Ehemalige DDR drängt Scholz zur Aussöhnung mit Moskau
Von Jewgeni Posdnjakow
Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke und Michael Kretschmer, appellieren an Berlin, sich aktiver für eine Lösung des Konflikts in der Ukraine einzusetzen. Das erklärten sie in einem gemeinsamen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Als Mitautor fungierte auch Mario Voigt, Landesvorsitzender der CDU Thüringen. Sie schreiben:
"Wir wollen, dass das menschliche Leid durch diesen verheerenden Krieg ein Ende hat und plädieren für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland unter Beachtung der UN-Charta sowie im Sinne des Budapester Memorandums, um weitere Zerstörung und Blutvergießen zu vermeiden."
Bemerkenswert ist, dass das Thema Ukraine nicht nur in der Außen-, sondern auch in der Innenpolitik der BRD zum wichtigsten Thema wurde. So kritisierten die großen Oppositionsparteien Alternative für Deutschland (AfD) und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Vorfeld der Wahlen in den östlichen Bundesländern intensiv die quasi bedingungslose Unterstützung Kiews durch Berlin.
Diese Taktik trug Früchte: In Thüringen erreichte die AfD mit 32,8 Prozent der Stimmen den ersten Platz. In Sachsen büßte sie ihren Vorsprung nur minimal (mit weniger als zwei Prozent Rückstand) an die CDU ein. Ähnliche Ergebnisse erzielte die "Alternative" in Brandenburg. In diesem Zusammenhang wurde in der Expertengemeinschaft von einer Transformation der deutschen politischen Landschaft "nicht zugunsten von Olaf Scholz" gesprochen.
Dennoch versucht der Bundeskanzler, auf die sich in der Öffentlichkeit entwickelnde Forderung nach Frieden zu reagieren. Nach dem Ende des Wahlkampfs in den östlichen Bundesländern sprach er von der Notwendigkeit einer Konferenz zur Lösung des Konflikts in der Ukraine. Der Regierungschef betonte sogar, wie wichtig die Teilnahme beider Konfliktparteien an dieser Konferenz sei.
Später wurden in deutschen Medien Informationen über die Absicht von Scholz bekannt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem G20-Gipfel zu kontaktieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow teilte jedoch mit, Berlin habe Moskau keine Vorschläge für ein Telefongespräch zwischen den beiden Staatsoberhäuptern gemacht.
Die ostdeutschen Bundesländer, die früher zur DDR gehörten, stehen der Idee einer Zusammenarbeit mit Russland jedoch traditionell aufgeschlossen gegenüber. Einigen Experten zufolge könnte sich der Sieg der Oppositionsparteien auf die Außenpolitik Berlins auswirken. Dennoch ist es eher unwahrscheinlich, dass sich die Situation kurzfristig ändern wird. So meint der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Rahr, dass ein großer Bevölkerungsteil in den östlichen Bundesländern keinen Krieg mit Russland will. Deshalb wurde dort bei den Wahlen auch so aktiv für die AfD und das BSW gestimmt. Mit dem Aufruf zur diplomatischen Lösung der Ukraine-Krise versuchen die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen lediglich, auf die Forderungen der Öffentlichkeit zu reagieren.
Rahr gibt sich skeptisch:
"Der 'politische Wind' in der BRD und in der EU hat sich gedreht, was sogar Bundeskanzler Olaf Scholz selbst zu spüren bekommt. Die deutsche Elite widersetzt sich jedoch weitgehend den pazifistischen Tendenzen. Das Gleiche geschieht in anderen westlichen Ländern. Auch beim nächsten Ramstein-Treffen, das für den 12. Oktober geplant ist, wird alles beim Alten bleiben."
Ihm zufolge werden sich die Staatsoberhäupter "an den Händen fassen" und versprechen, der Ukraine weitere Unterstützung zu gewähren, einschließlich militärischer Hilfe. Auch die Medien in Deutschland seien nicht gewillt, die etablierte Meinung zu ändern. Dennoch müssten sich Medien und Politik mit den Ansichten der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern auseinandersetzen, betont Rahr.
Die Außenpolitik sei tatsächlich zu einem wichtigen Teil der internen Diskussionen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg geworden, bemerkt Iwan Kusmin, Autor des Branchen-Telegram-Kanals "Unser Freund Willi" und Deutschland-Experte. Deshalb hätten sich die meisten Politiker der führenden Parteien auf die eine oder andere Weise über die Lösung der Ukraine-Krise geäußert.
Kusmin weiter:
"Es scheint logisch, dass die bereits geäußerte Rhetorik weitergeführt wird. Die Parteifunktionäre müssen ihre Aussagen konsistent halten. Andernfalls könnte ein abrupter Rhetorikwechsel gegen sie verwendet werden. Dies ist besonders wichtig im Vorfeld der Bildung von Regierungskoalitionen."
In allen genannten Bundesländern habe das BSW Wahlerfolge vorzuweisen, sodass CDU und SPD – die die AfD im Rahmen der 'Brandmauerpolitik' bewusst stigmatisiert haben –, mit ihm kooperieren müssen, meint der Experte. Das heißt, dass die friedensstiftenden Äußerungen der Regierungschefs der östlichen Bundesländer auch als ein Knicks gegenüber dem BSW gewertet werden können, das sich Idee eines konstruktiven Dialogs mit Moskau auf die Fahnen geschrieben hat.
Man sollte jedoch nicht über die bereits bestehende Praxis des Drucks der östlichen Bundesländer auf Berlin sprechen. Die deutschen Bundesländer sind nicht direkt an der Festlegung der staatlichen Außenpolitik beteiligt, erinnert Kusmin. In diesem Bereich haben sie nur eine sehr begrenzte Anzahl von Einflussmöglichkeiten auf das Staatszentrum:
"Ich möchte daran erinnern, dass sich Bayern bis 2022 am aktivsten für die Pflege der Partnerschaftsbeziehungen zu Russland eingesetzt hat. Die Regierungschefs dieses Bundeslandes haben wiederholt den Kreml besucht, sich mit der russischen Führungsspitze getroffen und sogar, wie im Fall von Horst Seehofer, die Aufhebung der Sanktionen gefordert. Allerdings hat dies keinen Einfluss auf die Stimmungslage im Bundeszentrum gehabt."
Dennoch spielt allein die Tatsache, dass es in der Opposition zu Berlin stehende Meinungen gibt, eine große Rolle. Das lenke zumindest mehr Aufmerksamkeit auf die Probleme der BRD-Außenpolitik, hofft Kusmin. Er weist dabei auch auf die jüngsten Proteste in Berlin hin – die Bürger sind unzufrieden mit der Konfliktverzögerung in der Ukraine, den Waffenlieferungen an Israel sowie der Stationierung von US-Raketen in Deutschland, schließt der Experte seine Ausführungen.
Artjom Sokolow, Wissenschaftler am Zentrum für Europäische Studien des Instituts für Internationale Beziehungen des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO), erklärt, in der deutschen Gesellschaft werde seit Langem eine diplomatische Lösung der Widersprüche zwischen der EU und Russland im Kontext der ukrainischen Krise angestrebt. Der entsprechende Aufruf der sächsischen und brandenburgischen Regierungschefs war eine Reaktion auf diese Stimmungen.
Allerdings sei Deutschland aus politischer Sicht ein sehr 'buntes' Land. Es gäbe viele Gruppen, vor allem aus dem Rüstungssektor, die eine Normalisierung der derzeitigen außenpolitischen Lage nicht wollen. Unter deren Vertretern gäbe es nach wie vor einen starken antirussischen Konsens, befürchtet Sokolow und resümiert:
"Die Friedensaufrufe sind vor allem für die östlichen Bundesländer charakteristisch. Diese Regionen hinken aber sowohl wirtschaftlich als auch politisch hinter den westlichen Regionen her. Das kann sich ändern, wenn das Friedensthema auf Bundesebene aufgegriffen wird. Das Verhalten von Scholz deutet auf einige Veränderungen hin, aber bisher ist noch keine ernsthafte Transformation der Berliner Diplomatie zu erwarten."
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 4. Oktober 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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