
Citigroup: Neue Rüstungsverschuldung "ein großer Moment für Europa"

Von Elem Chintsky
Der neueste Expertenbericht der Citigroup, "Auf Wiedersehen, U.S. Exceptionalism", ging vor wenigen Tagen online. Darin wurde die geldpolitische Außenpolitik Trumps mit den Folgen der Bundestagswahlen in Deutschland und der billionenschweren autonomen Neuverschuldung Berlins und Brüssels kontrastiert – Letzteres ist grundsätzlich von der Citigroup positiv konnotiert worden und wird laut ihr der EU mittel- bis langfristig zum Status einer eigenständigen Militärmacht verhelfen können. Die EU wolle sowohl dem US-Präsidenten Trump als auch dem russischen Staatsoberhaupt Putin zeigen, dass sie es mit der Verteidigung ernst meine, so die Autoren des Berichts.

Die US-Großbank kritisiert außerdem in ihrer Publikation gern die Sanktionspolitik (Zollpolitik) des erst drei Monate zuvor vereidigten US-Präsidenten und versucht unterschwellig, das langfristige und systemisch bedingte Schrumpfen des US-Wirtschaftswachstums – was sie an und für sich als Phänomen durchaus anerkennt – allein Trump anzuheften. Dasselbe soll für den schwindenden "US-Exzeptionalismus" gelten, der ebenfalls allein Trump in die Schuhe zu schieben ist. Wobei der Prozess an sich mindestens seit über einer Dekade – also noch unter Präsident Obama – in vollem Gange ist. Mehr noch: Diese Erklärungsweise kommt ohne die Nennung des zuvor (mindestens) 35 Jahre lang verantwortlichen US-Establishments zurecht. Ein Establishment, dem die Citigroup selbst prominent angehört. Das Mandat der Citigroup, "objektive" und "unvoreingenommene" Analysen zu verbreiten, verlor die mächtige Finanzeinrichtung nie, obwohl diese bei der internationalen Finanzkrise 2007 selbst verschuldet an den Rand der Auslöschung geraten ist. Die Probleme von damals sind die gleichen wie heute: nämlich nichts Unanständiges oder Schlimmes an der grenzenlosen Erweiterung der Währungseinheiten zu sehen – neues, durch nichts als öffentliches Vertrauen gedecktes Geld, das über verschiedene institutionelle Methoden in der ganzen Welt langfristig und hochverzinst verteilt und verliehen wird. Dazu gehören sowohl die Quantitative Lockerung als auch das Fraktionale Reserve-System als Ganzes. Das eine erweitert in großen Schüben die Geldbasis, welche die bürokratische Gier der Volksvertreter stimuliert. Das andere stellt sicher, dass immer nur ein Bruchteil (eine "Fraktion" sozusagen) einer behaupteten Geldmenge öffentlich verifizierbar sein muss, wobei die vom Staat gesetzlich gedeckten Privatbanken mit dem großen Rest digital spekulieren können – die Zins- und Zinseszins-Gewinne daraus stimulieren wiederum die Gier der Bankiers. Am anderen Ende dieser kausalen Ellipse schütteln sich beide Personengruppen die Hände – nachdem sie sich auf halbem Weg mit den Rüstungs- und Waffenunternehmen abgeglichen haben.
Jedenfalls wählten die Citigroup-Analysten den Titel so, weil sie in den jetzigen Folgen der jüngsten Bundestagswahl und den horrenden, jegliche "Bremsen" ignorierenden Sonderschulden von Friedrich Merz, seinen willigen Zuarbeitern von der SPD, den Grünen und der Linken sowie in der von Ursula von der Leyen separat geplanten abstrusen, inflationären Brüsseler Geldneuschöpfung (Neuverschuldung) grundsätzlich eine "deutsche Initiative" zur Emanzipierung Europas von den USA erkennen. Sie nennen die geplanten, in ihrem Volumen präzedenzlosen Schulden für ein neues Wettrüsten gegen Russland einen "großen Moment für Europa".
Tatsächlich erkennt die Citigroup hier an, dass "die deutschen Pläne für Infrastrukturausgaben aggressiv sind" und die "deutschen Verteidigungsausgaben aggressiver ansteigen", als sie erwartet hatte. Bei Letzterem wurden die Prognosen um das Fünffache überboten. Grundsätzlich seien diese neuen Sonderschulden als Anreiz übertrieben, da "die Ausgaben wahrscheinlich nur langsam steigen werden". Der nur langsame Anstieg der Ausgaben wird begründet wie folgt:
"Es ist unklar, über wie viele Jahre die vorgeschlagenen Ausgaben verteilt werden sollen. Es scheint unwahrscheinlich, dass sie über mehr als 10 Jahre verteilt werden, was darauf hindeutet, dass die deutschen Ausgaben um zusätzliche 2 % des BIP wachsen könnten. Betrachtet man nur die öffentlichen Investitionen, so betrug der größte Anstieg in Deutschland nach der Wiedervereinigung 1990 etwa 1 % des BIP, wobei der Anstieg der COVID-Ausgaben im Jahr 2020 eher bei 0,5 % liegt. Es ist wahrscheinlich schwierig, die Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben viel schneller zu erhöhen."
Damit ist wohl ferner gemeint, dass selbst wenn der Wille da wäre, das Geld schnellstmöglich und in Rekordtempo auszugeben, man gar nicht all die Kredite mit der Dringlichkeit investieren könne, mit welcher sie beworben wurden – selbst wenn, diplomatisch gesprochen, "historisch signifikante Ereignisse" eintreten sollten. Klartext: ein europäisch-russischer Krieg.
Außerdem wird bestätigt, dass all das neu gedruckte Geld gar nicht im Innern des europäischen Binnenmarktes investiert wird, sondern nach Übersee getragen wird – nämlich in die Vereinigten Staaten von Amerika von Donald J. Trump. So heißt es weiter im Bericht, dass "vor dem Russland-Ukraine-Konflikt etwa 60 % der europäischen Verteidigungsbudgets in die Kassen von US-Unternehmen flossen, ein Prozentsatz, der während des Ukraine-Konflikts auf 80 % anstieg, da die europäischen Unternehmen Schwierigkeiten hatten, ihre Kapazitäten schnell genug zu erweitern". Diese Zahlen werden eindeutig bei der Lösung der Probleme des US-Wirtschaftswachstums unter Trump – um welches die Citigroup so besorgt scheint – behilflich sein. Währenddessen werden von den Eliten in Brüssel und Berlin keine glaubwürdigen Geschäftspläne vorgelegt, wie verhindert werden soll, dass dieser billionenschwere Rüstungs- und Infrastrukturkredit die gesamte sozioökonomische Kohärenz in Europa sprengt. Auf wen und über welchen Mechanismus diese geldpolitische Zusatzbelastung abgewälzt wird, ist bereits allen klar: nämlich auf den braven und langmütigen Steuerzahler, der immer weniger konsumieren wird, da die Kaufkraftentwertung des Euro, das synchron dazu erfolgende Drücken der Löhne, die Schaffung neuer Steuern und die Erhöhung alter Steuern weiter wachsen werden. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass sich unter einem Bundeskanzler Merz auf all das auch noch die illegale und unregulierte Migration nach Deutschland weiter erhöhen wird, was zu einer noch größeren Zahl an Menschen führen wird, die zwar aus dem staatlich kuratierten Sozialsystem Geldmittel beziehen, jedoch nichts in dieses einzahlen.
Im Framing der woken Unterhaltungspublikationen wird für die Headlines oft eine intuitiv eigentlich schwachsinnige These genommen und abgeschlossen mit dem Halbsatz "... that’s a good thing", um einen angeblich komplexen Sachverhalt an den ahnungslosen Leser heranzutragen. Beispiele gibt es zuhauf, auch auf vermeintlich seriöseren Plattformen. Die New York Times titelte letzten Januar "Ja, einige Impfstoffe enthalten Aluminium. Das ist eine gute Sache." Aber auch die viel weniger bekannte Denkfabrik Demos Helsinki schrieb Jahre vor der viralen Popularisierung des Globalisten-Mottos von Klaus Schwab in ihrer Überschrift aus dem Jahr 2015: "Warum Sie bald nichts mehr besitzen werden und warum das eine gute Sache ist".
So hätte auch hier der Titel des Texts der Citigroup genauso gut heißen können: "Warum die EU den ganzen Kontinent und seine Bürger:innen für die nächsten 100 Jahre fiskal versklavt, mit einem Aperitif namens 'Krieg gegen Russland' – und warum das eine gute Sache ist".
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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