
Doch noch gute Wirtschaftsnachrichten zum Jahresende? Butterpreis im Keller – Milchbauern in Sorge

Von Martin Eulenburg
Kanonen statt Butter? Diese Frage scheint sich angesichts der aktuellen Nachrichten aus der Milchwirtschaft nicht zu stellen, zumindest nicht in der Schärfe eines Entweder-oder. Zuerst meldeten landwirtschaftliche Fachportale wie topagrar, dann auch die Zeit den scheinbar plötzlichen, dramatischen Fall des Butterpreises, der bei den Discountmärkten inzwischen bei 99 Cent für das 250-Gramm-Päckchen liegt.
So jubelte Bild bereits über die drastische Verbilligung: "So günstig war Butter seit Jahren nicht mehr." Doch der Preissturz kündigte sich seit Monaten an. Schon im Spätsommer lieferten sich Aldi, Lidl & Co. einen Wettlauf nach unten – Mitte September sank der Preis durchschnittlich von 1,99 auf 1,79 Euro für ein halbes Pfund Butter. Zu den Hintergründen des Preisverfalls zitiert die Hamburger Wochenzeitung den Sprecher des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. Der Milchbauer aus dem Allgäu klagt: "Die ersten Molkereien haben jetzt schon Preissenkungen angekündigt." Und es seien auch schon Einbußen bei den Einnahmen zu verzeichnen. "Manche haben sie schon durchgesetzt und zahlen jetzt bis zu zehn Cent weniger."

Widersprüchliche Lage
Die Butterpreise für Verbraucher seien nun so niedrig wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Wie agrarheute berichtet, will Lidl mit der Senkung des symbolischen Preises für Butter seine "Rolle als Preisführer im deutschen Lebensmitteleinzelhandel" unterstreichen. Zur Begründung habe der Konzern angeführt, die Nachfrage stärken und die Milchbauern unterstützen zu wollen.
Tatsächlich habe man es jedoch mit einer Ausnahmesituation zu tun, wie die Zeit unter Berufung auf den Kieler Agrarwissenschaftler Holger Thiele ihren Lesern erklärt. Anders als sonst im Herbst oder Winter seien die "Bedingungen für die Milchproduktion", so Thiele, "gerade ideal". Bislang seien die Erzeugerpreise "sehr hoch" gewesen. In diesem Jahr sei allerdings die Futterqualität ebenfalls sehr hoch, und Gras- und Maissilage seien in großen Mengen verfügbar. Außerdem seien die Getreidepreise momentan niedrig. All diese Faktoren führten dazu, dass die Kühe nicht nur viel Milch geben würden, sondern auch der Fettanteil der Milch sehr hoch sei.
Anders als im Vorjahr seien bisher auch keine Rinderkrankheiten in größerem Ausmaß aufgetreten. Im vergangenen Jahr habe die sogenannte Blauzungenkrankheit zu einer Verknappung des Milchangebots geführt, was unter anderem zu den Preissteigerungen beim Butterpreis beigetragen habe, da die Milch der erkrankten Kühe teilweise nicht verarbeitet werden durfte.
Wem nutzt es?
Die Erklärungen der Handelskonzerne und der Erzeugerverbände zu den wiederkehrenden Preiskämpfen bei Grundnahrungsmitteln wie Milchprodukten lassen sich auch dieses Mal nicht ohne Weiteres vereinbaren. Lidl erklärt, man verzichte "bewusst auf Marge, um durch eine höhere Absatzmenge die Milchbauern zu unterstützen". Damit würde "Lidl sinkende Rohstoffpreise weiterhin konsequent und direkt als Preisvorteil an seine Kunden" weitergeben – und dies, wie die Einzelhandelskette betont, "ohne Nachteile für die Milchbauern". Wie agrarheute unter Berufung auf das Handelsunternehmen hervorhebt, habe Lidl den Butterpreis seit Jahresbeginn um rund 56 Prozent gesenkt.
Milchviehhalter Foldenauer sagte gegenüber der Zeit, die Bauern wüssten bei der täglichen Ablieferung der Milch nicht exakt, wie viel sie für die jeweilige Menge bekommen würden. Dies würden sie erst Wochen später erfahren, denn den Preis bestimmten die Molkereien rückwirkend. "Wenn die Preise steigen, dann kommen sie nur sehr langsam bei uns an." Umgekehrt würden sie den Rückgang sehr schnell zu spüren bekommen, "und wenn sie fallen, dann fallen sie schnell."
Wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) ebenfalls unter Berufung auf Verbandspräsident Foldenauer dazu schreiben, werde der Milcherzeugerpreis – umgangssprachlich der Milchpreis – von den Molkereien "anhand von Faktoren wie Marktlage, Milchmengen und Fettgehalt bestimmt". Im ersten Halbjahr 2025 habe der an die Milchbauern ausgezahlte Preis durchschnittlich und bundesweit bei rund 53 Cent pro Kilogramm Rohmilch gelegen.
Die Produktionskosten hätten allerdings, so Foldenauer, im Juli 53,53 Cent je Kilo Milch betragen. Der Milchviehhalter-Verband spricht nun von einem Verfall der Erzeugerpreise auf inzwischen durchschnittlich 46 Cent pro Kilo Milch.
Die Preispolitik der Discounter kann Foldenauer laut DWN nicht nachvollziehen:
"Was hilft uns Milchviehhaltern eine höhere Absatzmenge, wenn wir mit jedem Kilogramm Absatz Verluste einfahren?"
Die Senkung der Butterpreise könne der Handel sich jedoch nur erlauben, weil die Molkereien zu solch günstigen Bedingungen lieferten und den Preisdruck "ohne eigenes wirtschaftliches Risiko" direkt an die Erzeuger weitergeben würden.
Auch aus dem deutschen Bauernverband kam Kritik. Dessen Vizepräsident, Karsten Schmal, nannte die jüngste Entwicklung einen "beispiellosen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel". Er vertrat die Ansicht, der deklarierte Margenverzicht der Handelsketten reiche nicht aus. Für die Milchbauern käme es darauf an, dass der Milchpreis wieder spürbar steigen müsse.
Rolle des Weltmarkts
Bereits vor einem Monat hatte Agrarexperte Thiele zum Preisverfall bei der Butter gegenüber dem MDR erläutert:
"Immer, wenn mehr produziert wird und die Nachfrage nicht gleichzeitig ansteigt – und das tut sie nicht, die Nachfrage ist zwar gut, aber sie steigt nicht in dem Maße, wie das Angebot gestiegen ist – haben wir Preisdruck an der Stelle."
Hinzu käme noch, so Thiele, der relativ schwache US-Dollar. Der Export von Milch- und Butterprodukten aus Deutschland beziehungsweise der EU führe bei schwachem US-Dollar zu sinkenden Butterpreisen auch in Deutschland.
Gegenüber der Zeit macht Thiele zudem Effekte der US-Zollpolitik geltend. Zwar würde Deutschland relativ wenige Milchprodukte in die USA exportieren, doch würden die US-amerikanischen Importzölle dazu führen, dass dort die Nachfrage nach deutschen Milcherzeugnissen wie beispielsweise Käse weiter zurückgehe. Die Folge: "Das wiederum drückt dann auf die Preise auf den internationalen Märkten, die aktuell von viel Unsicherheit geprägt sind."
Dementsprechend hatte auch das Statistische Bundesamt im Oktober 2025 einen Rückgang der Verbraucherpreise für Butter im Jahresvergleich um 21,8 Prozent festgestellt. Im Vergleich zum Vormonat sei Butter immerhin um 12,2 Prozent billiger geworden.
Verschärfend wirke auch ein "starker Konkurrenzdruck" unter den Lebensmittelketten. Der Kieler Agrarwissenschaftler vertritt die These, die Discounter würden versuchen, "mit möglichst niedrigen Butterpreisen die Verbraucher in die Läden hineinzubekommen". Die Zeitung Bild brachte diese Lockvogel-Strategie auf folgende Formel: "Wer Butter kauft, packt meist auch den Rest des Einkaufswagens voll."
Dennoch werde es nicht dauerhaft bei solch niedrigen Preisen bleiben, prognostizierte der Kieler Experte: "Wenn die Preise so wie jetzt niedrig sind, haben wir auch einen Nachfragesteigerungseffekt. Das sind die klassischen Marktreaktionen, die dazu führen, dass irgendwann die Preise auch wieder steigen werden."
Marktmacht der Handelsketten
Tatsächlich gingen zwei Drittel der hierzulande erzeugten Milchprodukte in die Industrie, so die Zeit. Untersuchungen zufolge, die Thiele durchgeführt hat, sei der Einfluss des Weltmarkts auf die Preise des deutschen Milchmarkts "enorm": "80 Prozent der Preisvarianz auf dem Weltmarkt bestimmen die Preisvarianz bei uns." Was im Umkehrschluss wiederum bedeute, dass nur 20 Prozent der Preisveränderungen auf dem deutschen Milchmarkt regionalen oder nationalen Einflussgrößen unterliegen.
Während die Verbraucher aus nachvollziehbaren Gründen jede Preissenkung begrüßen, sehen sich viele Milcherzeuger steigendem Preisdruck ausgesetzt. So hatte Ramon van Leeuwen, Anlagenleiter bei der der Erzeuger- und Handels-AG Laproma in Schloßvippach, Landkreis Sömmerda in Thüringen, gegenüber dem MDR die Befürchtung geäußert, dass die Preise nicht weiter sinken dürften, da es andernfalls "für verschiedene Betriebe wirklich knapp werden" könnte, "vielleicht katastrophal knapp". Es ginge dabei auch um eine Qualitätsfrage, nicht zuletzt um das Tierwohl: "Der Verbraucher muss sich immer auch selbst fragen: Will er billig um jeden Preis – oder ist auch wichtig, dass gute Qualität auf den Teller kommt?"
Die Marktmacht der Lebensmitteleinzelhandelsketten spiele eine entscheidende Rolle, so die Zeit. Diese seit langem bekannte Tatsache werde durch ein aktuelles Gutachten der Monopolkommission abermals bestätigt. Die frühere Ampel-Regierung hatte im vergangenen Jahr die Studie unter dem Eindruck der Bauernproteste beauftragt. Einer der Kernpunkte: Der Lebensmitteleinzelhandel ist hochgradig konzentriert – gerade einmal vier Handelsketten teilen 85 Prozent des Marktes unter sich auf. Diese sind Aldi, Edeka, Rewe sowie die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland.
Gerade die "Milchlieferkette" sei von der besonderen Asymmetrie der Marktmacht gekennzeichnet. Aufgrund dieser Konzentration seien die Ketten in der Lage, die "Einkaufspreise gegenüber Herstellern und Erzeugern massiv zu drücken und Konditionen einseitig zu bestimmen". Molkereien und Milchbauern hätten "mit volatilen Kosten und globalen Preisrisiken" zu kämpfen, während die Handelsketten "überproportional von den steigenden Endkundenpreisen" profitierten. Dabei sind die Einflusspotenziale strukturell ungleich im Markt verteilt. So habe die Monopolkommission eine "wachsende Schere zwischen sinkenden Auszahlungspreisen für Milchbetriebe und stabil hohen Verbraucherpreisen im Regal" festgestellt.
Die Tiefstände bei den Butterpreisen erklärt Thiele mit der Lockvogelfunktion der Milchprodukte, die nur eine begrenzte Haltbarkeit haben:
"Wenn die Kunden erst einmal im Geschäft sind, kaufen sie auch andere Produkte mit einer höheren Marge. Die Oligopolstellung erlaubt es ihnen, solche Preisaktionen querzusubventionieren, während Molkereien und Landwirte kaum Einfluss auf die Preisgestaltung haben."
Spätestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres dürften die Butterpreise wieder anziehen – je nach internationaler Marktlage.
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