Deutsche Denkfabrik will die Ukraine immer noch in der NATO
Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gewissermaßen die Denkfabrik des Bundesnachrichtendienstes, veröffentlichte ein Arbeitspapier "Modelle zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine". Verfasst wurde es unter anderem von der regelmäßig in Talkshows präsenten Claudia Major.
Darin werden verschiedene Modelle durchgespielt, wie mit einem hypothetischen Waffenstillstand in der Ukraine seitens der EU (nicht seitens Deutschlands) umgegangen werden könnte.
Die USA unter Donald Trump hätten bereits deutlich signalisiert, dass eine "Absicherung eines möglichen Waffenstillstands" nicht ihre Aufgabe sei. Dabei ist die Waffenruhe aus Sicht der beiden Autoren nur vorübergehend:
"Denn solange Moskau an seinen Zielen festhält, also eine unabhängige Ukraine ablehnt und die europäische Sicherheitsordnung verändern will (siehe Moskaus Vertragsentwürfe 2021), und solange es die Mittel hat, diese Ziele zu verfolgen, sind die Ukraine und Europa bedroht."
Welchen Grund Russland haben sollte, auf eine Waffenruhe einzugehen, mit der seine eigenen grundlegenden Ziele aufgegeben würden, wird in diesem Text nicht ausgeführt. Die Waffenruhe bedürfe einer massiven Absicherung, für die ausgerechnet Truppen der europäischen NATO-Mitgliedsländer vorgeschlagen werden, die stark genug sein müssten, um abzuschrecken.
Dabei wird explizit ausgeführt, dass schon die Trägerschaft einer derartigen Mission schwer zu finden sei. Ein EU-Einsatz könne etwa an einem Veto "ukrainekritischer Länder" scheitern und wäre ohne US-Truppen kaum glaubwürdig; ein OSZE-Mandat bräuchte die Unterstützung Russlands, ebenso wie ein UN-Mandat. Und:
"Eine Zustimmung Russlands zur Präsenz von NATO-Truppen in der Ukraine ist unwahrscheinlich, wenngleich Moskau aus einer Position der Schwäche Verhandlungen zustimmen würde."
Implizit wird immer noch von einem Regimewechsel in Russland ausgegangen, denn es wird erklärt:
"Dass eine mögliche Stationierung kein kurzer Einsatz wäre, sondern auf jahrzehntelange Präsenz hinauslaufen würde – solange, bis die russischen Intentionen keine Bedrohung mehr für die Souveränität der Ukraine (und Europas Sicherheitsordnung) darstellen."
Dabei kommen die Verfasser auf "eine zusätzlich notwendige westliche ideale Kontingentstärke von etwa 150.000 Soldaten", die sich jedoch, wenn man sie rotieren lassen wolle, aufs Dreifache erhöhen könnte. Zum Vergleich: Die derzeitige Gesamtstärke der Bundeswehr beträgt etwa 180.000 Mann in Uniform.
Vorstellen können sich die SWP-Schreiber nur drei Modelle, die aber letztlich alle, mit unterschiedlichen Verzögerungen, auf das erste hinauslaufen.
Variante eins wäre der NATO-Beitritt der Ukraine, der aber derzeit keine Zustimmung fände. Das schreckt die beiden Autoren jedoch nicht ab, zu erklären:
"Als langfristiges Ziel bleibt der NATO-Beitritt bestehen. Letztlich sind alle Modelle unterhalb dessen schlechtere Lösungen."
Die zweite Variante besteht aus den schon erwähnten mindestens 150.000 Soldaten aus westlichen Staaten, während gleichzeitig die Ukraine erneut aufgerüstet wird. Bestehen bliebe auch die "massive politische und militärische Unterstützung der Ukraine". Zumindest in Bezug auf diese Stationierung zeigen sie dann doch einen gewissen Realismus:
"Ein derartig großes Kontingent ist aktuell allerdings illusorisch […] fast alle europäischen Staaten lehnen einen solchen Einsatz ohne US-Beteiligung als zu risikoreich ab."
Die dritte Variante setzt auf industrielle Verflechtung, die zu weiterer Aufrüstung genutzt werden soll, und – das ist der problematischste Punkt: "Unterstützung in kritischen Fähigkeitsbereichen (bspw. Aufklärung und Deep Strike)", also die Bereitstellung von Waffensystemen, die tief nach Russland hineinreichen, und der entsprechenden Aufklärungsdaten.
Dabei hegen die Verfasser die Sorge, die Abschreckung könne in diesem Modell nicht stark genug sein, und: "Anderseits könnte die Ausstattung und Befähigung der Ukraine zu Deep Strike und Combined Arms einen russischen Angriff nicht abschrecken, sondern (je nach Moskauer Bedrohungswahrnehmung) dessen Wahrscheinlichkeit sogar erhöhen."
Dass es mitnichten um Friedenssicherung geht, verrät folgende Frage:
"Wie entwickeln die Europäer ihre eigene nukleare und konventionelle Abschreckung mit geringeren Beiträgen der USA?"
Dabei wird unter der Überschrift "Elemente für die Absicherung eines Waffenstillstands" sogar der Gedanke von Abrüstungsverhandlungen abgelehnt. Denn für die westlichen Staaten sollen "Beschränkungen für die Weiterentwicklung der NATO nuclear posture nicht verhandelbar" sein, ebenso wenig wie "Beschränkungen für die militärische Unterstützung der Ukraine" oder "Beschränkungen für Deep Strikes".
Ziel des Ganzen bleibt nach wie vor eine Ukraine in der NATO:
"Solange die Position und Rolle der USA unklar bleiben, besteht die reale Gefahr, dass sich die Europäer in einer Situation wiederfinden, in der ihnen nur die Wahl bleibt, die Ukraine aufzugeben oder mit Bordmitteln so viel wie möglich zu erreichen – dabei jedoch bewusst Risiken in Kauf zu nehmen. In diesem Fall bietet Modell 3 (Hilfe zur Selbsthilfe) die Grundlage, um den Weg zu Modell 2 (Stationierung) und schließlich Modell 1 (NATO-Beitritt) zu ebnen."
Nur gut, dass niemand die SWP an Verhandlungen beteiligen wird, sollte es dazu kommen.
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