
Ist Kiew bereits im Besitz von Taurus-Raketen? Ein schwaches Dementi aus Berlin

Auf die von der Nachrichtenagentur TASS zitierte "Erklärung" des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR reagiert die Bundesregierung empört, so die Berliner Zeitung. Ein Regierungssprecher soll dazu erklärt haben: "Diese Darstellung ist falsch. Im Übrigen äußert sich die Bundesregierung nicht zu Einzelheiten des Rüstungsexports an die Ukraine."
Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung sind nach wie vor die Taurus-Raketen, insbesondere eine einzelne Passage des SWR:
"Nach seiner Wahl zum Bundeskanzler garantierte Merz Wladimir Selenskij, dass Kiew für Angriffe innerhalb Russlands deutsche Taurus-Marschflugkörper erhalten würde. Der Bundeskanzler ist sich der Risiken einer deutschen Beteiligung an solchen Waffenlieferungen an Kiew bewusst. Fabrikmarkierungen werden von Raketenkomponenten entfernt und bestimmte Teile ersetzt."

Die Rede ist hier also von einer gewissen "Frankensteinisierung" des Taurus, um bezüglich der Herkunft zumindest glaubwürdige Abstreitbarkeit zu schaffen; die Entwicklungshorizonte von neuen Raketen weltweit machen echte Eigenentwicklungen unterhalb eines Zeitraums mehrerer Jahre unwahrscheinlich. Der Zweck dieser Erklärung dürfte gewesen sein, der Bundesregierung zu vermitteln, dass derartige Täuschungsversuche die russische Reaktion auf einen Einsatz nicht beeinflussen würden.
Bereits am 28.05., bei einem Besuch von Wladimir Selenskij in Berlin, hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius, der der alten wie der neuen Bundesregierung angehört, auf der Webseite seines Ministeriums erklären lassen:
"Deutschland wird künftig die Produktion von weitreichenden Waffensystemen in der Ukraine finanzieren […] die Waffensysteme stehen den ukrainischen Streitkräften rasch zur Verfügung – die ersten können bereits in wenigen Wochen zum Einsatz kommen."
Vor Amtsantritt der Regierung Merz waren die Listen der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine allerdings öffentlich; es war nicht nur einsehbar, sondern auch, was im Detail geliefert wurde. Die Beendigung dieser Veröffentlichungen erfolgte zeitgleich mit mehreren öffentlichen Aussagen von Angehörigen der Regierungskoalition, den deutschen Taurus-Marschflugkörper liefern zu wollen.
Die entscheidende Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Taurus stellt, ist, inwieweit er durch Nutzung der Geodaten über Russland, die sich im Besitz der Bundeswehr befinden, unabhängig von US-amerikanischen Satellitendaten und damit auch womöglich ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten eingesetzt werden kann, sofern Deutsche die Programmierung des Marschflugkörpers übernehmen.
Zu der Beendigung der Veröffentlichung, die seit Juni 2022 üblich war, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz im Mai dieses Jahres:
"Unter meiner Führung wird die Debatte um Waffenlieferungen, Kaliber, Waffensysteme und, und, und aus der Öffentlichkeit herausgenommen."
Begründet wurde dieser Schritt mit einer angestrebten "strategischen Ambiguität", um, so damals das ZDF unter Berufung auf Regierungskreise, "dem Gegner das eigene Handeln zu verschleiern". Im Wahlkampf jedoch hatte sich Merz deutlich für eine Lieferung des Taurus ausgesprochen, aber, so wieder das ZDF, "nur in Abstimmung mit den Bündnispartnern, die ähnliche Waffen schon geliefert haben oder darüber verfügen".
Das bedeutet, in Abstimmung mit Frankreich und Großbritannien, nicht jedoch – obwohl sie durch verbaute Technologie über den Einsatz der bisher gelieferten Waffen mitentscheiden können – mit den Vereinigten Staaten.
Eingeführt worden war die Veröffentlichung auf Druck von Abgeordneten und Medien, die genau jene "strategische Ambiguität" als für Deutschland problematisch bewerteten. Die letzte Aktualisierung dieser Liste erfolgte am 6. Mai, dem Tag, an dem die neue Bundesregierung ihr Amt antrat.
"Die Meldung", so schreibt die Berliner Zeitung in Bezug auf die Mitteilung des SWR, "ist delikat, weil sie als Signal Russlands gelesen werden kann, dass ein Angriff von Marschflugkörpern aus der Ukraine Deutschland aus der Sicht Moskaus zur Kriegspartei machen würde (…) der 'Einsatz von Taurus-Raketen' könnte einen russischen 'Vergeltungsschlag' auslösen, bei dem auch Deutschland offenbar ein Ziel sein könnte."
Entsprechend hatte sich Russland bereits geäußert, als im März vergangenen Jahres ein Telefonat mehrerer deutscher Luftwaffengeneräle geleakt wurde, in dem diese über die nötigen Vorbereitungen für einen Angriff auf die Krim-Brücke unter Verwendung des Taurus plauschten. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz hatte daraufhin mehrfach betont, er werde einer Lieferung des Taurus an die Ukraine nicht zustimmen.
Das Dementi der Bundesregierung gegenüber der Berliner Zeitung dürfte jedoch angesichts der früheren Aussagen durch Merz kaum genügen, um die aktuellen russischen Bedenken zu zerstreuen.
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