Keine öffentliche Auskunft: Berlin hält sich zu Militärmanövern an russischer Grenze bedeckt
Die Beziehungen Deutschlands und der NATO zu Russland seien „inzwischen wieder vorrangig geprägt von der Idee der Abschreckung“, heißt es in einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag an die Bundesregierung vom Dezember. Insbesondere Militärmanöver und militärische Übungen heizten das politische Klima „in einer von außen- und sicherheitspolitischer Anspannung geprägten Zeit weiter an und tragen das Risiko der beabsichtigten oder unbeabsichtigten Eskalation in sich“. Fehlinterpretierte militärische Aktionen könnten „eine Eskalationsspirale in Bewegung setzen“.
Daher wollte Die Linke von Berlin wissen, welche Manöver und Übungen sowohl der NATO als auch Russlands seit Anfang des Jahres 2014 im Raum der Ostsee, des Mittel- und Schwarzmeeres sowie in weniger als 100 km Entfernung zu einer Landgrenze der Russischen Föderation abgehalten wurden. Zudem erkundete sich die Partei nach Manövern im westlichen Balkan sowie im Cyberraum.
Nun hat die Bundesregierung ihre Antwort veröffentlicht. Zwar sei „der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt“, heißt es darin. Doch in diesem Fall erfordere es das „Staatswohl“, dass die Antworten als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „vertraulich“ beziehungsweise „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft werden. Mit anderen Worten: Die Öffentlichkeit soll davon nichts wissen.
Offensichtlich wollen die Bundesregierung und die NATO ihre anti-russische Propaganda ungestört von Fakten und Öffentlichkeit fortsetzen“, äußerte sich dazu der Verteidigungsexperte der Linken, Alexander Neu.
Neu war federführend an der Formulierung der Anfrage beteiligt. LautRP Online wollte er von der Bundesregierung „die Behauptungen massiver Aufrüstungen und ständiger Manöver an den Grenzen der NATO mit Fakten“ belegt haben. Aufgrund ihrer (Nicht-)Antwort rät er nun zu „mehr Misstrauen gegenüber den Erklärungen aus Politik und Bundeswehr, wenn es um die Gefährlichkeit des ,Russischen Bären‘ geht“.
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Zapad 2017: Genaues weiß man nicht
Eben diese Gefährlichkeit beschworen NATO-Vertreter im Vorfeld der russisch-weißrussischen Militärübung „Zapad 2017“ (auch „Sapad 2017“), die im September abgehalten wurde. Mit der frei erfundenen Zahl von 100.000 russischen Soldaten, die angeblich an der Übung teilnehmen und möglicherweise dauerhaft in Weißrussland verbleiben würden, befeuerte das Militärbündnis im Einklang mit westlichen Leitmedien die Angst vor dem russischen Bären. In baltischen und polnischen Medien wurde gar die Gefahr beschworen, die Übung diene Russland als Sprungbrett für eine Invasion. Verteidigungsministerien Ursula von der Leyen wollte da nicht hintenanstehen und verbreitete ebenfalls die Mär von den 100.000 russischen Soldaten.
In ihrer Anfrage wollte Die Linke wissen, wie es um die Personalstärke bei dieser Übung tatsächlich bestellt war. Auch in diesem Fall mauerte die Bundesregierung. Sie verwies lediglich auf die öffentlichen Äußerungen des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers Alexander Wassiljewitsch Fomin. Diesem zufolge seien bei der Übung „etwa 70 Luftfahrzeuge (Flugzeug und Hubschrauber), bis zu 680 Hauptwaffensysteme (darunter bis zu 250 Kampfpanzer und bis zu 200 Geschütze) sowie zehn Schiffe und Boote der Baltischen Flotte eingesetzt worden. Seinen Angaben zufolge sollen insgesamt circa 12.700 Soldaten teilgenommen haben, davon circa 5.500 von den russischen und circa 7.200 von den belarussischen Streitkräften.“
Will oder kann Berlin die Angaben Fomins nicht bestätigen? Ersteres ist wahrscheinlich, denn es wäre das Eingeständnis, dass die russische Seite von Anfang an die Wahrheit sagte, während die NATO monatelang mit Fake News antirussische Stimmungen und Panikmache schürte. Doch die Russen waren nicht in Osteuropa einmarschiert und der Dritte Weltkrieg blieb aus. Bei dem Manöver anwesende NATO-Beobachter kamen nicht umhin, die Angaben Moskaus zu bestätigen. Die PR-Blamage für das transatlantische Bündnis war perfekt. Um diese doch noch abzuwenden, (er)fand die NATO einen Monat nach der Übung plötzlich zehntausende russische Soldaten auf Satellitenbildern – und behielt die angeblichen Beweise für sich.
Vor allem ein Mann wollte sich mit der Niederlage im Informationskrieg nicht abfinden. Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, General Ben Hodges, zeigte sich noch Ende Oktober davon überzeugt, dass an Zapad 2017 „wahrscheinlich über 40.000 Soldaten“ teilgenommen haben. Der General, der als Nebenjob Tapferkeitsmedaillen an ukrainische Soldaten verleiht, die sich im Donbass mutig den von Hodges herbeifantasierten 12.000 russischen Soldaten entgegengestellt hatten, ist sich sicher: Wenn die US-Armee aus Europa abzieht, dann droht eine russische Invasion.
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