
Christoph Heusgen: "Deutschland könnte wegen Genozid in Gaza verurteilt werden"

In einem Interview mit der Berliner Zeitung fordert der ehemalige Berater Merkels und vormalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, von der Bundesregierung, Palästina als Staat anzuerkennen. Angesichts des aggressiven und völkerrechtswidrigen Vorgehens in Gaza sowie der endlosen Kriegsverbrechen Israels, aus denen zudem eine Genozidabsicht herauszulesen ist, habe sich international die Haltung zur Umsetzung der Zweistaatenlösung geändert. Viele Länder erkennen Palästina inzwischen an – auch Verbündete Deutschlands. Heusgen fordert daher von der Bundesregierung ein Umdenken.
"Wenn unser Nachbar Frankreich, mit dem wir außenpolitisch auf einer Linie sein wollen, sowie unser enger Partner Großbritannien und zuletzt Belgien die Absicht bekunden, Palästina anzuerkennen, dann sollte auch Deutschland sich mit dieser Frage befassen. Inzwischen haben mehr als drei Viertel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Palästina anerkannt. Die derzeitige Position Deutschlands ist, dass eine Entscheidung erst am Ende eines Friedensprozesses getroffen werden soll. Meiner Meinung nach sollten wir diese Position überdenken."
Kritisch sieht Heusgen auch die Absage von Bundeskanzler Friedrich Merz gegenüber einer möglichen Festnahme Netanjahus durch deutsche Strafverfolgungsbehörden. Gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu liegt ein Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs vor. Merz hatte sich bereits im Februar dagegen ausgesprochen, Netanjahu festzunehmen, sollte er Deutschland besuchen. Heusgen weist darauf hin, dass der Internationale Strafgerichtshof in der historischen Abfolge der Nürnberger Prozesse steht und Deutschland als Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts sich seiner rechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung des Haftbefehls nicht entziehen kann.

"Der Internationale Strafgerichtshof ist von Deutschland mitinitiiert worden. Seine Vorgeschichte sind die Nürnberger Prozesse. Mit der Unterzeichnung des Römischen Statuts hat sich Deutschland verpflichtet, einen ausgestellten Haftbefehl umzusetzen. Unser Land hat also eine historische und völkerrechtliche Verpflichtung, dies zu tun."
Natürlich habe Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat Israel, bekennt Heusgen. Das drückt sich darin aus, dass bereits die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärte. Allerdings deutet Heusgen angesichts der politischen Entwicklungen in Israel diese Staatsräson anders als die Bundesregierung. Netanjahus aggressive Politik – der Angriff auf Katar beispielsweise – schade der Sicherheit Israels und führe das Land in die Isolation. Es diene der Sicherheit Israels, Netanjahu von diesem Kurs abzubringen.
"Wir haben die Verantwortung, Israel zu sagen, dass es mit seiner aktuellen Politik nicht weiterkommen wird."
Heusgen fordert eindringlich, die Unterstützungspolitik Israels zu überdenken. Deutschland liefert weiterhin Waffen an Israel. Die Lieferung von Waffen, die für Angriffe auf Gaza eingesetzt werden können, müsse gestoppt werden, sagt Heusgen. Der Grund dafür ist nicht nur ethisch, sondern klar juristisch fundiert.
"Der Internationale Gerichtshof hat festgestellt, dass in Gaza die Gefahr eines Genozids besteht. Israel hat die Auflagen des IGH wie zum Beispiel wirksame Maßnahmen zur Lieferung humanitärer Hilfe nicht umgesetzt. Im Gegenteil: Menschen verhungern. Es besteht also die reale Gefahr, dass Deutschland, wenn es Waffen liefert, die in Gaza eingesetzt werden, wegen Beihilfe zum Genozid verurteilt wird. Das wäre verheerend."
Grundsätzlich sieht Heusgen noch keine Anzeichen dafür, dass das deutsche Ansehen in der Welt durch die einseitige Unterstützung Israels Schaden genommen hätte. Allerdings wäre die deutsche Nahost-Politik immer häufiger Anlass für kritische Fragen.
"Wir verfügen über einen sehr guten Ruf, der nicht so schnell ruiniert wird. In New York werden die kritischen Fragen aber immer lauter, was Deutschlands Nahost-Politik betrifft."
Deutschlands ehemalige Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), die in der vergangenen Woche den Posten der Präsidentin der UN-Generalversammlung angetreten hat, entschied sich auf einer Pressekonferenz für einen ganz eigenen Umgang mit diesen kritischen Fragen. Sie leugnete einfach von ihr im Bundestag gemachte Aussagen.
Baerbock hat im Bundestag die Angriffe Israels auf Zivilisten legitimiert und behauptet, zivile Einrichtungen könnten ihren Schutzstatus verlieren, wenn sich dort auch Kämpfer der Hamas aufhalten. Gegenüber einem Journalisten hat Baerbock behauptet, sie habe diese Aussage nie gemacht. Zur Trendumkehr hinsichtlich des Ansehens Deutschlands in der Welt hat Baerbock damit nicht beigetragen.
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