
Compact-Gerichtsverfahren: Einschätzungen zu einem Prozess über die Pressefreiheit

Von Felicitas Rabe
Am ersten Prozesstag gegen das Compact-Magazin beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – RT DE berichtete – gaben Chefredakteur Jürgen Elsässer und der TV-Chefredakteur Paul Klemm vor laufender Kamera mehrere kurze Interviews.

Kurz vor Prozessbeginn erklärte Elsässer, dass er und sein Team hinsichtlich des Verhandlungsergebnisses optimistisch seien. Der Compact-Herausgeber kommentierte das Verfahren: "In einer Demokratie kann man ein Magazin wie Compact nicht verbieten, denn Compact verteidigt die freiheitlich-demokratische Ordnung gegenüber den autoritären Übergriffigkeiten der Regierung."
Das Magazin sei zudem in den 15 Jahren seines Bestehens bis dato nie wegen irgendwelcher Inhalte angezeigt, geschweige denn verurteilt worden. Juristisch gesehen habe der Verlag eine saubere Weste. Sollten Compact und der ganze Verlag durch die Hintertür mit dem Vereinsrecht verboten werden, wäre das zugleich auch ein schwerer Schlag gegen die demokratisch-freiheitliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Elsässer erläuterte seinen Optimismus hinsichtlich des Prozessausgangs:
"Und wir sind hier optimistisch, dass sich die Richter hier am Bundesverwaltungsgericht, die schon im August beim Eilverfahren den Ernst der Situation erkannt haben und zu unseren Gunsten entschieden haben, dass sie auch jetzt eine objektive Beschlussfassung gewährleisten."
In einer Pause nach einem dreistündigen Auftakt der Verhandlung gab Elsässer sich weiterhin gelassen. Im ersten Teil der Verhandlung sei es um das prinzipielle Problem gegangen, ob man mit den Mitteln des Vereinsrechts ein Presseorgan verbieten könne. Dazu habe es vor Gericht zwei unterschiedliche Positionen gegeben, berichtete der Compact-Chef ausgesprochen sachlich über das Verfahren gegen ihn.
Die Compact-Anwälte seien nach Artikel 5 des Grundgesetzes der Auffassung, dass das darin festgelegte Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit entscheidend sei. Dieses Grundrecht könne nicht mit dem Trick Artikel 9 des Vereinsrechts ausgehebelt werden. Die Anwälte des Innenministeriums hätten die genau gegenteilige Auffassung vertreten.
In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass in den Siebzigerjahren schon einmal versucht worden sei, ein Presseerzeugnis zu verbieten. Damals sei die National-Zeitung nach Artikel 18 angeklagt gewesen, aufgrund ihres Missbrauchs habe das Medium die Pressefreiheit verwirkt. Das Verbot habe damals vor Gericht nicht erstritten werden können. Die Verhandlung verlaufe ruhig und sachlich, kommentierte Elsässer den bisherigen Prozessverlauf. Insgesamt handele es sich um eine interessante Debatte in Bezug auf rechts- und verfassungstheoretische Aspekte des Rechts. Um das Magazin Compact sei es bislang (Stand 15 Uhr) noch gar nicht gegangen.
Im Interview mit dem Deutschland-Kurier wurde auch der TV-Chefredakteur von Compact Klemm nach seinen Eindrücken gefragt. Dabei fand er zuallererst lobende Worte für die Compact-Anwälte Laurens Nothdurft und Ulrich Vosgerau, die vor Gericht einen "klasse Job" machten. In der Verhandlung sei es auch um die Frage gegangen, ob man Compact als normales Presseorgan behandeln könne, obwohl Compact gleichzeitig auch politische Kampagnen organisiere.
Dazu hätten die Compact-Anwälte laut Klemm vorgetragen: "Jürgen Elsässer war immer ein Journalist mit Haltung. Das ist durch das Grundgesetz nicht verboten." Solange man nicht zu Gewalt aufriefe, sei es auch erlaubt, dazu aufzurufen, "autoritäre Maßnahmen des Staates mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen".
Schließlich fragte der Deutschland-Kurier noch, ob man im Falle einer gerichtlichen Niederlage direkt beim Bundesverfassungsgericht in Revision gehen würde. Eine Niederlage würde zunächst einmal das sofortige Verbot des Compact-Magazins und der TV-Abteilung bedeuten, erklärte Klemm. Es sei dann erst mal keine Berichterstattung mehr erlaubt. Und bis es zu einer Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht komme, könne es dauern, so der Compact-TV-Chef.
In den Medien kamen im Laufe des Dienstags unterschiedliche Stimmen zu Wort. Laut der SPD-Parteizeitung Vorwärts hat der Anwalt des Bundesinnenministeriums Wolfgang Roth die Argumente der Compact-Anwälte in Bezug auf ein unzulässiges Heranziehen des Vereinsrechts zurückgewiesen. Der Vorwärts berichtete dazu: "Laut Vereinsgesetz könne ein Verein, der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, auch verboten werden, wenn er keine Straftaten begeht und keine Gewalt ausübt."
Die Rheinische Post fragte den Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke nach seiner Einschätzung des Prozesses. Dabei stellte die Zeitung den von ihr befragen Politikwissenschaftler als Rechtsextremismusexperten vor.
Für Funke ist ein Compact-Verbot legitim, so die Rheinische Post, weil "das Compact-Magazin – von Jürgen Elsässer konzipiert und dominiert – ideologisch und strategisch auf die extreme und aggressive neue Rechte sowie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtet ist". Funke habe betont, dass Elsässer ein rechtsrevolutionäres Konzept vertrete und systematischen Kontakt zur "ideologischen, rechtsextremistischen und rassistischen Gruppierung um Björn Höcke, die den Kern der AfD bildet" suche.
Gleichzeitig zitierte das Blatt aber auch den Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbands Mika Beuster. Dieser habe in Bezug auf den Compact-Prozess die Hoffnung geäußert, dass der Staat nicht willkürlich in die Grundrechte eingreife.
Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Björn Clemens gab im Interview im Bundesverwaltungsgerichtsgebäude ebenfalls seine Bewertung des Prozessauftaktes bekannt. Nach seinem Eindruck handelt es sich um eine sehr sorgfältige Verhandlung auf juristisch hohem Niveau. Der Anwalt stellte diesbezüglich fest: "Auf beiden Seiten der anwaltlichen Vertretung kommen hochqualifizierte Beiträge." Vielfach befinde man sich in Bereichen, in denen nach juristischen Maßstäben beide Auffassungen vertretbar seien.
Im Verfahren geht es laut Aussage des Verwaltungsrechtsexperten im Wesentlichen um die Beantwortung zweier Fragen:
1. Kann man einen presserechtlichen Verlag unter das Vereinsrecht subsumieren? Clemens geht davon aus, dass das Gericht diese Frage bejahen werde, denn das habe es schon im Eilverfahren getan. Das würde aber nicht automatisch zum Verbot von Compact führen. Denn es sei bereits klar geworden, dass vor diesem Gericht das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit eher starke Beachtung finde.
2. Ginge es um die Frage der Wertung von Begrifflichkeiten, also zum Beispiel den "ominösen ethnischen Volksbegriff" und damit verbunden auch um die Frage, ob die Staatsbürgerschaft etwas mit der Menschenwürde zu tun habe. Diese Debatte werde noch sehr interessant werden. Dazu kommentierte der Verwaltungsrechtsexperte: "Was für ein Ergebnis wir dazu bekommen, das wird auch politisch sehr wichtig sein."
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