Webportal leakt rund 1.000-seitiges Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD
Im Februar dieses Jahres erfolgten erste Medienberichte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit Monaten "an einem neuen Gutachten zur Einstufung der AfD" arbeite. Im Februar 2021 hatte die Faeser-Unterbehörde die AfD im vorerst letzten Gutachten zur Partei als "rechtsextremen Verdachtsfall" hochgestuft. Rund zwei Wochen vor dem Neuwahltermin veröffentlicht nun das Portal netzpolitik.org die kompletten Inhalte des alten "Folgegutachtens" mit rund 1.000 Seiten. Bereits im Jahr 2019 erfolgte durch das Portal die Veröffentlichung des 400-seitigen Vorgutachtens.
Das Portal erklärt einleitend, dass der Verfassungsschutz die Partei AfD "bereits seit vier Jahren verdächtigt, rechtsextrem und verfassungsfeindlich zu sein". Das Bundesamt stufe die Partei daher aktuell als "rechtsextremistischen Verdachtsfall" ein. Auschlaggebende Grundlage ist ein 1.000-seitiges Gutachten, das jetzt interessierten Lesern zur Verfügung gestellt wird. Im Anhang des veröffentlichen Dokuments finden sich insgesamt 3.184 aufgeführte Quellen. Die "Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch" vom 22. Februar 2021 trägt den Titel:
"Folgegutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Alternative für Deutschland (AfD)".
Zur Vorgeschichte der BfV-Beobachtung erinnert der Artikel daran, dass zuvor im Januar 2019 der Verfassungsschutz die AfD vorerst als "Prüffall" eingestuft hatte, die sogenannte "erste Stufe der Beobachtung". Das Bundesamt stellte zum damaligen Zeitpunkt "erste tatsächliche Anhaltspunkte fest, die für eine extremistische Bestrebung sprechen". Der Verfassungsschutz erläuterte seine Erkenntnisse in einem ersten, rund 400-seitigen Gutachten, welches ebenfalls durch das Netzpolitik-Portal noch im selben Jahr veröffentlicht wurde.
In dem Fazit des BfV-Papiers heißt es laut den geleakten Unterlagen, dass nach Einschätzung der Behörde "tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die AfD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen [...] verfolgt".
Unter "besonderer Berücksichtigung der Parteienfreiheit" und diesbezüglicher Regelungen im Grundgesetz wurden "Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht und in hinreichender Anzahl festgestellt, die eine Beobachtung erforderlich machen". So heißt es dazu in dem Gutachten:
"Über diesen strukturellen Einfluss des 'Flügel' hinaus wurden in dem Prüfgutachten zahlreiche gewichtige Anhaltspunkte festgestellt, die belegen, dass in der Partei AfD Bestrebungen gegen die Garantie der Menschenwürde und das Demokratieprinzip verfolgt werden. Diese gewichtigen Anhaltspunkte begründen insoweit einen 'Nährboden' für die erwiesen extremistischen Bestrebungen des Personennetzwerks 'Flügel', der es derzeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass es den Kräften des 'Flügel' gelingt, ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen auch in der gesamten Partei durchzusetzen."
Laut Verfassungsschutz herrsche parteiintern eine vorliegende "Inhomogenität", die wiederum einen weiteren Grund für die Beobachtung seitens der Faeser-Behörde rechtfertige. Dazu heißt es:
"Ihre [der Partei] Zerrissenheit, die ausgetragenen Flügelkämpfe und das Bestehen einer einflussreichen – potenziell durchsetzungsfähigen – extremistischen Strömung erfordern insoweit eine Beobachtung der Gesamtpartei, da nur so festzustellen ist, in welche Richtung sich diese letztlich bewegt."
Der Verfassungsschutz belege demnach im Kapitel "Fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen und Positionen" die "verfassungswidrige Fremdenfeindlichkeit" innerhalb der AfD. Auf allen Ebenen der Partei würden dabei laut Auswertungen "Zugewanderte kontinuierlich 'pauschal diffamiert und verächtlich gemacht'". Der Netzpolitik-Artikel fasst zusammen:
"Das zeigt sich 'insbesondere bei rassistisch motivierter Diskriminierung und einer grundsätzlichen Behandlung einzelner Personen und Personengruppen wie Menschen zweiter Klasse'. Dies belegt, 'dass die Achtung der Menschenwürde für bestimmte Minderheiten außer Geltung gesetzt werden soll'."
Ein weiteres Kapitel im Gutachten lautet demnach: "Diffamierung der demokratischen Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland / Revisionismus". Dazu heißt es gemäß dem geleakten Inhalt:
"So spricht etwa der pauschale Vorwurf, die Bundesrepublik sei nie ein souveräner Staat gewesen und sei es auch weiterhin nicht, der Nachkriegsordnung in diffamierender Weise die Volkssouveränität und damit ihren demokratischen Charakter ab [...] Für die Annahme einer Verächtlichmachung spricht auch, wenn in der demokratischen Nachkriegsentwicklung mit entsprechender negativer Konnotation eine 'systematische Umerziehung' erkannt wird. Damit wird ein rechtsextremistisches Motiv bedient, wonach dem deutschen Volk nach 1945 unter einer aufoktroyierten Einhegung des eigenen Selbstbewusstseins ein Schuldkomplex eingeimpft worden sei."
Parlamentarische Entscheidungen würden seitens der Partei durch Mitglieder in Landtag und Bundestag "letztlich als undemokratisch und illegitim verunglimpft".
Sehr häufig finden sich in dem Gutachten die Formulierungen "könnte" und "könnten", bezogen auf rein mutmaßliche Folgewirkungen nach Aussagen oder Aktivitäten seitens der Partei AfD. Beispiele lauten:
- "Entsprechende Verunglimpfungen könnten sich zunächst aus den programmatischen Schriften der Partei ergeben."
- "Gehäufte Beschimpfungen, Verdächtigungen, Verleumdungen und Verunglimpfungen des Staates und seiner Repräsentanten, bei denen es nicht mehr um Kalk und Auseinandersetzung in der Sache geht, könnten sich zudem durch Verlautbarungen von AfD-Funktionären auf Bundesebene ergeben."
- "Weiterhin könnten tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen das Rechtsstaatsprinzip durch eine Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols vorliegen."
Der Verfassungsschutz habe jedoch "auch entlastende Belege wie 'Abgrenzungsbemühungen, Ordnungsmaßnahmen und Distanzierungen gegenüber extremistischen Teilelementen festgestellt', führt der Netzpolitik-Artikel aus. Jedoch würden die entlastenden Belege "das Gesamtergebnis nicht widerlegen". Dazu heißt es zusammenfassend seitens der Redaktion:
"Einerseits sind manche Abgrenzungsmaßnahmen nur 'strategisch-taktischer bzw. formal-rechtlicher Art ohne substantielle Aussagekraft'. Andererseits tritt 'ein gewichtiger Teil' der AfD 'offen extremistisch auf oder ist zumindest an einer strategischen Zusammenarbeit oder Koexistenz mit ebenjenen extremistischen Teilen der Partei interessiert'."
Das Portal erklärt abschließend zu seiner Motivation des Leaks ‒ vor der Dokumentation der 1.000 Seiten: "Also veröffentlichen wir, was öffentlich sein muss." Bereits im Jahr 2019 hieß es in ähnlichem Wortlaut seitens der Redaktion, dass die Verfassungsschutz-Analyse "ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte darstellt". Es gehöre daher "in die Öffentlichkeit und nicht in einen Panzerschrank neben dem Schredder".
Den Antrag auf ein seit Wochen forciertes AfD-Verbotsverfahren haben Ende November 2024 final 113 Abgeordnete des Bundestags aus verschiedenen Parteien unterzeichnet und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas überreicht (RT DE berichtete).
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