Eklat im Thüringer Landtag – Ein erhellender Blick von außen
Von Rainer Rupp
Die von Fatina Keilani in der NZZ geäußerte Kritik am "zutiefst undemokratischen Verhalten" der CDU, SPD, Linken und BSW im Thüringer Landtag bei der konstituierenden Sitzung ist ein starkes Plädoyer gegen das politische Vorgehen dieser Parteien. Laut Keilani haben diese Parteien versucht, die AfD in ihren Rechten zu beschneiden, und dabei selbst demokratische Grundsätze untergraben. "Die vier anderen Fraktionen taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter der Demokratie", so Keilani.
Die AfD sei zwar als Siegerin aus der Landtagswahl hervorgegangen und beanspruche eine wichtige Rolle im parlamentarischen Prozess, aber die anderen Parteien hätten wiederholt der AfD rechtmäßig zustehende Positionen blockiert und das Parlament in endlose Unterbrechungen verwickelt. Keilani beschreibt daher die wiederholten Störungen der CDU als Teil eines undemokratischen Manövers: "Der Alterspräsident des neuen Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hatte sich bis dahin streng nach Lehrbuch verhalten, kam allerdings nicht weit. Man erlaubte ihm zwar zunächst eine Rede zu beginnen, die er jedoch aufgrund von Störmanövern der CDU lange nicht beenden konnte", unterstreicht die NZZ-Redakteurin.
Weiter hob sie hervor, dass Treutler als ältester Abgeordneter laut geltenden Regeln kommissarisch als Präsident des neuen Landtags fungiert, bis der neue Präsident gewählt ist. In seiner einführenden Ansprache betonte er, von einer angeblichen Abkehr des Volkes von der Demokratie könne keine Rede sein. Die Wahlbeteiligung in Thüringen sei mit 73,6 Prozent die höchste seit 1994 gewesen. Dem so geäußerten Willen des Volkes gelte es, nun gerecht zu werden.
Allerdings gebe es "in gewissen Teilen der politisch-medialen Elite" jedoch eine "offenkundige Verachtung des Volkes, eine Verachtung des demokratischen Souveräns, die mit der politischen Kultur der freiheitlich-demokratischen Ordnung nicht vereinbar ist", wird Treutler mit Blick auf Zeitungskommentare zitiert, in denen die Thüringer Wähler als demokratiefeindlich beschimpft worden waren, weil sie in großer Zahl AfD gewählt haben. Die Realität drohe hinter solchen Deutungen manchmal zu verschwinden, stellte er fest.
Insgesamt sei, so Keilani, das Schauspiel im Erfurter Landtag unwürdig gewesen, und die begleitende mediale Berichterstattung sei teilweise so intoniert gewesen, als ob es Treutler gewesen sei, der gegen die demokratische Ordnung verstoßen habe, wobei es gerade umgekehrt gewesen sei.
Immer wieder sei es zum Streit über die Rechtsauslegung gekommen. Bei den dadurch verursachten, zahlreichen Unterbrechungen sei auch der Ton des Parlamentsfernsehens abgeschaltet worden. Die stummen Bilder zeigten zweierlei: den CDU-Spitzenmann Mario Voigt "unbeweglich wie Buddha" auf seinem Stuhl direkt gegenüber dem Präsidentenpult ‒ und an diesem die Runde der parlamentarischen Geschäftsführer, gestikulierend.
Weit nach 14 Uhr hatte man den ersten Tagesordnungspunkt "Eröffnung durch den Alterspräsidenten" noch immer nicht beendet. Treutler sei weiterhin daran gehindert worden, seine Eröffnungsrede zu beenden, insbesondere durch ständige Zwischenrufe und Respektlosigkeiten vonseiten der CDU. Die Fraktion, die sich als besonders demokratisch feiert, habe keine demokratischen Gepflogenheiten beachtet.
Zudem habe die CDU verlangt, dass die Beschlussfähigkeit des Landtags sofort festgestellt werde, und angekündigt, dies zu erzwingen. Das aber sei ohnehin als Punkt drei der Tagesordnung vorgesehen gewesen. "Als Alterspräsident bin ich verpflichtet, die geltenden Rechtsnormen strikt zu achten", habe Treutler gesagt und deshalb müssten zuerst Schriftführer benannt werden. Von der Reihenfolge könne nicht abgewichen werden. Noch sei man bei Tagesordnungspunkt eins, und er wolle seine Rede zu Ende bringen. Dafür habe er laut NZZ-Redakteurin aus der CDU den Zwischenruf geerntet: "Was Sie hier tun, ist Machtergreifung!"
Das Fazit der Autorin Keilani war, die Ironie hervorzuheben, dass die AfD, obwohl sie vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, am Tag der Sitzung als die Partei aufgetreten sei, die die demokratischen Prinzipien verteidigte. Im Gegensatz dazu hätten die anderen Parteien versucht, durch rechtliche Tricksereien, wie die Änderung der Geschäftsordnung, der AfD ihre rechtmäßigen Ansprüche zu verweigern. "Die Geschäftsordnung könne aber von einem noch nicht beschlussfähigen Parlament nicht geändert werden. Der Versuch, die Regeln zu frisieren, zeige vor allem, dass jene, die sich für besonders demokratisch halten, es, wenn es darauf ankommt, mitunter nicht sind", so Keilani. Der Donnerstag in Thüringen sei "kein guter Tag für die Demokratie" gewesen.
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