Deutschland

Brandbrief der Berliner Gewerbeaufsicht: "Faktisch keine funktionierende Überwachung mehr"

Ein Brandbrief aller zwölf Berliner Ordnungsamtsleitungen an die zuständige Senatsstelle schildert die massiven Probleme bei dem nicht mehr zu bewältigenden Kampf gegen "kriminelle Strukturen" in der Parallelwelt der Spielhallen, Wettbüros und Prostitutionsstätten in der Hauptstadt.
Brandbrief der Berliner Gewerbeaufsicht: "Faktisch keine funktionierende Überwachung mehr"Quelle: www.globallookpress.com © ullstein bild / Kontributor

Der Berliner Tagesspiegel zitiert aus einem "Brandbrief" der Ordnungsämter, die die zuständige Senatskanzlei erneut über die katastrophalen Bedingungen, unter denen die Gewerbeüberwachung arbeitet, informiert (Bezahlschranke). Zu wenig geeignetes Personal, "Behörden-Pingpong" und Zuständigkeitschaos würden die Beamten vor unüberwindbare Hürden stellen. Der Wirtschaftsstandort Berlin sei "ohne funktionierende Gewerbeüberwachung gefährdet", es fehle an effektiver Kontrolle unter anderem von "Spätis, Geschäften und Glücksspiel".

Die Behördenleiter der Ordnungsämter berichten laut dem TS-Artikel von der Alltagsrealität, dass die Hauptstadt "derzeit faktisch über keine funktionierende Gewerbeüberwachung mehr verfügt". Die Problemlage sei der Senatsleitung seit Langem bekannt, ebenso die damit verbundenen "gravierenden Folgen für Rechtsstaat, Sicherheit und fairen Wettbewerb", so Auszüge aus dem Brandbrief.

Eine "geplante Neuaufstellung der Gewerbeaufsicht" ziehe sich bereits "seit Jahren" hin. Genannt werden Zahlen und Daten:

"In den 80er- und 90er-Jahren hatte die Gewerbeaufsicht des LKA [Berlin] noch 200 Mitarbeiter, Ende 2021 waren es 43 Beamte, jetzt sind es 23. Im vergangenen Jahr schafften sie gerade noch 262 Kontrollen in Gaststätten, bei Maklern, Finanzvermittlern, Bordellen und Spielhallen. Vorgegeben waren 585 Kontrollen."

Der TS-Artikel fasst die von den Gewerbeaufsichtsleitern geschilderte Realität nüchtern zusammen:

"Die Stadt riskiere, als Ort wahrgenommen zu werden, 'an dem man machen kann, was man will'. Wo 'Gesetze keine praktische Wirkung mehr entfalten', Wirtschaftskriminalität folgenlos und Verstöße 'mangels einer funktionsfähigen Verwaltung (…) faktisch sanktionslos bleiben'." 

Der Gewerbeaußendienst beim Landeskriminalamt (LKA) würde demnach "praktisch nicht mehr existieren". So heißt es im Brief:

"Bei Spielhallen, Wettbüros, Prostitutionsstätten, Pfandleihern oder Finanzvermittlern finden seit Jahren kaum oder gar keine Kontrollen mehr statt ... Wenn der Staat in diesem Bereich dauerhaft nicht präsent ist, entstehen Räume, in denen rechtsstaatliche Grundsätze keine Geltung mehr haben."

Die Warnung der Amtsleiter lautet nachdrücklich, dass sich durch den andauernden Status quo "Strukturen etabliert" hätten, "die sich offenkundig nicht mehr an geltendes Recht gebunden fühlen". Zur politischen Verantwortlichkeit heißt es:

"Das alles ist dem Senat bereits seit Jahren bekannt. Bereits Anfang 2022 kam eine Untersuchung für die Wirtschaftsverwaltung zu einem verheerenden Ergebnis: Die Gewerbeüberwachung sei in weiten Teilen 'nicht funktional'." 

Im September 2021 fand die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin statt. Regierende Bürgermeisterin war die SPD-Politikerin Franziska Giffey. Nachdem der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin offiziell am 16. November 2022 "die Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus vom 26. September 2021 für ungültig erklärt" hatte, erfolgten Neuwahlen, wobei Giffey noch bis April 2023 weiter im Amt blieb, um dann von dem CDU-Politiker Kai Wegener abgelöst zu werden.

Laut dem Gutachten aus dem Jahr 2022 existieren "Unklarheiten und Grauzonen", da das LKA und die Bezirksordnungsämter für sich jeweils reklamieren, "zuständig zu sein – oder dies bestritten". Weiter heißt es:

"Wegen des Personalmangels führe die Gewerbeaufsicht beim LKA meist nur noch Verbundeinsätze durch, etwa bei Gaststätten mit Clan-Bezug, Café-Casinos, Spielhallen, Prostitutionsgewerbe und Bewachungsgewerbe. Dagegen werden 'weite Bereiche der erlaubnispflichtigen und überwachungsbedürftigen Gewerbebereiche gar nicht überwacht'."

Die Ordnungsamtschefs erklären abschließend in dem Brief, dass "viel geredet wurde, Probleme wurden erkannt, Lösungsvorschläge erarbeitet, aber passiert ist dann nichts".

Ein Sprecher der Senatskanzlei erklärte laut Tagesspiegel-Anfrage, dass unter Federführung der zuständigen Wirtschaftsverwaltung "bereits seit geraumer Zeit ein Projekt" laufe. Dabei würden "Vorschläge für eine Neuaufstellung der Gewerbeüberwachung erarbeitet und Aufgabenverlagerungen vorgeschlagen".

Die zuständige Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe heißt seit dem 27. April 2023: Frankiska Giffey.

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