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Antirussland-Kämpfer und Internet-Troll Tim Schramm bekommt seine Rechte als AfD-Mitglied zurück

Der gegen seine Parteikollegen wegen ihre "Russenstusserei" polternde AfD-Jungpolitiker darf in der Partei bleiben. Dem ehemaligen Ukrainer-Kämpfer konnte laut einem Gerichtsbeschluss kein Schaden für die Partei nachgewiesen werden.
Antirussland-Kämpfer und Internet-Troll Tim Schramm bekommt seine Rechte als AfD-Mitglied zurück© Schramm auf X

Der Landesvorstand der AfD in Nordrhein-Westfalen kassiert im Verfahren gegen Parteimitglied Tim Schramm eine Schlappe. Das Landesschiedsgericht der Partei hat am Dienstag entschieden, den Entzug der Mitgliedsrechte des jungen Wuppertaler Kommunalpolitikers aufzuheben. Die Welt berichtete darüber am Mittwoch ausführlich. 

Der Vorstand um Landeschef Martin Vincentz hatte im Juli einen Antrag auf Parteiausschluss gegen Schramm beschlossen, da der 22-Jährige zwischen März und Juni dieses Jahres als Freiwilliger in der ukrainischen Armee gekämpft hatte – RT DE berichtete hier und hier. Beantragt war zudem der sofortige Entzug der Mitgliedsrechte. Schramm verlor daraufhin sein Amt als stellvertretender AfD-Kreisvorsitzender in Wuppertal. Dieses Amt erlangt er nun zurück.

Der Antrag auf Parteiausschuss wurde laut Welt-Bericht von dem Vorstandsmitglied und EU-Abgeordneten Prof. Hans Neuhoff unterzeichnet. Sein Argument lautete wie folgt: 

"Der Antragsgegner hat mit seinem Kampfeinsatz als Angehöriger der ukrainischen Armee und mit seinen Aussagen bei der anschließenden publizistischen Verwertung dieses Einsatzes schwerwiegend gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen und einen daraus resultierenden schweren Schaden für die Partei verursacht".

Über den Antrag auf Parteiausschluss hat das Schiedsgericht bislang nicht entschieden. Laut dem aktuellen Beschluss hält es das Gericht für denkbar, dass ein "Verstoß gegen die Ordnung der Partei" vorliegen könnte, da Schramm seine Reise in die Ukraine "entgegen Parteiregularien nicht beim Landesvorstand oder beim Bundesvorstand angezeigt hat." Entschieden wurde über die Ordnungsstrafe "sofortiger Entzug der Parteirechte bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Parteiausschluss" und zwar positiv für den Ex-Kämpfer. 

Diese Maßnahme gilt bei den Juristen als besonders hartes Schwert. Allerdings wird sie laut einem von RT kontaktierten Parteirichter oft geführt, ohne dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen "schwerwiegenden und dringlichen Einzelfall" vorliegen. Deshalb heben die Schiedsgerichte diese Ordnungsstrafe in fast allen Fällen wieder auf – so auch in der Causa Schramm.  

Dieser Eingriff müsse daher besonders strengen Kriterien genügen, heißt es in der Begründung. "Dieser Prüfung hält die Maßnahme nicht Stand." Schramm habe "direkt bei der militärischen Kriegsführung der Ukraine mitgewirkt" und Positionen der Partei zum Krieg zwischen der Ukraine und Russland dargelegt. Es sei allerdings "schon offen, ob es sich dabei um (…) Kernpositionen der Partei handelt."

Auch positionierte sich das Gericht zu Schmäh- und Drohgebärden Schramms gegenüber den andersdenkenden und älteren Parteimitgliedern. Bekannt war beispielsweise das von ihm gepostete Foto mit teilweise mit obszöner Lexik beschrifteten Mörsergranaten, die den "Russenstussern" gelten (so werden in parteinahen Kreisen Menschen beschimpft, die sich an der antirussischen Hetze nicht beteiligen). Dass Schramm innerparteiliche Gegner als "Russenstusser", "Boomer" und "geopolitische Analphabeten" bezeichnet habe, könne zwar ein "unangemessenes Verhalten gegenüber Parteimitgliedern in der Öffentlichkeit" sein. Dies rechtfertige aber nicht einen sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte, so das Gericht.  

Über den Antrag auf Parteiausschluss hat das Schiedsgericht bislang nicht entschieden. Laut dem aktuellen Beschluss hält es das Gericht für denkbar, dass ein "Verstoß gegen die Ordnung der Partei" vorliegen könnte, da Schramm seine Reise in die Ukraine "entgegen Parteiregularien nicht beim Landesvorstand oder beim Bundesvorstand angezeigt hat."

Für einen solchen Verstoß sieht die Satzung der AfD allerdings lediglich Abmahnungen vor. Geht ein Verstoß auch mit einem Schaden der Partei einher, sind die Enthebung aus Parteiämtern und Ämtersperren bis zur Höchstdauer von zwei Jahren möglich.

"Der Eintritt eines schweren Schadens für die Partei aufgrund des dem Antragsgegner vorgeworfenen Verhaltens ist nicht dargelegt", urteilten die Richter der zweiten Kammer nun im schriftlichen Verfahren. "Gegen einen solchen Schaden spricht, dass die Partei ein breites Meinungsspektrum repräsentiert." 

Laut dem von uns kontaktierten Experten gilt jeder Ansehensverlust in der Öffentlichkeit als Schaden für die Partei aus. In Fall Schramm könnte die Berichterstattung über einen Söldner in den eigenen Reihen als schwerer Schaden angesehen werden. Dann müsste der Landesvorstand in seinem Antrag an das Landesschiedsgericht Beweise anbieten, dass die mediale Berichterstattung über den Fall zu (bemerkbar) schlechteren Wahlergebnissen der AfD führen wird oder führen kann. Diese Beweisführung sei allerdings nicht einfach. "Und es fragt sich, ob hier eine bundesweite Perspektive zulässig ist oder nur in Bezug auf NRW-Wahlen vorzutragen ist."

Die Entscheidung des Landesschiedsgerichts, Schramm die Mitgliederrechte wiederzugeben, sei also aus juristischer Sicht nicht überraschend. Gegen diese Entscheidung könne der Landesvorstand ggf. Berufung einlegen, so der Experte.

Todbringende "Grüße" an Parteikollegen

Der 22-jährige Schramm hatte nach eigenen Angaben als Mörserschütze und Drohnenpilot aktiv gegen die russische Armee im Frontabschnitt Saporoschje gekämpft. Der Ausschlussantrag setzte sich den Welt vorliegenden Informationen zufolge mit dem Kampfeinsatz und der Selbstdarstellung Schramms ausführlich auseinander. Er habe nach eigener Aussage auch auf Menschen geschossen, heißt es in dem Antrag. In Interviews habe er "in prahlerischer Manier über seine Unternehmung" berichtet, wirft ihm der Landesvorstand in dem Antrag vor. Die AfD vertrete demgegenüber eine "anti-interventionistische Linie" und lehne Waffenlieferungen ab.

Zu einem Foto zweier Mörsergranaten, die Teil von Schramms Einsatz in der Ukraine waren und auf denen es heißt: "LG an alle Russenstusser!" sowie "F..ckt euch! Grüße aus Wuppertal“, heißt es im Ausschlussantrag: "Auch die Bundessprecherin der AfD, Alice Weidel, die noch Mitte Mai 2025 verlangt hatte, "nicht immer alles in Böse und Gut einzuteilen, sondern endlich die Sicherheitsinteressen von Russland mitzuberücksichtigen", wäre nach der Nomenklatur des Antragsgegners eine "Russenstusserin", die "sich f..cken soll."

Schramm ist seit 2022 AfD-Mitglied und war im September dieses Jahres trotz seiner entzogenen Mitgliedsrechte für die AfD in den Wuppertaler Stadtrat gewählt worden. Die aktuelle Entscheidung des Schiedsgerichts bezeichnet er im Gespräch mit der Welt als "äußerst erfreulich". Er wurde in seinem Wahlkampf von der AfD-Co-Chefin Alice Weidel und seinem politischen Ziehvater, dem NRW-Landesabgeordneten Sven Tritschler unterstützt – RT DE berichtete.

"Dass ich außenpolitisch andere Vorstellungen habe als das Vorstandsmitglied Neuhoff, der für die Niederlage der Ukraine eintritt, ist kein Grund, das schärfste Schwert der Partei anzuwenden", sagt Schramm. "Es ist absurd, dass Neuhoff behauptet, ich würde der Partei schaden, während er entgegen der deutlichen Empfehlung der Bundesvorsitzenden zu Regime-Vertretern nach Russland reist."

Befangenheitsverdacht und Söldnertum

Der Europaabgeordnete und Musikwissenschaftler Hans Neuhoff hatte Mitte November gemeinsam mit Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban und dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré an der Konferenz "BRICS Europe" im russischen Sotschi teilgenommen. Gastgeber der Tagung waren die staatliche Russische Akademie der Wissenschaften sowie eine Organisation aus Indien. Er und seine Kollegen beschrieben die Reise als erfolgreich und fruchtbar. Er sei gelungen, viele wichtige internationale Kontakte zu knüpfen und den Vertretern der Mehrheit der Weltbevölkerung andere Positionen als die der Bundesregierung zu zeigen.

Neuhoff reichte Ende September gegen einen der am Verfahren beteiligten Richter, den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Hartmut Beucker, einen Befangenheitsantrag ein. Da Beucker und Schramm demselben Kreisverband angehörten und Beucker vor Schramms Eintritt in die Partei das erforderliche Aufnahmegespräch geführt habe, bestehe ein "persönliches Bekanntschaftsverhältnis", das geeignet sei, "die erforderliche Neutralität des Richters zu beeinträchtigen", heißt es in dem Weltvorliegenden Schreiben.

Zudem sei Schramm mit dem Landtagsabgeordneten Sven Tritschler befreundet und bei diesem angestellt. "Es liegt auf der Hand, dass sich Entscheidungen des Richters Dr. Beucker im Verfahren Schramm auf das kollegiale Verhältnis zu Herrn Tritschler MdL auswirken könnten, unter Umständen sogar erheblich", argumentierte Neuhoff. "Es könnte damit auch drohen, dass die Arbeit der AfD-Fraktion im Landtag NRW insgesamt in Mitleidenschaft gezogen wird."

Das Schiedsgericht lehnte den Befangenheitsantrag am vergangenen Samstag ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters als unbegründet ab. "Legitime Zweifel" an der Unparteilichkeit würden nicht vorliegen, heißt es in dem Beschluss.

Zu den häufig gestellten Fragen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Kampfeinsatz Schramms gehört eine mögliche Strafbarkeit nach § 47 Wehrstrafgesetz (Tätigkeit für eine Fremde Macht). Es liegt aber im Ermessen des Bundesverteidigungsministeriums, einen Strafantrag gegen ihn zu stellen. Dies ist bislang weder in seinem noch in anderen medial bekannten Fällen geschehen. Offenbar betrachtet die deutsche oberste Militärbehörde die ukrainische Armee inzwischen nicht mehr als fremde Streitmacht.

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