schlimmerem bewahrt. Es ist wichtig, auch auf diese Fakten zu blicken, nicht nur auf den Sturm auf Social Media." Nachdem Reichelt noch Jakob Augstein als Kronzeugen gegen die Titanic ins Feld führt, schließt er pathetisch:

Wie gesagt, die Gewichtung als Schlagzeile war im Nachhinein falsch. Das geht allein auf mich. Aber zusammenzustehen, wenn wir Anfeindungen ausgesetzt sind, geht auf uns alle.

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Am Mittwoch klang das alles in Reichelts Verteidigungs-Artikel in Bild noch ganz anders:

Wenn bei Bild ein Fehler passiert ist, dann, dass wir den angeblichen Informanten nicht als 'Titanic'-Mitarbeiter enttarnen konnten, obwohl wir mehrfach versucht haben, seine Identität festzustellen. […] Ein berichtenswerter Vorgang bleibt es für Bild aufgrund der Strafanzeige der SPD trotzdem.