Deutschland

Medienbericht: Spahn erhöhte willkürlich auf Steuerzahlerkosten die Einkaufspreise von Masken

Der F.A.Z. vorliegende interne E-Mails des BMG belegen, dass der vormalige Gesundheitsminister Spahn eigenständig die ausgerufenen Einkaufspreise seiner Behörde für "Corona-Masken" um rund 50 Prozent erhöhte. Die Unterlagen erhielt die F.A.Z.-Redaktion ausgehend von einem Gespräch mit Spahn-Nachfolger Lauterbach.
Medienbericht: Spahn erhöhte willkürlich auf Steuerzahlerkosten die Einkaufspreise von MaskenQuelle: www.globallookpress.com © Britta Pedersen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) erhielt laut Artikel aus dem BMG-Ministerium von Karl Lauterbach "interne Mails", bezogen auf die chaotische Situation des übereifrig eingeleiteten Kaufrausches von "Corona-Schutzausrüstung" (Bezahlschranke). Laut den Unterlagen erhöhte Spahn demnach im März 2020 über eine persönliche Anordnung den Preis von vorgesehenen, also empfohlenen "3 Euro netto je Maske nur einen Tag später auf 4,50 Euro je Stück". Laut Anfrage der Redaktion verteidigt "sein Sprecher" Spahns Agieren in der medial titulierten "Masken-Affäre". Die Steuerzahler kostete es "brutto fast 470 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen".

Seit rund zwei Jahren gerät Jens Spahn, von Beginn der "Corona-Krise" bis zu seiner Abwahl im Dezember 2021 verantwortlicher Bundesgesundheitsminister, in den Fokus der aufwendigen Aufarbeitung zum Thema sogenannter „Maskendeals“, ausgehend eines vom gelernten Bankkaufmann initiierten sogenannten Open-House-Verfahrens, dem kurzzeitigen ministeriellen Freischein für die Bestellung von Millionen von Atemschutzmasken unterschiedlichster Typen. 

Spahns kostenintensives Agieren erfolgte demnach "gegen eine Empfehlung seiner eigenen Fachabteilung", so heißt es im F.A.Z.-Artikel:

"Im März 2020 schlug der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium aus seiner Markt- und Fachkenntnis heraus 3 Euro netto je Maske vor. Das sei 'ordentlich', schrieb er. Spahn entschied sich aber nur einen Tag später für 4,50 Euro je Stück, also für ein Plus von 50 Prozent. Bei 262 Millionen so eingekauften Masken musste der Steuerzahler in der Folge brutto fast 470 Millionen Euro mehr zahlen als ursprünglich vorgesehen."

Die brisanten internen, dabei belastenden Unterlagen gegen Spahn, die die F.A.Z.-Redaktion für den Artikel nutzte, wurden wohl nach einem Treffen zugespielt, dass in der vorherigen Woche mit Karl Lauterbach stattfand. So heißt es im Artikel:

"Gesundheitsminister Lauterbach hatte im Gespräch mit der F.A.Z. vergangene Woche den Verdacht geäußert, der 'damalige Minister' sei für die Festlegung des hohen Preises verantwortlich. 'Dazu werden die Akten jetzt ebenfalls gesichert, archiviert und ausgewertet', sagte er und kündigte an, eine Sonderbeauftragte einzusetzen. Die Mails aus dem Ministerium untermauern nun diesen Verdacht."

Der in den Schreiben als Ingo B. zitierte BMG-Mitarbeiter ist dabei aktuell weiterhin im Ministerium unter Lauterbach tätig. B., zum Zeitpunkt des Schnellverfahrens der verantwortliche Leiter der Zentralabteilung Z im Gesundheitsministerium, hätte demnach am 24. März 2020 laut Mail an das "zuständige Team seines Hauses" festgestellt:

"Da ich dem Chef versprochen habe, morgen früh einen attraktiven Preis vorzuschlagen (3,00 € FFP2 sind ordentlich = 3,57 dann im Ankauf, inkl. 19 Prozent MwST.) und wir ja viele Angebote haben möchten, würde ich jetzt erst einmal auf eine Laufzeit bis 30. April 2020 gehen. Das scheint mir vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen vertretbar und lässt noch Spielraum für parallele weitere Beschaffungen (…) Jemand eine bessere Idee?"

Zur großen Irritation der Beteiligten erfolgte dann einen Tag später am 25. März die nächste Mail von B. an sein Team:

"Guten Morgen, nach Entscheidung des Minister[s] jetzt bitte wie folgt finalisieren: 4,50 netto und bis 30. April 2020."

Der damit verbundene Bruttopreis einschließlich 0,86 Euro Mehrwertsteuer, den zudem "die Lieferanten dem Ministerium in Rechnung stellen durften", erreichte damit "5,36 Euro je Maske, 1,79 Euro mehr als von B. am Tag zuvor vorgeschlagen", so der Artikel zusammenfassend. Zu den unmittelbaren Auswirkungen auf die Steuerzahler ergab sich unter Berücksichtigung der Angaben des Bundesrechnungshofs folgende nüchterne Abschlussrechnung:

"Über das offene Verfahren wurden 262 Millionen 'Partikelfiltrierende Halbmasken' (PfH) vom Standard FFP2 oder KN95 bezogen. Dafür wurden einschließlich der Mehrwertsteuer 1,4 Milliarden Euro aufgebracht. Wäre B.s Vorschlag zum Zuge gekommen, wären es rund 935 Millionen gewesen, 467 Millionen Euro weniger."

Der verantwortliche Jens Spahn wurde im gesamten Zeitraum März 2020 bis in die Gegenwart nicht persönlich direkt verantwortlich juristisch belangt. So hieß es bereits im August 2020 im Ärzteblatt zu den bis heute einzigen erfolgten Kontaktsituationen des Ex-Ministers mit der Justiz:

"Im Chaos um die Beschaffung von Schutzmasken steht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) von Jens Spahn (CDU) demnächst wohl vor Gericht. Nach Angaben des Landgerichts Bonn, wo die Behörde offiziell ihren Hauptsitz hat, liegen derzeit 48 Klagen von Maskenlieferanten vor. Sie fordern vom BMG nicht geleistete Zahlungen für ihre Ware ein."

Dazu heißt es im F.A.Z-Artikel vier Jahre später:

"Allerdings lief das Open-House-Verfahren mit viel zu vielen Zusagen und teilweise minderer Maskenqualität völlig aus dem Ruder. Deshalb sah sich das Ministerium gezwungen, die Frist zu verkürzen, Verträge zu kündigen und Rechnungen nicht zu bezahlen. Dagegen haben zahlreiche Lieferanten geklagt. Einige bekamen kürzlich vor dem Oberlandesgericht Köln recht, der Streitwert der noch anhängigen Verfahren beträgt 2,3 Milliarden Euro."

Spahn musste dabei bisher nur als Zeuge vor Gericht aussagen, nicht als Angeklagter, so geschehen im März 2023. Dabei berief er sich auf Erinnerungslücken zum Thema direkter Kontakte mit einem Händler. Im Juli 2024 lässt Spahn über seinen Sprecher der F.A.Z.-Redaktion mitteilen:

"Spahn wies die Zweifel an der damaligen Praxis gegenüber der F.A.Z. zurück. Die Bundesregierung habe rückschauend im Oktober 2020 die Preise aus dem Open-House-Verfahren (OHV) als angemessen bezeichnet."

Am 26. April titelte die Ärztezeitung zur Person des Grünen-Politikers Janosch Dahmen:

"Grünen-Politiker Dahmen skeptisch gegenüber Corona-Enquête-Kommission. Es bestehe die Gefahr eines Kampfes um Deutungshoheiten und um nachträgliche Schuldzuweisungen."

Der F.A.Z.-Artikel zitiert Dahmen nun mit der Aussage, dass die zitierten Mail-Unterlagen "wohl als teuerste Verschwendungsnachricht in die Nachkriegsgeschichte eingehen" würden. Das Geld fehle "jetzt im Gesundheitswesen an allen Ecken und Enden". Der für seine rigiden bis hin zu inhumanen Forderungen in der "Corona-Krise" gefürchtete Dahmen stellt im Rahmen eines X-Postings zudem fest:

"Diese F.A.Z.-Recherche hat es in sich (…) Es braucht jetzt endlich volle Transparenz!"

Für Dahmen sei es nun "gut, dass die vielfältigen neuen Fragen im Spahn-Skandal lückenlos auch durch eine Sonderermittlerin des BMG aufgeklärt werden", um dabei in einem längeren X-Text abschließend zu fordern:

"Es muss endlich alles auf den Tisch."

Karl Lauterbach hat bis zur Veröffentlichung des Artikels mehr als überraschend noch nicht auf die F.A.Z.-Recherche im Rahmen eines X-Postings reagiert. 

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