Deutschland

Bundeswehr-Influencer und Wehrdienstverweigerer – ein ungleiches Duell

In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" zieht der Antimilitarist Ole Nymoen gegenüber dem smarten Jugendoffizier David Matei zwangsläufig den Kürzeren. Doch verbale Aggressionen gegen ihn zeigen – sein Bekenntnis, nicht in den Krieg ziehen zu wollen, trifft einen wunden Punkt.
Bundeswehr-Influencer und Wehrdienstverweigerer – ein ungleiches Duell© ARD-Screenshot

Von Astrid Sigena

Im Juli vergangenen Jahres sorgte der Journalist und Podcaster auf Zeit online für Furore, als er in einem Essay öffentlich bekannte: "Ich für Deutschland kämpfen? Never!" Sein keckes Bekenntnis sorgte für einen veritablen Shitstorm, gegen den er sich wiederum in Interviews verteidigte. Jetzt hat er mit einer Buchveröffentlichung nachgelegt, um den Vorwurf, er sei ein egoistischer Zyniker, von sich abzuwehren (einige besonders heftige Publikumsreaktionen sind in dem Buch zitiert) und seine Argumente deutlicher auszuführen.

Um es von vornherein klarzumachen: DAS Antikriegsbuch der 2020er Jahre wird "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde. Gegen die Kriegstüchtigkeit" wohl nicht werden. Das liegt an der ideologischen Einseitigkeit des Autors. Einem patriotisch gesinnten jungen Menschen, der aus Idealismus in die Bundeswehr eintreten möchte und um den man bangt, er könnte in einen Krieg mit Russland hineingezogen werden, wird man es nicht in die Hand drücken können. Zu sehr legt der Autor kommunistische Idiosynkrasien an den Tag.

Zwar ist ihm durchaus recht zu geben, dass die Interessen von Zivilbevölkerung und staatlicher Elite auseinandergehen können. Der Untergang des eigenen Staates muss nicht unbedingt eine Katastrophe für den jeweiligen Bürger bedeuten. Zu Recht verweist Nymoen darauf, dass sich in der Ukraine Hunderttausende Männer vor dem Kriegseinsatz in ihren Wohnungen verstecken. Sie halten also die Möglichkeit eines russischen Sieges für weniger gravierend als die Lebensgefahr, die ihnen an der Front droht.

Es wird allerdings sehr deutlich, dass Heimatliebe oder Heldentum für Nymoen Werte sind, mit denen er sichtlich fremdelt. Auf den Seiten seines Buches töten Soldaten nicht, sie "morden". Nymoen zitiert sehr gerne Remarque, Jünger dagegen zieht er ins Lächerliche – obwohl beide Autoren den Ersten Weltkrieg mitgemacht haben und ihre Kriegsromane daher eine gewisse Authentizität für sich in Anspruch nehmen können. Völker und ihr Schicksal sind in Nymoens Weltanschauung nicht relevant, jede Art von Volkscharakter ist konstruiert und bringt die Menschen in einen gefährlichen Gegensatz zueinander. Nymoen träumt von der Weltregierung, die dafür sorgt, dass es keine Kriege mehr gibt (auch wenn er selbst zugibt, dass dies sehr unwahrscheinlich ist). Seine Anprangerung der sozialen Ungerechtigkeit in der BRD ist letztlich kein Argument gegen den Kriegsdienst.

Stattdessen lässt er die Frage, ob Russland uns überhaupt gefährdet, ob es ein gerechter Krieg wäre, gegen Russland ins Feld zu ziehen, ob nicht vielmehr wir im Westen die Aggressoren sind, fast vollkommen außer Acht. Nymoen vermeidet es, Partei zu ergreifen. Diese Frage aber muss gestellt werden. Und nur ihre korrekte Beantwortung kann Millionen deutscher Männer (und womöglich auch Frauen) davon abhalten, sich für einen erneuten "Drang nach Osten" instrumentalisieren zu lassen. Pro Wehrpflicht oder nicht, für Sozialabbau oder nicht, das sind Punkte, die hinter dieser elementaren Frage verblassen müssen.

Und jetzt der Auftritt Nymoens am vergangenen Montag bei "Hart aber fair". Das Thema lautete "Milliarden für die Bundeswehr. Ist Aufrüstung alternativlos?" Hätte man die Niederlage eines egoistischen pazifistischen Trittbrettfahrers gegen einen uneigennützigen Bundeswehroffizier als Schauspiel inszenieren wollen, hätte man es nicht besser machen können. Der zurückhaltend agierende, in seiner jugendlichen Bescheidenheit durchaus sympathisch wirkende Nymoen ist nur eine schwache pazifistische Gegenstimme gegenüber dem rhetorisch geschulten Jugendoffizier Matei. Hinzu kommt, dass Nymoen in die Falle tappte, sich in seinem Buch äußerst negativ über die sozialen Verhältnisse in der BRD zu äußern. Damit liefert er die Steilvorlage für Matei, den Sohn eines rumänischen Flüchtlings, der in einem flammenden Plädoyer für Deutschland als Hort der Freiheit glänzen kann, für den sich der Einsatz lohne: "Deutschland ist es wert!"

Demgemäß feiert die Mainstream-Presse am Tag danach den Auftritt von Hauptmann Matei. Exemplarisch kann dafür die Überschrift "Bundeswehr-Offizier macht Pazifisten zur Schnecke" stehen. Nymoen dagegen bekam sein Fett weg: Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk warf Nymoen auf X sogar "Hedonismus" und "Egoismus" vor. Seine Publikation sei ein "Schandbuch". Kein Wunder, dass Matei höchstes Lob von Bundeswehrkollegen zuteilwurde. Er habe Deutschland und der Bundeswehr einen großen Dienst erwiesen.

Nymoens Bekenntnis, nicht in den Krieg ziehen zu wollen, ist mutig und er hat – wie man an den verbalen Aggressionen gegen ihn erkennen kann – einen wunden Punkt getroffen. Zu Recht verweist er auf eine Umfrage, dass es gut 60 Prozent der Bundesbürger genauso sehen. Sein Auftritt zeigt aber, wie schwach der individualistische Standpunkt ("Am Ende des Tages ist man sich selbst der Nächste"/Bezahlschranke) gegenüber einer großen Koalition von Kriegstreibern wirkt. Ohne eine moralische Bewertung der geopolitischen Standpunkte wird das so bleiben.

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