Deutschland

Angebrannte Wasserkessel, Anscheinsbeweise und gesunder Menschenverstand: Der Balkonist rätselt

"Guten Morgen, liebe Sorgen" lautet ein Schunkelhit aus friedvolleren Tagen. Zeiten mit noch klassischen politischen Zuordnungen im sogenannten "Kalten Krieg". Der Balkonist stellt seinem Umfeld und potenziellen Lesern erhellende Fragen "unter dem Licht des freien Menschenverstandes".
Angebrannte Wasserkessel, Anscheinsbeweise und gesunder Menschenverstand: Der Balkonist rätseltQuelle: Legion-media.ru © Zoonar GmbH

Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer

Wie beginnt ein guter Morgen? Dies scheint eine fast schon philosophische Frage zu sein. Für unseren Balkonisten steht zumindest fest, dass er für einen guten Start in den Tag lediglich einen frisch duftenden Milchkaffee und Zeit zum Lesen der Tageszeitung braucht. Gesellen sich dann noch seine Ehefrau und Kater Murr III an den Esstisch, möchte er den Tagesbeginn als perfekt bezeichnen.

Heute vermerkte er jedoch einen unangenehmen Geruch aus der Küche nach verbranntem Plastik. Doch noch bevor er weiterdenken konnte, vernahm er den erschrockenen Ausruf seiner Ehefrau. Offenbar war nämlich der völlig leere Wasserkessel auf der Herdplatte versehentlich stark erhitzt worden, was den unangenehmen Geruch zunächst einmal erklärte.

Die "Schuldfrage" allerdings, wer von den dreien im Haushalt besagte Herdplatte mit dem Kessel darauf eingeschaltet hatte, verblieb zunächst unklärbar – Gertrude verdächtigte gar den sich schlafend gebenden Kater, am Herd manipuliert zu haben. Man musste nun zugeben, dass dies durchaus denkbar war, da es sich um solch einen hypermodernen Herd mit Berührungsschaltern auf dem Ceranfeld handelte und der Kater schon öfter bei vermeintlich unbeobachteten "Spaziergängen" über die Küchenmöbel ertappt worden war!

Natürlich wiesen Gertrude und Michael sofort unisono jegliche eigene Verantwortung am Geschehen zurück, sodass nur der aus Protest jetzt laut miauende Kater übrig blieb – aber in der menschlichen Sprache konnte er sich leider nicht verteidigen.

Eine Vorverurteilung (so, wie wir sie in anderem Kontext aus ebenso unisono Verlautbarungen einiger Medien auch kennen) war nun bereits erfolgt, die Verhandlung mit drohenden Konsequenzen schon einberufen. Doch wäre nicht zuvor der genaue Ablauf zu recherchieren, statt sich mit einigen wenigen "Anscheinsbeweisen" zu begnügen? Und denkt man ganz einfach und unbeeinflusst, also unter Verwendung des "gesunden Menschenverstandes", so verbleibt eigentlich die Hauptfrage, wer denn zuvor den Herd überhaupt eingeschaltet hatte – denn hierzu muss noch ein Drehschalter am Frontpanel betätigt werden. Und hier setzte offenbar auch die Kritik des weiterhin laut murrenden Katers an, der sich jetzt am Herd hochstellte, um mit der Pfote interessanterweise auf das Frontpanel zu weisen! "Dein Kater wird mir immer unheimlicher!", war der verblüffte Ausruf Gertrudes – womit sich wieder Michaels heimliche Vermutung bestätigte, dass es sich bei diesem Murr III um einen ungewöhnlich intelligenten Zeitgenossen, getarnt mit Fell und Krallen handeln musste.

Schlussendlich war dann durch Anwendung des "gesunden Menschenverstandes" und entgegen voreiliger Schlussfolgerungen aus ideologisch gefärbten "Anscheinsbeweisen" und Indizien zu folgern, dass der Kater den Herd keinesfalls ohne Unterstützung einschalten konnte.

Endlich zurück zur Tageszeitung, und hier kam die nächste Überraschung für unseren Balkonisten, hatte er doch vor dem ominösen Ereignis begonnen, einen längeren Artikel über den Ukrainekrieg zu lesen. Da war in begeistertem Tonfall über den ukrainischen "Alleingang" mit jenem Angriff auf die Region Kursk zu lesen; wie effektiv die westlichen Wunderwaffen dort eingesetzt würden, um zugleich aber zu betonen, dass dieser Vorstoß in russische Gebiete nicht vorab mit anderen unterstützenden Kräften NATO, den US-Amerikanern oder anderen "westlichen Partnern" erörtert worden sei.

Verwiesen wird auf die vielfältigen Dementi aus den Reihen der Unterstützer. Betont wird im Grundton einfältiger Kriegsbegeisterung, dass "gerade jetzt" Deutschland seine Milliardenzahlungen an Kiew nicht reduzieren dürfe. Zitiert wurde auch ein bekanntermaßen kriegsbeflissener Vertreter der derzeit stärksten Oppositionspartei im Berliner Reichstag, der betonte: "Das ist keine Eskalation" und "Die Waffen sind ukrainische Waffen, wenn sie in ukrainische Hände übergeben werden" – interessanterweise wird dies derart explizit erst im Nachgang zu jenem Eindringen in die Region Kursk kolportiert.

Und nach obiger Lehre, dass Zusammenhänge meistens nicht so eindeutig sind, wie sie sich vordergründig darstellen, stellte sich der Balkonist folgende Fragen an den gesunden Menschenverstand. Fragen, die womöglich ebenso den geneigten Leser (und sogar Kater Murr III) bereits beschlichen haben könnten:

Nachdem bislang noch eine ausgesprochen ambivalente Haltung des Werte*Western zum Einsatz der gelieferten Waffen in autochthon russischem Territorium herrschte, scheinen nun plötzlich dieselben Vertreter über den Vormarsch und das verwendete Kriegsgerät zu jubeln. Wäre eine solche "Umdeutung des Verwendungszweckes" nicht seitens der Ukraine vorher offiziell abzusprechen gewesen?

Oder aber, wenn tatsächlich ein zuvor nicht genehmigter Einsatz der gelieferten Waffensysteme außerhalb der ukrainischen Grenzen erfolgt war: Was würde dies über die Unterstützer aussagen, wenn von dort noch nicht einmal ein "Sterbenswörtchen" der Kritik käme und man vielmehr stattdessen betonte, weitere militärische Hilfen für die Ukraine genehmigen zu müssen? In welchem Licht der doppelseitigen Medaille ist ferner die obige Aussage "Das ist keine Eskalation" nun zu sehen?

Durch welche (Satelliten-)Aufklärung konnten die ukrainischen Streitkräfte Hinweise erhalten, dass in genannter Grenzregion eine Schwachstelle der russischen Grenzverteidigung besteht? Wie wahrscheinlich ist es, dass dies ausschließlich in "Öffentlich-private Partnerschaft (Public–private partnership)" zum Beispiel mit einer für andere Zwecke optimierten Satellitenkette geschehen ist?

Gerade jetzt, eben nach dem Vordringen in die Region Kursk, genehmigen die "Staaten" weitere Militärhilfen "vor dem Hintergrund eines überraschenden Vorstoßes ukrainischer Truppen in der westrussischen Region Kursk sowie in anderen Regionen Russlands". Einen schelmenhaften Eulenspiegel könnte hier ein wenig das Gefühl beschleichen, dies könne womöglich auch eine "Reaktion nach vereinbarter Zielerreichung" sein. Ein militärischer Vorstoß wird schließlich nicht "aus heiterem Himmel" durchgeführt, sondern akribisch vorgeplant und benötigt nachfolgend gesicherte Nachschubwege mit jeweils benötigtem Kriegsgerät.

Im Lichte des freien Menschenverstandes beleuchtet, ergibt sich wieder einmal die Binsenweisheit: Der Fachmann staunt, und der Laie wundert sich. Und welche Zufälle hier doch immer wieder geschehen!

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