Friedensaktivist Heinrich Bücker über seinen Strafprozess und Anfeindungen aus linken Kreisen
Von Felicitas Rabe
Vor zwei Jahren, am 22. Juni 2022, hielt der Berliner Friedensaktivist Heinrich Bücker am 81. Jahrestags des deutschen Einmarsches nach Russland eine Rede vor dem sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin. Die Berliner Friedenskoordination hatte die Gedenkveranstaltung organisiert, um an die Opfer des Unternehmens Barbarossa zu erinnern. Infolge seiner Rede wurde der Friedensaktivist von einem Rechtsanwalt bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Unterstützung von "Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine" angezeigt.
Im April 2023 endete die erste Hauptverhandlung beim Amtsgericht Tiergarten mit einem Freispruch für Bücker. Auch bei der von der Staatsanwaltschaft beantragten Revisionsverhandlung, die am 26. Februar am Landgericht Berlin stattfand, wurde er freigesprochen. Bückers Rede sei vollumfänglich vom Recht auf Redefreiheit gedeckt, urteilte das Gericht. Die Staatsanwaltschaft war aber weiterhin der Überzeugung, der Betreiber des Berliner Friedenscafés habe einen "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" unterstützt. Insofern legte sie nach dem erneuten Freispruch in der 2. Hauptverhandlung nochmals Einspruch ein und beantragte eine weitere Berufungsverhandlung.
Freispruch für Heiner Bücker – Staatsanwaltschaft Berlin zieht Revisionsantrag zurück
Im Coop Anti-War Café in Berlin sprach RT am Donnerstag mit Heinrich Bücker über den überraschenden Ausgang des Gerichtsverfahrens und über die Situation der Friedensbewegung in Deutschland. Wie es denn nach dem erneuten Einspruch der Staatsanwaltschaft mit dem Verfahren weitergegangen sei, will die Autorin zunächst wissen. Nach der Revisionsverhandlung vor dem Berliner Landgericht sei ihm zunächst vom Gericht mitgeteilt worden, dass die Staatsanwaltschaft nochmals Widerspruch gegen den Freispruch erhoben habe. Anschließend habe er wochenlang weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Gericht etwas gehört, erklärt der Friedensaktivist. Erst drei Monate später, im Juli, sei er vom Gericht benachrichtigt worden, dass die Staatsanwaltschaft ihren Revisionsantrag zurückgezogen habe. Eine offizielle Begründung für den Sinneswandel bei der Justiz habe er nicht erhalten.
Im Ergebnis würde somit das Urteil des Amtsgerichts Tiergartens rechtskräftig: Das Amtsgericht hatte ihn bereits im April 2023 vom Vorwurf der Unterstützung eines russischen Angriffskriegs freigesprochen. Das nunmehr rechtskräftige Urteil bedeute auch, dass er bezüglich seiner Rede bei der Gedenkveranstaltung im Treptower Park nicht mehr weiter angeklagt werden könne. Ob Bücker Vermutungen habe, was die Staatsanwaltschaft zur Rücknahme ihres Revisionsvorhabens gebracht haben könnte, fragt die Autorin. Da könne er nur nach Bauchgefühl spekulieren, so Bücker. Als ein möglicher Grund für den Sinneswandel der Staatsanwaltschaft käme für ihn unter anderem ein Wechsel des Narratives beim Ukrainekrieg infrage:
"Die Stimmung schlägt gerade um, was den Ukrainekrieg betrifft. Selenskij will jetzt eine weitere Friedenskonferenz einberufen, zu der nach seiner Aussage auch Putin einberufen werden soll."
Inzwischen gäbe es immer wieder Berichte in zahlreichen Presseorganen, die eigentlich gegen Russland eingestellt seien, wonach die ukrainische Militärkampagne gegen Russland nicht so erfolgreich sei wie anfangs erwartet. Zudem könnte bei seinem Freispruch auch eine gewisse Prominenz eine Rolle gespielt haben, die er als Betreiber des Coop Anti-War Cafés habe. Durch zahlreiche Interviews zu seinem Strafverfahren sei sein Bekanntheitsgrad noch verstärkt worden. Schließlich habe der ehemalige US-amerikanische CIA-Analyst Ray McGovern seinen Fall im Jahr 2023 auf Initiative von Russland sogar in einer Rede vor dem UNO-Sicherheitsrat erwähnt.
Bückers Kommentar zu weiteren US-Raketenstationierungen in Deutschland
Deutschland sei maßgeblich an den geplanten US-Raketenstationierungen beteiligt, weil deutsche Politiker dies zuließen, so Bücker. Sollten die neuen US-Raketen und Marschflugkörper tatsächlich bis 2026 in Deutschland stationiert werden, dann verkürze sich die Vorwarnzeit für die russische Raketenabwehr auf nur wenige Minuten. Bücker erläutert die deutsche Beteiligung:
"Und damit beteiligt sich auch Deutschland skandalöserweise nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg an einer solchen Provokation."
Die Kriegsgefahr wachse durch die neuen US-Raketenstationierungen ins Unermessliche. In der Konsequenz werde es auch dazu führen, dass Russland wahrscheinlich keinerlei Beziehungen mehr mit Deutschland aufbaue. Dazu käme noch die eskalierende Kriegsgefahr aufgrund der geopolitischen Lage im Mittleren Osten, wo die Bundesregierung auch noch den Genozid der zionistischen Israelis an den Palästinensern unterstützen.
Wie bewertet der Berliner Friedensaktivist aktuell die deutsche Friedensbewegung?
Die Friedensbewegung sei zum einen sehr geschwächt und zum anderen sehr gespalten. Obwohl er sich als linker Aktivist verstehe, habe er mittlerweile sehr viel Ärger aus seinem politischen Umfeld. Von großen Teilen der Linken werde ihm vorgeworfen, einen "russischen Angriffskrieg in der Ukraine" zu unterstützen. Insbesondere käme der Vorwurf auch von den Teilen der Linkspartei, die Russland als Feind betrachteten. Der Konflikt ginge mittlerweile so weit, dass ihm auch schon die Glasscheibe der Cafétüre zerstört und sein Lokal von außen mit Schmierereien verunstaltet worden sei.
Warum teilt Heiner Bücker das Narrativ "eines russischen Angriffskriegs" nicht?
Als Betreiber des Coop Anti-War Cafés vermittle er all seinen Gästen, dass er weder gegen Russland noch gegen China eingestellt sei. Von Anfang an mache er jedem Café-Besucher zudem deutlich, dass er für die Unterstützung des Globalen Südens und für die Unterstützung Palästinas sei. Und er halte nicht mit seiner Meinung hinterm Berg, wonach in der Ukraine große Teile des Machtapparats beim Militär, bei der Polizei, sowie in Politik und Verwaltung Neonazis seien. Als Beispiel führt Bücker an:
"Ukrainische Neonazis sind dafür verantwortlich, dass mindestens seit 2014 in der Ukraine Hunderte von Denkmälern für Bandera und andere faschistoide Persönlichkeiten errichtet wurden. Das habe ich in meiner Rede am 22. Juni 2022 ausführlich erläutert."
Seiner Meinung nach entspräche diese Nazi-Verehrung aber nicht der Haltung der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung. Viele Ukrainer versuchten inzwischen, sich der Rekrutierung zu entziehen, und es gebe immer stärker werdenden Widerstand gegen die Maßnahmen der Regierung. Aber dies würde in Deutschland kaum zum Thema gemacht. Im Coop Anti-War Café würde man darüber sprechen. Der Friedensaktivist betont:
"Das Coop Anti-War Café ist einer der wenigen Orte in Berlin, wo diese Zustände in der Ukraine offen thematisiert werden und wo es eine offene prorussische Haltung gibt."
Wie erklärt Heinrich Bücker den Einmarsch Russlands in die Ukraine und den Wechsel der Donbass-Republiken nach Russland?
Der Einmarsch der Russen in die Ukraine sei vom Westen bewusst provoziert worden, so Bücker. Kurz vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine konstatierten sogar die Mitarbeiter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) ganz offiziell, dass 10 Tage vorher der Beschuss seitens der ukrainischen Armee auf die Ostukraine um ein Zigfaches erhöht wurde. Infolge dieses massiven Beschusses habe Russland die Donbass-Republiken als von der Ukraine unabhängige Staaten anerkannt.
Anschließend sei im Schnellverfahren ein gegenseitiges Beistandsabkommen beschlossen worden. Per Volksabstimmung hätten sich die Bürger von Donezk und Lugansk dann mehrheitlich für den Beitritt ihrer Länder zu Russland entschieden. Dem Beitrittsansinnen wurde vonseiten des russischen Parlaments nur wenige Tage vor dem militärischen Konflikt zugestimmt. Der weitere Beschuss des ukrainischen Militärs auf den Donbass habe ab dann für die Russen als Angriff der Ukraine auf Russland gegolten. Dagegen habe sich Russland zur Wehr gesetzt. Bücker fasst zusammen:
"Sodass man den sogenannten Einmarsch Russlands vielleicht sogar als russische Verteidigungsmaßnahme bewerten könnte."
Vor der Militäraktion habe der russische Präsident Wladimir Putin den Westen mehrfach aufgefordert, sich zu besinnen und keine Roten Linien zu überschreiten. An der Stelle erinnert Bücker auch noch einmal daran, dass der ehemalige russische Präsident Michael Gorbatschow bereits direkt nach dem Mauerfall erklärt hatte, die NATO dürfe nicht einen Zentimeter nach Osten ausgedehnt werden. Schließlich hätten die Ukraine und Russland bereits Ende April 2022 ein unterschriftsreifes Friedensabkommen ausgehandelt und es hätte nur noch von den Präsidenten Putin und Selenskij unterzeichnet werden müssen. Aber dann sei der britische Premier Boris Johnson umgehend nach Kiew geflogen und habe den Ukrainern erklärt, sie sollten weiterkämpfen.
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