Deutschland

"Sozialstaat nicht mehr finanzierbar" ‒ Merz will grundlegende Reformen

Den Deutschen steht eine neue Runde "Reformen" bevor, sagte Bundeskanzler Merz auf dem CDU-Landesparteitag in Niedersachsen. Merz will den Sozialstaat schleifen. Am Exportmodell Deutschlands hält er fest, obwohl das zum Handelskrieg führt. Die Inlandsnachfrage will er weiter dämpfen.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat auf dem CDU-Landesparteitag in Niedersachsen seine politischen Vorhaben erläutert. Obwohl klar erkennbar ist, dass die USA hart gegen Handelsungleichgewichte vorgehen werden, beharrt Merz auf einer exportorientierten deutschen Wirtschaftspolitik. Um ihr Handelsdefizit zu bekämpfen, erheben die USA auf Waren aus der EU einen einheitlichen Importzoll von 15 Prozent. Grundsätzlich gelten mittelfristig ausgeglichene Handelsbilanzen als gesund. Das deutsche Exportmodell wird seit Langem als "Beggar-thy-Neighbor-Politik" kritisiert. Deutschland exportiert nicht nur Waren, sondern mit ihnen auch Arbeitslosigkeit. 

Dennoch unterstreicht Merz, Deutschland müsse wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Merz spricht in diesem Zusammenhang von einer strukturellen, seit einer Dekade anhaltenden Krise der deutschen Wirtschaft. Tatsächlich liegt der Produktivitätszuwachs seit langer Zeit unterhalb des internationalen Durchschnitts. Dies hat weitreichende Folgen. Allerdings will Merz nichts für eine steigende Binnennachfrage tun. Im Gegenteil setzt Merz auf eine Kombination aus Lohnsenkungen und Leistungskürzungen. Es soll länger und "flexibler" gearbeitet werden, das Bürgergeld soll zur Generalrevision.

"Der Sozialstaat, den wir heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar", argumentiert Merz. Obwohl Deutschland klar erkennbar ein Nachfrageproblem hat, setzt Merz auf zusätzliche, die Nachfrage dämpfende Maßnahmen. So will er beispielsweise die Bundesbürger von Kindheit an mit der Frühstart-Rente zum Sparen erziehen. Sparen ‒ aus einzelwirtschaftlicher Sicht sinnvoll und verständlich ‒ ist aus volkswirtschaftlicher Sicht problematisch, denn es entzieht dem System Nachfrage. Von der Binnennachfrage gehen seit langer Zeit keine grundsätzlich positiven Impulse aus. In Deutschland wird weder umfassend in Ausrüstung investiert noch konsumiert. 

Aus Gründen der Generationengerechtigkeit fordert Merz eine grundsätzliche Neuausrichtung des Sozialstaats. Wer arbeiten kann, der müsse auch arbeiten, wiederholt Merz ein Credo, zu dem sich alle seine Vorgänger bereits bekannten. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", sagte bereits 2006 der damalige Bundesminister für Arbeit, Franz Müntefering (SPD). Wie der Begriff der Generationengerechtigkeit zu seinen Plänen der massiven Aufrüstung durch Schuldenaufnahme passt, erläutert Merz nicht. 

Merz glaubt, dass der Staat falsche Anreize setzt. Den Minijobbern, die zusätzlich aufstocken, sagt er den Kampf an. 

"Diejenigen, die für 530 Euro im Monat arbeiten, denen muss man doch mal die Frage stellen, warum könnt ihr nicht auch für 2.000 Euro arbeiten?"

Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob Deutschland als Gesellschaft in der Lage ist, umfangreiche Korrekturen durchzuführen. Als Beispiel für Länder im gesellschaftlichen Aufbruch nennt Merz die Länder Asiens. Dort sei man zu Leistung bereit. Merz vergisst dabei zu erwähnen, dass sich in den meisten asiatischen Ländern das Aufstiegsversprechen erfüllt, weil die Löhne angemessen steigen und die Wirtschaft wächst. In Deutschland erfüllt sich das Aufstiegsversprechen seit rund 30 Jahren nicht mehr. Die Lohnzuwächse blieben über lange Perioden unterhalb der Inflationsrate, das heißt, es kam zu Reallohnsenkungen. 

Problematisch sei der niedrige Bildungsstand vieler junger Deutscher. Auf die Frage, wie viele Juden im Nationalsozialismus ermordet wurden, wüssten viele junge Bundesbürger nicht die richtige Antwort. Es gebe einen grundsätzlichen Mangel an Wissen über die eigene Geschichte, sagt Merz.

Das ist allerdings nicht nur unter jungen Menschen der Fall. Mit seinen Aufrüstungsplänen und dem Vorhaben, Deutschland zur größten Militärmacht in Europa zu machen, zeigt Merz, dass er wichtige Lehren aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht gezogen hat.

Deutschlands Ambitionen als Militärmacht gingen zweimal grundlegend schief, was Merz nicht davon abhält, es nun zum dritten Mal zu versuchen. Merz will Deutschland zudem erneut in die militärische Konfrontation mit Russland führen. Ob Merz die Zahl der von der deutschen Wehrmacht getöteten Sowjetbürger präsent hat, enthüllt er im Rahmen seines Redebeitrags nicht. Es waren 27 Millionen.  

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