Deutschland

Einschüchterungen: EU und Bundesregierung testen die Wehrbereitschaft der Bürger

Rechtsanwalt Markus Haintz bezieht Stellung zu den neuen EU-Sanktionen und den sich häufenden Meinungsdelikten. Bei der aktuellen Rechtssprechung gehe es vielfach um eine juristisch nicht haltbare Einschüchterung. EU und Bundesregierung testeten damit die Wehrbereitschaft der Bürger.
Einschüchterungen: EU und Bundesregierung testen die Wehrbereitschaft der Bürger© Felicitas Rabe

Von Felicitas Rabe

Im dritten und letzten Teil der Berichterstattung über die Veranstaltung "Meinung schützt vor Strafe nicht" stellt Felicitas Rabe die rechtliche Stellungnahme des Rechtsanwalts Markus Haintz vor. Auf der Vortragsveranstaltung, die am 22. Mai in Bochum stattfand, gaben die drei Rechtsanwälte Viktoria Dannenmaier, Dirk Sattelmaier und Haintz Einblicke in die deutsche Strafjustiz. Sie berichteten über ihre Erfahrungen als Strafverteidiger an deutschen Amts- und Landgerichten und bewerteten den aktuellen Umgang mit Gesetzen und Rechtsnormen in unserem Land.

Zu Beginn seiner Präsentation bewertete der Strafverteidiger die Rechtmäßigkeit der in der vergangenen Woche ausgesprochenen Sanktionen gegen die beiden deutschen Staatsbürger Alina Lipp und Thomas Röper. Diese wurden im Rahmen des 13. EU-Sanktionspakets gegen Russland auf eine Liste von Personen gesetzt, denen das Recht entzogen wurde, in die EU einzureisen. Außerdem wurde den beiden in Russland lebenden Berichterstattern der Zugriff auf Bankkonten in Deutschland gesperrt.

Rechtswidrigkeit der EU-Sanktionen gegenüber deutschen Staatsbürgern

Nach Haintz' Auffassung sind diese EU-Sanktionen gegen Lipp und Röper insofern schon rechtswidrig, als es ihnen per Gesetz grundsätzlich erlaubt sei, ihre Meinung zu äußern. Aufgrund der gesetzlich gegebenen Meinungsfreiheit spiele es dabei keine Rolle, ob es sich bei ihren Berichten um angebliche russische Propaganda handele oder nicht. Zudem dürfe die EU nach gültiger Gesetzeslage deutschen Staatsbürgern weder die Einreise noch den Zugang zu ihrem Vermögen verwehren. Dies komme einer Enteignung ohne Gerichtsbeschluss gleich. Es seien "durchgeknallte Leute in Brüssel", die das beschlossen haben, kommentierte Haintz den EU-Entscheid über die Sanktionen.

Damit wolle die Politik die Botschaft verbreiten: Ihr könnt euch nicht wehren! Wenn es allerdings tatsächlich so wäre, dass man hierzulande kein rechtliches Gehör mehr bekäme, dann handelte es sich um eine offene Diktatur. Aber aktuell sei dem nicht so. Aktuell wollten bestimmte Politiker mit solchen Beschlüssen die Bürger einschüchtern und testen, wie weit sie gehen könnten.

Was ist eine politisierte Justiz?

Haintz identifizierte mehrere Merkmale einer politisierten Justiz in Deutschland: Grundsätzlich seien Staatsanwälte in Deutschland politisch abhängige Beamte, die dem Justizminister unterstünden. Gleichzeitig seien hierzulande auffällig viele Richter Mitglied in einer politischen Partei, einschließlich des Bundesverfassungsschutzpräsidenten. Die Parteimitgliedschaften führten allerdings auch zu Abhängigkeitsverhältnissen der Richterschaft gegenüber politischen Entscheidungen.

Was aber in der Gerichtsbarkeit eine entscheidende Rolle hinsichtlich des politischen Einflusses auf die Justiz spiele, sei die richterliche Praxis in den Amtsgerichten: Denn insbesondere auf unterster Gerichtsebene, also in den Amtsgerichten, habe die Mehrheit der Richter nicht den Mut, unabhängige Gerichtsentscheide zu treffen. Amtsrichter folgten in ihrem Urteil zumeist den Rechtsauffassungen der Staatsanwälte, die wiederum an die Weisungen des Justizministers gebunden seien.

Dabei spiele auch eine Rolle, dass es sich in den Amtsgerichten zumeist um junge, unerfahrene Richter handele, die sich erst recht nicht trauten, sich dem herrschenden politischen Narrativ zu widersetzen. Haintz brachte seine Eindrücke über die Amtsrichtschaft drastisch auf den Punkt: "Am Amtsgericht haben die Richter keinen Schimmer – da kann man auch an eine Wand reden und würde besser verstanden."

Wobei das natürlich nicht für jeden Amtsrichter gelte. Aber jedenfalls würden viele Bürger bei angeblichen Meinungsdelikten vor dem Amtsgericht von Richtern verurteilt, die, ohne groß nachzudenken, den Staatsanwaltschaften und der Politik folgten. Das sehe auf der nächst höheren Gerichtsebene bei den Landgerichten schon anders aus. Dort treffe man zumeist auf Richter, die Rechtsnormen verständen und anwendeten. Bedauerlicherweise trauten sich zu viele von Amtsgerichten verurteilte Bürger aus Kostengründen nicht, in Revision zu gehen.

Mehr Mut zur Meinung – Bei Gerichten dreht sich der Wind

Haintz konnte aber auch einen positiven Trend ausmachen: Immer mehr Juristen sähen die inflationäre Verfolgung von Meinungsdelikten in diesem Land kritisch. Die Strafverfolgung und die Hausdurchsuchung bei einem Rentner, der ein satirisches Bild mit der Bezeichnung "Schwachkopf Professional" über den ehemaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck im Internet lediglich weitergeleitet habe, habe für viele Juristen das Fass ungerechter Strafverfolgung zum Überlaufen gebracht. 

Sie gingen vielleicht damit nicht so deutlich an die Öffentlichkeit wie Haintz selbst oder andere engagierte Juristen, aber zunehmend würden die öffentlich engagierten Anwälte von schweigenden Kollegen unterstützt. Mittlerweile werde der Widerspruch zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigungsanzeigen auch in Fachzeitschriften kritisch diskutiert.

"Wir haben im Moment zwar keinen funktionierenden Rechtsstaat, aber wir haben auch keine Willkür," bewertete Haintz die aktuelle Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Es sei umso wichtiger, dass man sich als Bürger nicht einschüchtern lasse und weiterhin seine Meinung sage. Das nähme vermehrten Einschüchterungsversuchen den Wind aus den Segeln. Man brauche einen langen Atem. Aber er gehe davon aus, dass man hierzulande nicht wegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Habeck dauerhaft die Rechtssprechung von Jahrzehnten ändere. Damit kämen sie bei den Juristen nicht durch.

Letztens sei ein Bürger wegen einer mutmaßlichen Beleidigung von Luisa Neubauer im Internet in erster Instanz zu 2.000 Euro Strafe verurteilt worden – wegen insgesamt sieben Views (Sichtungen einer Botschaft). Damit sei man in der nächsten Instanz aber nicht durchgekommen. Der Strafverteidiger erklärte: "Diese Rechtssprechung haben wir denen zerschossen." Grundsätzlich sei es viel gefährlicher, den Mund zu halten, als sich öffentlich zu äußern. Sein Fazit:

"Ist es gefährlich, seine Meinung zu sagen? Nein, es ist gefährlicher, seine Meinung nicht zu sagen! Das wollen sie ja erreichen!"

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