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"Ich muss niemanden um Verzeihung bitten" – Drosten beschwert sich über "Umdeutung der Pandemie"

Der Virologe Christian Drosten erfreut sich nach seiner jüngsten Buchveröffentlichung erneut einer vielfältigen Medienpräsenz. In Interviews zeigt er sich mit dem Verlauf der Pandemie zufrieden, sieht aber Korrekturbedarf in der gesellschaftspolitischen Kommunikation.
"Ich muss niemanden um Verzeihung bitten" – Drosten beschwert sich über "Umdeutung der Pandemie"Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO

Der leitende Charité-Virologe und in der "Corona-Krise" als Regierungsberater tätige Christian Drosten gab dem SPD-nahen RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zusammen mit Georg Mascolo, dem Spiegel-Co-Autor seiner jüngsten Buchpublikation, ein Podcast-Interview. Mit Blick auf seine widersprüchlichen Empfehlungen während der Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022 erkenne er auch rückblickend "keinen Anlass, um Verzeihung zu bitten". In der Öffentlichkeit sei "der falsche Eindruck wissenschaftlicher Uneinigkeit entstanden". In dem Podcast sowie als Gast in der NDR Talk Show beklagte sich Drosten über "Populisten", die erzielte Erfolge der Pandemiebekämpfung mutwillig umdeuten wollten.

Drosten erklärt in dem RND-Podcast über seine medialen Auftritte in der "Corona-Krise", dass er "beim besten Willen nicht sagen kann, ob ich das noch mal so machen würde". Über die Aussagen, die er in seiner die Bundesregierung beratenden Funktion getätigt hatte und die in den vor einigen Wochen veröffentlichten sogenannten RKI-Files dokumentiert sind, sagte der Virologe:

"Ich habe keine politischen Entscheidungen gefordert. Ich habe immer den wissenschaftlichen Hintergrund geliefert, und ich denke, das war meine Aufgabe und der bin ich auch nachgekommen."

Angesprochen auf die Spahn-Aussage vom April 2020 ("Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen") erklärte Drosten, dass er denke, die Formulierung bezog sich rein auf die Politik, nicht auf gesellschaftliche Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen. Der RND-Artikel fasst Drostens Auffassung wie folgt zusammen:

"Allerdings seien in der Pandemiebekämpfung Fehler passiert, und auch die Wissenschaft müsse sich die Frage stellen, ob alles richtig gelaufen sei, so der Virologe weiter. 'Hat man es geschafft, die Botschaft an die Bevölkerung oder an die Politik zu bringen? Ich glaube das nicht, ehrlich gesagt', so Drosten."

Er resümiert für sich persönlich:

"Ich sehe keinen Anlass, um Verzeihung zu bitten. Ich sehe mich nicht in so einem Spannungsfeld."

An der damaligen Diskussion zwischen den Epidemiologen und der Öffentlichkeit kritisierte Drosten die "unterschiedlichen Arbeits- und Kommunikationsweisen von Wissenschaft, Medien und Politik". Er sagte:

"Ich glaube, Politik und Medien verstehen die Wissenschaft oft nicht. Man ist als Wissenschaftler einfach anders sozialisiert. Man hat eine gewisse Demut vor den Fakten. … Die Wissenschaft war sich im Großen und Ganzen sehr einig über alle elementaren Fragen. Die wissenschaftliche Community hatte auch den Eindruck, alles in Form von Stellungnahmen zu Papier gebracht zu haben. Die hat aber vielleicht dann doch niemand gelesen. Da hat es vielleicht in der Öffentlichkeit andere Stimmen gegeben, die mehr Gewicht bekommen haben." 

Kommunikation funktioniere im politischen Umfeld völlig anders als in der Wissenschaft:

"Das ist ja in der Politik ganz anders. Da muss man sich auf etwas festlegen, denn sonst gilt man als wankelmütig und wird vielleicht nicht mehr gewählt."

Sowohl im RND-Podcast als auch in der NDR Talk Show zeigte sich Drosten unzufrieden mit der derzeitigen Diskussion über die "Corona-Jahre". Die NDR-Moderatorin hatte den Virologen mit der Feststellung begrüßt: "Es ehrt uns sehr, dass sie hier sind". Drosten erklärte den Zuschauern dann:

"Man muss auch auf andere Menschen Rücksicht nehmen. Das ist auch vielleicht ein bisschen der Grund, warum ich nach so einer langen Pause noch einmal in die Öffentlichkeit komme, mit einem Buch, weil mich das schon sehr geärgert hat, was sich da so nach einem oder anderthalb Jahren so langsam in der Öffentlichkeit aufbaut. Diese Umdeutung des Geschehens im Nachhinein, zu behaupten, das wäre ja alles nicht nötig gewesen. Ich find's einfach hinterhältig."

Drosten befürchtet: "Da kommen ansonsten Gruppen, Personen, die sich damit schön präsentieren wollen, die damit auch natürlich ihre politischen Ziele verfolgen, die das Thema missbrauchen." Im RND-Podcast sagte Drosten dazu:

"Man muss auch gesellschaftlich schauen. Was mich vor allem auch getrieben hat, dieses Buch jetzt mal zu machen, ist: Ich beobachte, da sind jede Menge Menschen, die haben verstanden, worum es geht, die haben die Solidarität gezeigt, die haben verstanden, zum Schutz für die älteren, gefährdeten Menschen, etwas zurücktreten zu müssen. Und jetzt kommen Populisten und suggerieren denen, dass das alles umsonst war. Da fühlt man sich doch verschaukelt und das kann man doch nicht akzeptieren." 

Zurzeit würden nach seinem Verständnis zu viele negative "Narrative in die Gesellschaft gestreut". Aus Sicht des Virologen "sind wir gut durchgekommen" durch die "Pandemie". Drosten glaubt:

"Wir hätten es noch besser machen können, wenn wir nicht vor der zweiten Welle (Ende 2020), vor der Winterwelle nicht die Geduld verloren und gerade so lange gewartet hätten, bis dann die Impfung wirklich verfügbar ist. Da sind viele Menschen gestorben in Deutschland – in der sogenannten Lockdown-Light-Phase (Anmerkung durch Mascolo) – die nicht hätten sterben müssen."

Am 2. November 2020 wurde von der Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) der sogenannte "Lockdown Light" in Deutschland ausgerufen. Zu den Gründen seiner damaligen Allgegenwärtigkeit in den Medien erklärte er den NDR-Zuschauern:

"Für mich war die Motivation, Informationen zu liefern. Ich dachte mir, ich habe 20 Jahre lang steuerfinanzierte Forschung gemacht, jetzt muss ich was zurückgeben, wenn gerade das Thema für jeden zum Problem wird."

Auf die Abschlussfrage der Moderatorin, ob "wir beim nächsten Virus denn alles richtig machen würden", antwortete Drosten:

"Ich glaube nicht."

Sein im Juni neu erschienenes Buch trägt den Titel: "Alles überstanden? Ein überfälliges Gespräch zu einer Pandemie, die nicht die letzte gewesen sein wird".

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