Deutschland

"Illegal, legal, egal": Baerbock-Skandal um widerrechtlich erteilte Visa weitet sich aus

Die vom Auswärtigen Amt gepflegte Praxis bei der Visavergabe vor allem an Afghanen wirft immer neue Fragen auf. So konnten nicht nur Afghanen mit gefälschten Papieren in Deutschland einreisen. Nun erhebt das Magazin Cicero neue Vorwürfe.
"Illegal, legal, egal": Baerbock-Skandal um widerrechtlich erteilte Visa weitet sich ausQuelle: Gettyimages.ru © Philip Dulian/picture alliance

Der Skandal um die sehr freizügige Visavergabe durch das Auswärtige Amt unter Außenministerin Annalena Baerbock an Einwanderer – und dabei insbesondere an Migranten aus Afghanistan – weitet sich aus. Wie das monatlich erscheinende Magazin Cicero in seiner neuen Ausgabe vom vergangenen Freitag berichtet, wurden im Zuge der bewusst nachlässigen Visavergabe auch ausländische Agenten nach Deutschland geholt. Schon vorher war bekannt, dass zahlreiche Personen aus Afghanistan, Syrien und der Türkei mit gefälschten oder unvollständigen Unterlagen nach Deutschland einreisen durften.

Einreise um jeden Preis

Wie Cicero in seinem Artikel unter der Überschrift "Illegal, legal, egal" ausführt, verordnete Baerbock dem Ministerium die Strategie, Einreisen aus Afghanistan und Familiennachzug insgesamt um beinahe jeden Preis zu erleichtern. Die Ministerin habe ein "migrationsfreundliches Klima" geschaffen, in dem Beamte auch geltendes Recht brächen, um Visa möglichst schnell und reibungslos auszustellen. Sicherheitsbedenken würden nicht ernst genommen.

Beim Familiennachzug hat das Ministerium dabei offenbar den Anspruch aufgegeben, genau wissen zu wollen, wer eigentlich ins Land kommt. Das Magazin zitiert aus einer vertraulichen Weisung an alle Visastellen, die am 28. März 2022 per Mail verschickt wurde. Die als Verschlusssache eingestufte Weisung betraf "insbesondere Addis Abeba, Amman, Ankara, Bagdad, Beirut, Damaskus, Doha, Duschanbe, Erbil, Islamabad, Istanbul, Khartum, Nairobi, Neu-Delhi, Taschkent und Teheran" und legte den Mitarbeitern nahe, ihre bisherige Vorgehensweise zu ändern:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die besonders schwierige und volatile Lage in verschiedenen Regionen weltweit bezüglich der Möglichkeiten, Familienzugehörigkeiten und Identitäten nachzuweisen, machen vielerorts eine Optimierung der Prüfschritte bei der Bearbeitung von Anträgen auf Familienzusammenführung notwendig. 

Hierbei sind stellenweise Unsicherheiten und unnötige Verzögerungen eingetreten, die wir mit dieser Weisung gerne ausräumen und zukünftig verhindern möchten. […] Der formelhafte Griff zu den bewährten Instrumenten wie der Urkundenüberprüfung ist nicht durchgehend zweckmäßig und muss durchdacht und ergänzt werden."

Konkret sieht das Durchdenken und Ergänzen dann etwa so aus:

"Die Antragstellenden müssen das Vorliegen der Voraussetzungen (zum Beispiel Verwandtschaftsverhältnisse, Anm.) beweisen. Dabei reicht es aus, wenn die Antragstellenden mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen."

Das Magazin verweist darauf, dass Baerbock drei Monate zuvor versprochen hatte, "bürokratische Hürden" für die legale Migration nach Deutschland aus dem Weg zu räumen, und kommentiert:

"Man könnte es aber auch so sehen: Illegale Migration soll legalisiert werden, indem man einfach nicht mehr genau hinsieht." 

Sicherheitsbedenken? Kein Problem

Über Sicherheitsbedenken von anderer Seite setzte sich die Ministerin hinweg. In einer Vorlage für die Ministerin von Ende 2022 geht es um einen Streit mit dem Bundesinnenministerium (BMI) über praktische Probleme bei der Ausreise von Afghanen. In dem Papier wird die Betonung von Sicherheitsaspekten bei Verfahren des Bundesaufnahmeprogramms (BAP) durch das Innenministerium als "Herausforderung" bezeichnet. Dazu heißt es im Papier:

"Interessenkonflikte in Bundesregierung: BMI wünscht bei Ausreisen im Rahmen des BAP – diese werden im kommenden Jahr das Gros aller Ausreisen stellen – Durchführung zusätzlicher Sicherheitsinterviews und vollständiges Visumverfahren im Drittland, analog der für Resettlement üblichen Verfahren. Für BAP-Reisende würde dies zu einer Verengung der derzeitigen Ausreiserouten auf Islamabad führen […]."

Baerbock notiert von Hand an das Ende des Absatzes:

"Das sollten wir nicht akzeptieren. Hier hart bleiben, ggfs. weiter bis zu Ebene Bundesministerin eskalieren, ggf. öffentlich."

Zu den vom BMI geforderten zusätzlichen Sicherheitsinterviews kam es also zunächst nicht. Das änderte sich allerdings, als der deutsche Botschafter in Pakistan vor einem Missbrauch der Aufnahmeprogramme durch islamistische Kreise warnte. Bei den afghanischen Justizangestellten, denen in Deutschland Schutz gewährt werden sollte, handle es sich überwiegend um "Sharia-Gelehrte":

"Die Erteilung von Aufnahmezusagen für Sharia-Gelehrte unterstützt die Unterwanderung unserer Rechtsordnung durch islamistische Kreise."

Nach einem Krisengespräch vor Ort, an dem auch Vertreter des BMI und des Verfassungsschutzes teilnahmen, wurden schließlich Sicherheitsinterviews eingeführt, die durch Verfassungsschutzmitarbeiter geführt werden. Diese allerdings haben keine Möglichkeit, die Identität und die Gefährdungsgeschichte der Interviewten zu überprüfen. 

Pakistanische Agenten nach Deutschland geholt?

Als Folge dieser Strategie holte das Auswärtige Amt im Rahmen eines Aufnahmeprogramms für Afghanen offenbar auch pakistanische Agenten ins Land. Konkret geht es um die siebenköpfige, angeblich afghanische Familie N. Diese hatte eine Aufnahmezusage der Bundesregierung erhalten, weil der angebliche Vater nach eigenen Angaben als Friseur für die australische Armee in Afghanistan gearbeitet hatte und sich nach der Flucht der westlichen Truppen in Gefahr befand. Die angebliche Mutter und vier Kinder wurden bereits im September 2022 nach Deutschland ausgeflogen. 

Als der Mann und ein angeblicher volljähriger Sohn nachkommen wollten, kamen den Bearbeitern in der Botschaft in Islamabad Zweifel. Das Magazin zitiert aus einem internen Warnschreiben aus dem Februar 2023:

"Hauptperson und Familie könnten absichtlich mit afghanischen Identitäten ausgestattet worden sein. […] Es liegt hier der dringende Verdacht nahe, dass es sich bei (der Familie) um einen von pakistanischen Behörden inszenierten Fall handelt."

Die Aufnahmezusagen für die beiden Männer wurden mittlerweile zurückgenommen. Die fünf bereits eingereisten "Familienmitglieder" befinden sich immer noch in Deutschland.

Einreise mit ungültigen Papieren

Eine weitere kuriose Folge der neuen Richtlinie des Auswärtigen Amtes ist das Akzeptieren ungültiger Papiere. So landete im Januar ein Charterflugzeug voller Afghanen, die das Aufnahme- und Visumverfahren erfolgreich durchlaufen hatten. Allerdings stellte sich bei der Passkontrolle heraus, dass mehrere Passagiere sogenannte Proxypässe besaßen, die von der Bundesrepublik nicht akzeptiert werden und niemals mit einem deutschen Visum hätten versehen werden dürfen.

Die Bundespolizei erstattete Strafanzeige, nun ermitteln die Staatsanwaltschaften Cottbus und Berlin gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Sie stehen in dem Verdacht, Mitarbeiter in deutschen Botschaften und Konsulaten dienstlich angewiesen zu haben, Antragstellern mit unvollständigen oder offensichtlich gefälschten Papieren die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Laut Cicero hatten Berater der Bundespolizei vor Ort darauf hingewiesen, dass die Dokumente ungültig waren. Trotzdem wurden die Proxypässe bei der Visavergabe akzeptiert.

Migrationsfreundliche Netzwerke

Bemerkenswert bei der zweifelhaften Visavergabe ist auch die Rolle von Nichtregierungsorganisationen. Ausgewählte zivilgesellschaftliche Organisationen können als "meldeberechtigte Stellen" Personen für das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan vorschlagen. Zu diesen Organisationen zählt die von einem Grünen-­Politiker mitgegründete Initiative "Kabul Luftbrücke". Diese setzte sich auch für die möglichst rasche Aufnahme oben genannten Familie N. ein.

Aus einem von Cicero zitierten internen Botschaftsbericht geht hervor, dass die Initiative sich in der Zentrale des Auswärtigen Amtes beschwerte, als die Zusage für den volljährigen angeblichen Sohn zurückgezogen wurde. Dabei fiel den Beamten auf, dass die Organisation offenbar Zugang zu dem vertraulichen Schriftwechsel zwischen Botschaft und Zentrale des Auswärtigen Amtes in einem laufendem Visumverfahren hatte.

Mitarbeiter derartiger Organisationen treten für das Auswärtige Amt auch "beratend" auf. Es gibt außerdem verschiedene personelle Verflechtungen. Die betreffenden Organisationen erhalten zwar oft Staatsgelder, sind aber weder der Öffentlichkeit noch dem Bundestag rechenschaftspflichtig.

Bestrafung kritischer Mitarbeiter

Erst vor wenigen Tagen war durch einen Bericht des Business Insider bekannt geworden, dass eine leitende Beamtin der Botschaft in Islamabad "kaltgestellt" wurde, nachdem sie gegen die brisante Vergabepraxis protestiert hatte. Treibende Kraft hinter dieser Maßregelung sei Staatssekretärin Susanne Baumann gewesen, die im Auswärtigen Amt der Rechts- und Visaabteilung vorsteht.

Der Beamtin in der Botschaft Islamabad sei vorgeworfen worden, "zu kooperativ" gegenüber den Bundespolizisten gewesen zu sein, die bei der Visavergabe beratend beteiligt sind. Die Beamtin habe Sicherheitsbedenken tatsächlich ernst genommen, was im Baerbock-Ministerium nicht gut ankam.

Skandal, welcher Skandal?

Cicero schreibt, dass sich der Skandal im Auswärtigen Amt ausbreitet und sich von einem Schwelbrand zu einem offenen Feuer ausweiten könne. Das ist in dem Sinne zutreffend, als immer mehr Ungereimtheiten und offensichtliche Rechtsverstöße ans Licht kommen.

Allerdings wird die Affäre wahrscheinlich erst dann zu einem wirklichen Problem für die Ministerin, wenn die Mainstreammedien in ihrer Breite derartige Meldungen nicht mehr, wie das Amt selbst, als Einzelfälle und Kuriositäten darstellen, sondern als logischen Ausfluss der Baerbockschen Strategie der Migrationsbeförderung um beinahe jeden Preis. 

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