Zensurdebatte: "Wollen wir, dass eine Behörde journalistische Vorgaben macht?"
Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen geht gegen das Online-Magazin Multipolar vor. Grund ist die Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht. So hätten beispielsweise in einem Interview gemachte Aussagen zu Corona von Multipolar eingeordnet werden müssen, meint die Aufsichtsbehörde. Multipolar hat sich vor allem durch seine Bemühungen um die Aufarbeitung der Corona-Pandemie einen Namen gemacht.
In einem Interview mit dem Radio-Sender Kontrafunk nimmt Multipolar-Herausgeber Paul Schreyer zu den Vorwürfen Stellung. Einordnung von Aussagen versteht Schreyer nicht als journalistische Aufgabe. Er vertraue auf die Kompetenz der Mediennutzer.
Es gebe jedoch ein grundsätzliches Problem, fährt Schreyer fort. Seit der Änderung des Medienstaatsvertrags Ende 2020 könnten die Landesmedienanstalten den von ihnen beaufsichtigten Medien Vorgaben machen. Als Begründung wird der Kampf gegen Desinformation angeführt. Ob dies allerdings verfassungskonform sei, wurde bisher nicht überprüft, führt Schreyer an. Überprüfen ließe sich das durch einen Gang durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht.
Grundsätzlich ist Pressefreiheit zunächst ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Mit der Änderung des Medienstaatsvertrags wird dieses Abwehrrecht zumindest aufgeweicht. Es wird mit der Begründung, vor Desinformation schützen zu wollen, ein Einflussrecht des Staates geschaffen. Paul Schreyer weist zurecht darauf hin, dass staatliche Kontrolle der Berichterstattung und des Journalismus Kennzeichen autoritärer Staaten sind.
"Wollen wir, dass es eine Behörde gibt, die Journalisten inhaltliche Vorgaben macht?", fragt Schreyer. Über diese Frage müsste es eine breite gesellschaftliche Debatte geben.
Presse- und Meinungsfreiheit geraten in der Deutschland und der EU zunehmend unter Druck. Ein System aus Zensur und der Zwang zur Einordnung schränken die Meinungs- und Pressefreiheit immer weiter ein. Gleichzeitig wird vorgetäuscht, es würde abschließende Wahrheiten geben. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn Entwicklungen nicht abgeschlossen sind.
Die Vorgabe von vermeintlich fundierten Wahrheiten führt zudem nicht zu weniger, sondern zu mehr Desinformation, machten unter anderem die Nachrichten zu Corona deutlich. Faktenchecker behaupteten, dass es wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse gab, was sich im Nachhinein als nicht haltbar erwies. Auf der Grundlage dieser Desinformation wurden Maßnahmenkritiker verunglimpft und öffentlich als Volksschädlinge angeprangert.
Gleiches gilt auch für die Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt. Die in Deutschland verbreiteten Narrative zum Ukraine-Konflikt sind ahistorisch, verweigern den Blick darauf, wie Deutschland und der Westen zur Eskalation beigetragen haben und desinformieren zudem über die Positionen und Gesprächsangebote Russlands. Sie sind im Kern ebenfalls unaufgeklärt. Der Zweck eines breiten Diskurses ist es, genau diese Fehlentwicklungen zu korrigieren. Falschinformationen werden in laufenden, offen geführten Diskussion von selbst revidiert, ein staatlicher Eingriff ist nicht notwendig.
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