Deutschland

Nicht einmal für tote Russen ist in Deutschland mehr Platz

Fast 85 Jahre nach Beginn des "Unternehmens Barbarossa" wird gegen die letzten Zeugnisse der deutschen Aggression mobilgemacht. In einer MDR-Sendung werden die Sowjetischen Ehrenmale und Kriegsgräber in Mitteldeutschland zum vermeintlichen Problemfall stilisiert.
Nicht einmal für tote Russen ist in Deutschland mehr Platz© Urheberrechtlich geschützt

Von Wladislaw Sankin und Astrid Sigena

Als die Sowjetunion nach dem Fall der Mauer 1989 den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung unterstützte und in den Folgejahren ihre im Beitrittsgebiet stationierten Truppen abzog, kamen die Deutschen – zumindest, was diese Seite betraf – recht gut weg: Die Sowjetunion stellte nur wenige Bedingungen. Darunter waren der Fortbestand und die Pflege der Sowjetischen Ehrenmale und Kriegsgräber (festgehalten beispielsweise im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag vom November 1990). Andere Siegermächte sollen da weit weniger großzügig gewesen sein: So heißt es immer wieder, die Bedingung für die Zustimmung Frankreichs zur deutschen Wiedervereinigung sei die Aufgabe der D-Mark gewesen. Aber offenbar fällt es Deutschland immer schwerer, sogar diese nur geringfügige Verpflichtung (die eigentlich schon von vornherein ein moralischer Anspruch wäre) zu erfüllen.

Diesen Eindruck erwecken zumindest Medienberichte und Kongresse der letzten Monate: So fand im November dieses Jahres ein Symposium in Berlin unter Beteiligung deutscher Offizieller und mit deutscher Finanzierung statt, das den zukünftigen Umgang mit den sowjetischen Monumenten sowie das Neuschreiben der sie umgebenden Geschichten zum Thema hatte (RT DE berichtete). Die Leiterin des ukrainischen Kulturinstituts verkündete damals stolz, man habe den Deutschen klargemacht, dass man mit den Denkmälern etwas tun könne – wobei sie offenließ, was genau.

Und auch in Sachsen wird die Debatte um ein "polarisierendes" sowjetisches Denkmal in Dresden weiter angeheizt. Erstaunlich, wo die Sachlage doch eigentlich klar ist: Die Denkmäler (und die Grabanlagen) sind zu erhalten und zu pflegen. Niemand, der sie ablehnt, ist gezwungen sie besuchen. Aber ganz offensichtlich will man es damit nicht auf sich beruhen lassen.

Den jüngsten Versuch einer Problematisierung unternahm der MDR mit einem elfminütigen Bericht namens "Sowjetische Ehrenmale in Mitteldeutschland" für die Sendung Umschau (ausgestrahlt am 16.12.2025). Neben dem Monument im Treptower Park werden als angeblich "umstritten" das sowjetische Ehrenmal am Dresdner Olbrichtplatz, das Sowjetische Denkmal in Suhl sowie der Ehrenfriedhof für die einst in Weimar stationierte sowjetische Garnison thematisiert. Bei allen drei Gedenkorten, die erst vor Kurzem saniert wurden oder gerade restauriert werden, unterlässt es der MDR nicht, auf die Kosten für die Sanierung der "kontrovers diskutierten" Mahnmale hinzuweisen.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl, der unterschwellig signalisieren soll: Wollen wir uns wirklich diese teuren Überbleibsel der sowjetischen Besatzer noch leisten? Gerade in Zeiten knapper Kassen, insbesondere bei den Kommunen? Der MDR nennt für die Sanierung des Dresdner Denkmals eine Summe von fast 130.000 Euro, für den Suhler "Steinkoloss" Kosten von rund 100.000 Euro und für die Sanierung des im Park von Schloss Belvedere gelegenen Weimarer Sowjetischen Friedhofs sogar 1,2 Millionen. Kein Pappenstiel! Allerdings vergisst der MDR zu erwähnen, dass – während die Stadt Dresden die Kosten für die Restaurierung anscheinend tatsächlich selbst trug – die Stadt großzügig mit Fördergeldern unterstützt wurde (genannt wird die Thüringer Denkmalpflege). Es ist also keineswegs so, dass für den Erhalt des örtlichen sowjetischen Denkmals das geliebte Schwimmbad geschlossen werden muss. Und in Weimar ist laut Angaben der Stadt ohnehin der Freistaat Thüringen für die Finanzierung der Instandsetzung des Gräberfeldes zuständig.

Apropos Weimar: Der Umgang mit den Gräbern der dort beigesetzten Angehörigen der Sowjetarmee kann nur problematisch genannt werden, das fällt auch dem MDR auf. Vladislav Drilenko, einem Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald, ist es zu verdanken, dass bekannt wurde, dass die Stadt Weimar einen wenig würdigen Umgang mit diesen Grabstätten pflegt: Nachdem bereits in den 80er-Jahren zugunsten von Sammelgrabsteinen etliche individuelle Grabsteine abgeräumt worden waren, fanden sich nun erneut Grabsteine mit kyrillischer Schrift auf der Weimarer Friedhofsdeponie – "in einem Schutthaufen", wie Drilenko sagt. Ansonsten wird er nur mit seiner Sorge zitiert, der rüde Umgang mit den Grabsteinen könnte in Russland instrumentalisiert werden. Denn, so Drilenko: "Die Propaganda schläft nicht." Es fällt allerdings schwer, sich vorzustellen, wie dieses Verhalten der Stadt Weimar in Russland anders gedeutet werden könnte denn als Geringschätzung sowjetischer Verstorbener.

Auffällig ist: Die Botschaft der Russischen Föderation als Vertreterin des Nachfolgestaates der Sowjetunion, gewissermaßen die Schutzmacht über die Denkmäler und Friedhöfe, wird im Beitrag nicht gefragt. Offensichtlich ist ihre Meinung nicht maßgeblich. Ohnehin ist für den befragten Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald Rikola-Gunnar Lüttgenau vor allem von Bedeutung, dass auf den gefährdeten Grabsteinen sehr viele ukrainische Namen zu lesen sind. Es handele sich dabei vermutlich um früh verstorbene Zwangsarbeiter, die nach dem Krieg ihren Dienst in der Sowjetarmee abgeleistet hatten. Lüttgenau bekommt die Gelegenheit, vor einem "neuen russischen Imperialismus" und einer Kaperung der sowjetischen Geschichte zu warnen. Eine leicht widerlegbare Behauptung. Gerade der russische Botschafter in Berlin Sergei Netschajew betont immer wieder die gemeinsame Niederringung des Faschismus durch alle Sowjetvölker und dass an den Gedenkzeremonien alle Nachfolgestaaten willkommen seien.

Sorgen bereiten muss den Denkmalsgegnern eine Umfrage, die der MDR im November 2025 unter seinen Zuschauern gestartet hatte. Über 18.000 Menschen beteiligten sich daran. So sprachen sich 74 Prozent für einen Erhalt der sowjetischen Ehrenmale aus, und sogar 79 Prozent stimmten für einen Fortbestand der Ehrenfriedhöfe. Auch auf eine kommentierende Einordnung würde mehr als die Hälfte der Teilnehmer an der Umfrage verzichten. Eine "Thematisierung des Ukraine-Krieges auf sowjetischen Ehrenfriedhöfen" halten sogar 69 Prozent für "(eher) unangemessen". Angesichts des medialen Dauerfeuers und der teilweise sogar juristischen Sanktionierung diesbezüglich vom offiziellen Narrativ abweichender Meinungen ist das ein geradezu erstaunliches Ergebnis!

Und auch die vom MDR befragten offiziellen Vertreter der genannten Kommunen sehen keinen Grund, die Pflege der Denkmäler und Grabstätten nicht weiter beizubehalten. In Suhl findet sich zwar mit dem Besitzer eines Architekturbüros Bernd Palme ein Ortsansässiger, der der Meinung ist, das örtliche Ehrenmal sei unzeitgemäß. Er steht damit aber zumindest vor der Kamera offenbar allein auf weiter Flur. Auch wenn sich Palme angeblich sicher ist: "Es gibt die Suhler mit dem Gespür dafür, dass sich am Ehrenmal was ändern müsste." Kein Wunder, dass der als Dresdner Bürger zu Wort kommende Militärhistoriker Holger Hase davon spricht, es müsse "erst einmal ein Problembewusstsein" dafür geschaffen werden, was am Dresdner Denkmal stattfinde.

Hase ist übrigens für diejenigen, die den Streit um die sowjetischen Ehrenmale in Deutschland ein wenig genauer verfolgen, ein alter Bekannter. Der Lehrstabsoffizier der Bundeswehr und FDP-Politiker kann im Beitrag unwidersprochen behaupten, russische Besucher der Gedenkorte wie die Mitglieder des Bikerklubs "Nachtwölfe" würden "unsere Gesellschaft ablehnen, das demokratische System". Bereits zuvor waren im Beitrag die früheren Besuche der Nachtwölfe skandalisiert worden.

Was sie allerdings so Schlimmes an den Denkmälern und Kriegsgräbern veranstaltet haben sollen, wird nicht so recht klar. Aber offenbar ist es schon inakzeptabel, wenn Russen an diesen Gedenkorten Blumen niederlegen und mit Liedern und Uniformen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges den Sieg ihrer Vorfahren feiern wollen. Für Hase jedenfalls sind solche Besuche eine Provokation. Im Streit um das Dresdner Ehrenmal gab Hase 2022 den Good Cop, der lediglich eine Kontextualisierung des "politischen Denkmals" forderte, im Gegensatz zu seinem damaligen Parteikollegen Stefan Scharf, der für einen Abbau plädierte. Eine scheinbare Mäßigung, bei der davon auszugehen ist, dass sie eine schrittweise Infragestellung des Fortbestehens der Monumente lediglich akzeptabler erscheinen lassen soll.

Gerade das Dresdner Sowjetische Ehrenmal zeigt, dass man den Gegnern der sowjetischen Monumente keine Zugeständnisse machen darf. 1994 war es (zugunsten des vor 1945 dort stehenden Brunnenkunstwerks "Stürmische Wogen") demontiert und vom Albertplatz zum Olbrichtplatz transportiert worden, wo es (nahe dem Militärhistorischen Museum) heute noch steht. Aber auch dort wird es nicht in Ruhe gelassen, wie unter anderem eine (von der Stadt Dresden genehmigte) Kunstinstallation zeigt.

Diese künstlich angefachte Diskussion um die sowjetischen Ehrenmale (denn die befragten Mitteldeutschen sehen offenbar mehrheitlich kein Problem in deren Erhalt) fällt in eine Zeit, in der wieder zum Krieg gegen Russland gerüstet wird, kurz vor dem Beginn des Gedenkjahres 2026 zum 85. Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa". Sie fällt in eine Zeit, in der sich im deutschen Medienmainstream über die Ablehnung des Kreml einer von Bundeskanzler Friedrich Merz vorgeschlagenen Weihnachtswaffenruhe echauffiert wird – ohne zu erwähnen, dass es der russische Präsident Wladimir Putin war, der mehrmals das Schweigen der Waffen zu hohen weltlichen oder christlichen Feiertagen verkündet hatte – zuletzt eine dreitägige Feuerpause anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges über Hitlerdeutschland. Der Leser soll den Eindruck bekommen, dass – im Gegensatz zu den zivilisierten Deutschen und Briten beim "Weihnachtsfrieden" 1914 – die Russen kein Gespür für den Zauber von Weihnachten hätten.

Gut möglich, dass Merz diese mediale Ausschlachtung bei seinem von polemischen Äußerungen ("Terror gegen die Zivilbevölkerung", "Rest von menschlichem Anstand" bei der russischen Staatsführung) garnierten Appell für einen Waffenstillstand zu Weihnachten bereits einkalkuliert hatte. In dieselbe Kerbe schlägt Verteidigungsminister Boris Pistorius, wenn er in einem Interview verkündet, Putin gefährde das Recht des deutschen Bürgers auf ein Leben in Freiheit mit freier Glaubens- und Partnerwahl – eine völlig unbewiesene Behauptung.

Russland bekommt in der offiziellen politmedialen Wahrnehmung immer mehr den Stempel des völlig Anderen, das nicht dieselben zivilisatorischen Standards, ja auch nicht dieselben Bedürfnisse nach Freiheit und Liebe aufweist – während man selbst vorgeblich die höhere Gesellschaftsordnung besitzt. Bei einer solchen Stimmungslage ist auch kein Platz mehr Russen, die um ihre toten Vorfahren trauern. Ja nicht einmal mehr für die Toten selbst. Der Weltanschauungskrieg wird schon vorbereitet.

Mehr zum Thema – Seelow-Bürgermeister: Gutes Zeichen für Frieden in Europa, dass russischer Botschafter dabei war

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.