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Thüringen: Sondierungen möglicherweise vor dem Aus – Widersprüche im BSW zwischen Erfurt und Berlin?

Aus Thüringen kommen widersprüchliche Nachrichten: Die Versuche, ein Zusammengehen von CDU, SPD und BSW auf den Weg zu bringen, scheinen vor dem Scheitern zu stehen. Die Schwierigkeiten sind offenbar nicht auf Landesebene zu suchen.
Thüringen: Sondierungen möglicherweise vor dem Aus – Widersprüche im BSW zwischen Erfurt und Berlin?Quelle: www.globallookpress.com © Martin Schutt/dpa

Die Gespräche in Thüringen zwischen den drei Parteien über eine Regierungszusammenarbeit befinden sich offenbar in einer Krise. Während von CDU und SPD seit Wochen Kritik an den außen- und sicherheitspolitischen Forderungen des BSW formuliert wird, die nach Ansicht der beiden Parteien nichts mit der Landespolitik zu tun haben, scheint nun innerhalb des BSW Unklarheit zu bestehen, wieweit man auf landespolitischen Feldern den beiden anderen Parteien entgegenkommen will.

Bereits Mitte der vergangenen Woche hatte der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring darüber berichtet, dass die Thüringer BSW-Spitze gemeinsam mit Vertretern von CDU und SPD formuliert hatte, dem BSW ein "Glaubwürdigkeitsproblem" einbrocken dürfte. Das Papier sollte als Grundlage für die eigentlichen Koalitionsverhandlungen dienen. Allerdings, so Häring, falle es "schwer, in dem Papier Positionen zu finden, die nicht ebenso gut von der CDU allein oder von CDU und SPD gemeinsam so formuliert worden sein könnten".

In seiner Analyse des Sondierungspapiers kritisierte Häring schon die Sprache, in der ein möglicher Kompromiss der drei Parteien angegangen wurde. Worauf sich das BSW dabei eingelassen habe, klinge "gar nicht wie das BSW, das man in den Medien und bei Wahlkampfauftritten präsentiert" bekommen habe. Die Anpassung in der Form zeigt ein weitgehendes Entgegenkommen auf inhaltlicher Ebene des BSW an. Von der Bildungspolitik über den Umgang mit der Energiekrise bis hin zum Gesundheitswesen und der früher vom BSW geforderten kritischen Untersuchung der Corona-Politik – auf allen Gebieten habe die Wagenknecht-Partei ihre Positionen aufgegeben. Auch bei der Förderung des ländlichen Raums, der Überprüfung des Verfassungsschutzes und Kernthemen wie dem sozialen Wohnungsbau, um nur einige weitere zu nennen, habe das BSW weitgehend auf eine eigenständige Linie verzichtet. Häring kam daher zu dem Schluss, dass eine mögliche Minderheitsregierung aus CDU, SPD und BSW, die auf die Unterstützung der Linkspartei angewiesen wäre, "ein sehr schwerer Klotz am Bein der Bundestagswahlkämpfer des BSW und eine sehr große Enttäuschung für viele Thüringer" wäre.

Diese erste Analyse Härings scheint nun durch einen Bericht der Berliner Zeitung bestätigt zu werden. Diese hatte am gestrigen Abend gemeldet, dass das BSW in Thüringen alle eigenen Positionen in den Sondierungsgesprächen aufgegeben habe. Auch die Zeitung kommt zu einem ähnlichen Schluss wie Häring:

"Das Papier überrascht: Keine einzige der relevanten Positionen, mit denen die Partei bei so vielen Wählern punkten konnte, findet sich in dem Papier wieder, auf dessen Grundlage nun die Koalitionsverhandlungen beginnen sollen."

Die Auseinandersetzung zwischen den Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht und Friedrich Merz (CDU) um die Haltung zu Russland könnten angesichts des sich andeutenden Einknickens des BSW in Thüringen letztlich als Schaugefecht erweisen. So schreibt die Zeitung, das Friedensthema werde im Sondierungspapier nur "mit einem einzigen allgemeinen und unverbindlichen Satz abgehandelt", der laute: "'Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen.'"

Darüber hinaus bestehe die Parteichefin nicht mehr, wie von ihr bislang in zahlreichen wirtschaftspolitischen Stellungnahmen gefordert, darauf, den Import russischen Erdgases wiederaufzunehmen. Wie bereits erwähnt, sei das BSW in allen zentralen Fragen auf die Linie von CDU und SPD eingeschwenkt, so auch im Bereich der Migrationspolitik, die, wie die Berliner Zeitung feststellt, schließlich "zum Bruch mit der Linkspartei geführt hatten".

Bemerkenswert erscheine die offensichtliche "Einhegung des BSW" im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbildung. Nun habe sich das BSW in dem Papier auch dazu bereit erklärt, eine "Brandmauer" gegen die AfD zu errichten – was im Widerspruch zu den vor der Wahl von Wagenknecht abgelehnten "Ausgrenzungen" stehe. Inzwischen werde auch vom BSW in dem Sondierungspapier jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, abgesehen von rein formalen Absprachen mit der AfD – "aufgrund der Sperrminorität" – notwendig sein könnten.

Hatte sich das BSW auf Landesebene also weitgehend den Forderungen der möglichen Koalitionspartner gebeugt, so könnten nach Berichten des MDR und des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) die Gespräche zwischen den Parteien dennoch vor einem Aus stehen. Als Grund dafür wird genannt, dass Wagenknecht "solche Verhandlungen durch ständige Einmischungen" torpediere. Demnach stehe der im erwähnten Sondierungspapier mühsam und unter Aufgabe aller BSW-Positionen errungene Kompromiss auf der Kippe. Das RND zitiert dazu eine Bemerkung aus den Verhandlungskreisen:

"Offensichtlich ist es Wagenknecht nicht wichtig, dass es zu einer Landesregierung kommt. Ihr geht es nicht um das Land Thüringen, sondern um ihre parteipolitischen Ziele."

Zwar habe man noch Bedenkzeit bis zum kommenden Montag, doch sei mit einem Durchbruch kaum noch zu rechnen. Der SPD-Landesvorsitzende Georg Maier sei zu folgendem Schluss gekommen, so das RND:

"Ich habe den starken Eindruck, dass BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht durch Intervention von außen eine Thüringer Koalition aus CDU, BSW und SPD verhindern möchte."

Dagegen habe sich Katja Wolf, die BSW-Landeschefin von Thüringen, weiterhin optimistisch gezeigt:

"Wir machen bis morgen eine Pause und arbeiten dann lösungsorientiert weiter. Anstehende Kompromisse sind zwar schwer zu finden, aber das BSW ist überzeugt, dass es für Thüringen gelingen sollte."

Allerdings scheinen SPD und CDU nicht mehr so recht an eine Verständigung zu glauben. Aus Kreisen der Verhandler habe es schon das resignierte Fazit gegeben: "Wir müssen jetzt Alternativen zu der angestrebten Koalition in Betracht ziehen. Das ist bedauerlich, denn die Sondierungen waren sehr Erfolg versprechend verlaufen."

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