Deutschland

Bringt die nächste Bundestagswahl ein Ende der Unterstützung für Kiew?

Nächstes Jahr finden die Bundestagswahlen in Deutschland statt. Dieses Jahr haben zwei Nicht-Systemparteien die Chance, deutliche Erfolge zu erzielen. Was, wenn sie zusammen eine Mehrheit einfahren und eine Koalition bilden würden, um die Ukraine-Unterstützung zu stoppen?
Bringt die nächste Bundestagswahl ein Ende der Unterstützung für Kiew?Quelle: www.globallookpress.com © Florian Gaertner/Photothek Media Lab

Von Pjotr Akopow

Deutschland hat den Termin für die Bundestagswahl festgelegt – den 28. September 2025. Aber das ist noch lange hin, nämlich ganze 13 Monate. Nein, nicht ganze, sondern NUR 13 Monate, denn der Wahlkampf ist bereits im Gange. Außerdem wünscht sich die Mehrheit der Wähler im wirtschaftlich stärksten Land Europas vorgezogene Wahlen: Jüngste Umfragen zeigen, dass 53 Prozent der Wähler dafür sind (und nur ein Drittel dagegen).

Allerdings wird es keine vorgezogenen Neuwahlen für den Bundestag geben. Weder die regierende Drei-Parteien-Koalition noch die wichtigste Oppositionspartei, die Christdemokraten, brauchen sie. Beide Seiten gehen davon aus, dass sie ihre Positionen im weiteren Verlauf des Jahres festigen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Verbündeten hoffen auf das Wunder, dass der Rückgang ihrer Beliebtheit gestoppt wird und die Umfragewerte steigen (alle drei Parteien zusammen liegen derzeit bei rund 30 Prozent). Und die Partei von Friedrich Merz hofft auf eine weitere Stärkung ihrer Position (von derzeit 30 bis 33 Prozent).

Formal ist also der Wechsel von Scholz zu Merz (der allerdings noch nicht als Kanzlerkandidat nominiert ist) vorbestimmt – und es geht nur noch um Nuancen, das heißt um die Zusammensetzung der künftigen Koalition. Doch zugleich treibt das politische System in Deutschland immer tiefer in eine Sackgasse. Grund dafür ist der Versuch, den wachsenden Trend zur Wahl systemfremder Parteien zu ignorieren – oder, um es einfach auszudrücken, ihnen den Weg zur Macht zu versperren. Doch während es bisher, nämlich in den vergangenen zehn Jahren, nur eine systemfremde Partei gab – die Alternative für Deutschland (AfD) –, sind es in diesem Jahr schon zwei: Das linke Bündnis Sahra Wagenknecht ist hinzugekommen. Beide Parteien erreichten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Anfang Juni etwas mehr als 21 Prozent, ihre tatsächliche Popularität in Deutschland ist jedoch viel höher.

Und auch im Osten des Landes zeichnet sich eine einzigartige Situation ab.

In einer Woche wird in Sachsen und Thüringen gewählt, am 22. September auch in Brandenburg – in diesen drei ostdeutschen Bundesländern lebt ein Zehntel der Bevölkerung des Landes. Die Prognosen für den Wahlausgang sind in etwa gleich – in allen drei Bundesländern wird vermutlich die Alternative für Deutschland mit einem Ergebnis von deutlich über 30 Prozent den ersten Platz belegen. An dritter Stelle wird das Bündnis Sahra Wagenknecht stehen, das 15 bis 17 Prozent der Stimmen erhalten könnte. Mit anderen Worten: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die beiden Nicht-Systemparteien zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten werden, was ein eklatantes Misstrauensvotum gegen das gesamte Parteiensystem in Deutschland wäre. Radikale, einwanderungsfeindliche, antiatlantische, prorussische Kräfte – so werden sowohl die AfD als auch die Wagenknecht-Partei beschimpft (die Leute von der AfD werden auch als Extremisten und sogar Faschisten bezeichnet).

Alle Systemparteien verbieten sich selbst, in irgendeiner Form mit der AfD zu kooperieren, allerdings gibt es noch keinen so harten Boykott gegen die Wagenknecht-Partei.

All diese Spielchen sind jedoch nur so lange möglich, bis beide Parteien zusammen eine Mehrheit haben – wenn auch zunächst nur auf Länderebene. Und was passiert, wenn sie beschließen, eine Koalition zu bilden? Dann könnten sie in diesen Bundesländern an die Macht kommen. Obwohl Wagenknecht früher behauptet hatte, dass es keine Koalitionen mit der AfD geben werde, erklärte sie vor einem Monat, dass ihre Partei nur mit denjenigen eine Koalition auf Landesebene bilden würde, die "eine politische Haltung zugunsten der Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitungen" einnehmen. Dies ist jedoch eine direkte Anspielung auf die AfD – nur diese Partei stimmt mit Wagenknechts Forderungen darin überein, dass die Regierung Scholz Deutschland zu einem Land im Krieg gemacht hat. Ist also eine Koalition zwischen den beiden Nicht-Systemparteien – trotz ihrer Differenzen in sozioökonomischen Fragen – möglich?

Ja, das ist möglich, aber es ist unwahrscheinlich, dass es schon im nächsten Monat klappt. Der Widerstand dagegen wird zu groß sein. Die CDU, die in Thüringen und Sachsen wahrscheinlich den zweiten Platz belegen wird, wird versuchen, mit allen außer der AfD zu koalieren und beginnt, mit der Wagenknecht-Partei zu liebäugeln. Wird es der jungen Partei gelingen, der Versuchung eines "Machttrips" zu entgehen? Und selbst wenn es ihr gelingt, wird sie den zweiten Schritt wagen und mit den "Extremisten" koalieren? Dies alles wird zur Stunde der Wahrheit für die Wagenknecht-Partei und zu einem Prüfstein für das gesamte deutsche politische System.

Denn sobald die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht beginnen, ihre Aktionen zu koordinieren, als Block zu agieren oder sogar Koalitionen einzugehen, beginnt der Countdown für jene deutschen Parteien, die bisher in den Parlamenten die Mehrheiten gebildet haben. Die älteste Partei im Land, die heute regierende SPD, sowie die aus ihr hervorgegangenen Grünen werden fallen und Wählerstimmen an Sahra Wagenknecht abtreten. Die Union wird sich wiederum in einen fairen Wettbewerb mit der AfD begeben müssen, die ihr auf die Zehen tritt und sie bald überholen wird. Nur die Liberalen der FDP werden in ihrer Nische bleiben, darin aber nichts mehr bewirken können.

Es ist klar, dass eine solche Umverteilung dem größten Teil des deutschen Establishments nicht passt, und noch weniger den angelsächsischen großen Brüdern. Aber sie sind es, die alles dafür tun, dass die Beliebtheit der systemfeindlichen Kräfte wächst, und sie sind es auch, die ihnen faktisch den Weg an die Macht ebnen. Je mehr Wladimir Selenskij unterstützt wird, je russenfeindlicher die Politik Berlins wird, desto schneller wird das deutsche Parteiensystem zusammenbrechen. Manchmal hat die Ukraine wirklich die Kraft, etwas oder jemanden zu vereinen – wie im Falle der Alternative für Deutschland und des Bündnisses Sahra Wagenknecht.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 24. August 2024 zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.

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