Alle für den Krieg: Die Scheingefechte der deutschen NATO-Einheitsfront
Von Susan Bonath
Drei aktuelle Anträge im Bundestag lesen sich, als hätte sie die Rüstungslobbyistin und kürzlich ins EU-Parlament gewählte FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann selbst verfasst. Danach soll der Gesetzgeber Exportbeschränkungen für Waffen weitgehend aufheben, deutsche Rüstungskonzerne bei der Auftragsvergabe bevorzugen und die Bundeswehr schneller aufrüsten.
Dass die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP alias Ampel mit Unterstützung der Unionsparteien CDU und CSU längst in diese Richtung vorstoßen, verkünden die deutschen Medien fast täglich. Doch die Anträge stammten weder von der Ampel noch von der Union, sondern von deren Erzfeindin: der AfD.
In Windeseile mutierten SPD und Grüne in der Debatte vergangenen Freitag zu vermeintlichen Friedensengeln. Auch Union und FDP verfielen in Schnappatmung, um postwendend ihre eigenen Wünsche vorzutragen. Die unterschieden sich allerdings kaum von denen der AfD. Die Abgeordneten lieferten sich einmal mehr ein absurdes politisches Scheingefecht, das verschleiert: Krieg ist für sie alle eine Option, um die deutsche Profitmaschine wieder anzukurbeln.
AfD: Exportieren nach NATO-Wünschen
Die AfD-Fraktion hatte drei Anträge eingereicht, die der Bundestag am 14. Juni in erster Lesung beriet. Diese zielen darauf ab, Deutschlands militärische Aufrüstung zu beschleunigen und (schon jetzt profitierende) einheimische Waffenkonzerne weiter zu stärken.
Erstens fordert die AfD, alle Exportbeschränkungen auf Rüstungsgüter aufzuheben, die innerhalb der NATO-Staaten "partnerschaftlich" entwickelt und produziert werden. Überdies solle Deutschland sogenannte Dual-Use-Güter, die zivil oder militärisch verwendbar sind, im Einklang mit "Partnerländern" exportieren. Zu letzteren zählt die AfD vor allem die USA, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien, Spanien und Japan. Die Genehmigungspraxis dürfe nicht im Widerspruch zu deren Politik stehen, so die AfD.
Nebensache Menschenrechte
In dem Antrag geht es zudem um Menschenrechte, an deren Verletzung manche Waffenexporte scheitern könnten (was selten der Fall ist). Die Maßstäbe für solche Erwägungen dürften einzig "verbindliche Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen" (UN) sein. Dass solche Resolutionen häufig an der Vetomacht der USA scheitern, ist bekannt.
Zweitens solle die Bundesregierung bei der Auftragsvergabe für den wachsenden Militäretat deutsche Konzerne bevorzugen. So solle sie die dafür verwendeten Steuermittel im Land halten und Arbeitsplätze fördern. Die AfD wünscht sich gesetzliche Ausnahmen für militärische Beschaffungen, um "nicht gerechtfertigte Beschränkungen zu vermeiden".
Mehr Profit für deutsche Konzerne
Drittens fordert die AfD politische Maßnahmen, um die "Planungssicherheit für die Erweiterung der Produktionskapazitäten" der deutschen Rüstungsindustrie zu gewährleisten, etwa über langfristige und verbindliche Lieferverträge. Dies sei nötig, um die Bundeswehr "materiell einsatzbereit" zu machen.
Seine Fraktion sei besorgt um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, betonte der AfD-Politiker Malte Kaufmann. Weiter sagte er: "Es wird immer nur auf die Bundeswehr geguckt, das greift aber zu kurz." Man müsse zugleich auf die eigene Rüstungsindustrie setzen.
Die Amnesie der SPD
Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner nutzte die Debatte zunächst für ein paar Beschimpfungen gegen die AfD. Diese sei, so ereiferte er sich, "eine Alternative für Russland und China", die sich wohl "bei der russischen Rüstungsindustrie beliebt machen" wolle. Denn dann würde wohl "Putin mit seinem Vetorecht noch den Rahmen der deutschen Sicherheitspolitik bestimmen".
Dann schwenkte Stegner plötzlich um, so als hätte er blitzartig vergessen, was er gerade gesagt hatte: "Die demokratischen Fraktionen sind sich weitgehend einig, dass die deutsche Rüstungsindustrie wichtig für Deutschland ist." Auch er sei für eine Neuauflage eines Exportgesetzes, die "mit den EU-Partnern abgestimmt ist". Unter anderem dies hatte die AfD gerade gefordert.
Jedoch, so behauptete Stegner, würden die AfD-Forderungen wohl Sozialkürzungen bedeuten, was "am Fundament unserer Gesellschaft sägt". Der SPD-Mann leidet offenbar unter Erinnerungsverlust. Denn vor wenigen Monaten erst hatte seine Partei zusammen mit ihren Koalitionspartnern, den Stimmen der Union und der Mehrheit der AfD den Haushalt für 2024 mit umfangreichen Sozialkürzungen zugunsten der Rüstungsausgaben verabschiedet.
Die "Wertepartner" der Grünen
Maik Außendorf von den Grünen musste sich sehr bemühen, einen winzigen Unterschied zwischen seinen und den Ansichten der AfD herauszukristallisieren: Man könne nicht, wie gefordert, die Kontrolle über die Rüstungsexporte aufgeben, denn: "Deutsche Waffen in den falschen Händen darf es nicht geben."
Da stellt sich die Frage, wer für die von der Friedens- zur Kriegspartei mutierten Grünen die "richtigen Hände" wären. Das erklärte Außendorf in der Tat sehr eindrücklich:
"Die Rüstungsindustrie ist nicht wie andere Branchen, sie hat eine herausragende Bedeutung für die Sicherheit, für unsere Beziehungen zu unseren europäischen, transatlantischen und geopolitischen Wertepartnern und für die Verantwortung für Menschen, die unter Autokraten, Diktatoren und Imperialisten leiden."
Kriegsbereit mit der Union
Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch nutzte seine Redezeit, um de facto die Forderungen der AfD als seine eigenen zu verkaufen, aber so zu tun, als widersprächen sie diesen vollständig. Die Exportbeschränkungen seien in der Tat "zu restriktiv", mahnte er. Auch sei klar, so Willsch, dass "die Zeitenwende" alias Aufrüstung nicht mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro "erschöpft", sondern "eine dauerhafte Aufgabe" sei.
Besonders wichtig sei auch eine "gut aufgestellte Rüstungsindustrie", betonte er. Dann ereiferte er sich zu einem weiteren Bekenntnis, das aus den diskutierten Anträgen gar nicht hervorgeht: "Die Zivilklausel an Schulen muss vollständig weg", forderte er. Heißt: deutsche Schulen sollen "unterrichtende" Bundeswehrsoldaten in ihrem Haus dulden müssen. Allerdings fordert die AfD auch das seit langem. Willsch stimmte der AfD also inhaltlich zu, konstruierte aber einen "Widerspruch".
FDP: Mehr Waffen, mehr Kapital, mehr Profit
Ähnlich "argumentierte" Reinhard Houben von der FDP. Nachdem er dem ukrainischen (Ex) Präsidenten Wladimir Selenskij begeistert salutiert hatte, erläuterte er die Vorstellungen seiner Partei: Die Rüstungsindustrie brauche dringend (noch) mehr Kapital, überdies müsse die Beschaffung von Waffen schneller gehen. Das stimmt zwar mit den AfD-Anträgen überein, allerdings ist sein Motiv wohl anders.
So wetterte Houben, dass die AfD ja "für Putin" sei und betonte: "Putin ist aber gerade der Grund, warum wir wehr- und verteidigungsfähiger werden müssen." Dann legte er mit einer Parole nach, der so allgemein die AfD wohl wieder zustimmen würde: "Man muss sich wieder trauen, auf dem Schulhof zu sagen: Mein Papa arbeitet bei Rheinmetall."
BSW: "Altpartei für die Rüstungsindustrie"
Apropos Rheinmetall: Der expandierende Düsseldorfer Rüstungskonzern vermeldete erst kürzlich ein "neues Allzeithoch" seiner Gewinne.
Die Rheinmetall-Aktien hätten sich seit 2022 im Wert auf über 480 Euro pro Stück in etwa verfünffacht, die ausgeschüttete Dividende mehr als verdreifacht, betonte die BSW-Abgeordnete Sevim Dağdelen während der Debatte. Dies bezahle allein der deutsche Steuerzahler, rügte sie.
Dies reiche der AfD offenbar nicht, so Dağdelen. Diese Partei sei in ihren Augen "keine Alternative, sondern eine Altpartei für die Rüstungsindustrie". Es gehe ihr offensichtlich nicht um Menschen, sondern um "mehr Profit für den militärisch-industriellen Komplex".
Wohl auch angesichts dessen, dass von den verbliebenen Linke-Abgeordneten keiner zu Wort kam, von denen sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) jüngst abgespalten hatte, blieb Dağdelen die einzige im Bundestag, die zu diesem Thema ernsthafte Widerworte gab.
Einheitsfront auf NATO-Kurs
Der Rest der Bundestagsfraktionen scheint sich einzig uneinig darüber zu sein, gegen wen Deutschland nun Krieg führen muss oder warum es kriegsbereit werden und aufrüsten soll. Der Krieg selbst als Fortsetzung der imperialistischen Markteroberungspolitik der NATO-Staaten mit Waffengewalt bleibt für sie alle eine Option, um die bedrohten Profite der Konzerne und den kränkelnden westlichen Imperialismus neu anzukurbeln.
Die kapitalistische Einheitsfront im deutschen Politikzirkus ist sich zwar im Detail nicht immer einig, aber sie steht. Und sie schreitet fest auf NATO-Kurs gemeinsam voran. Vor allem das macht die inszenierten Scheingefechte von vermeintlich "guten Demokraten" gegen "böse Rechte" zu einer absurden Farce.
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