Deutschland

Ukraine-Soli-Wirtschaftsweise: "Wir können uns weiter steigende Renten nicht leisten"

Angesichts knapper Kassen und steigender Rüstungsausgaben ist die Diskussion um den Sozialetat und die Rentenhöhe zurück. Die FDP will die Rente weiter kürzen, und bekommt dabei Unterstützung von der Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. Sie hatte sich noch vor wenigen Monaten für die Einführung eines Ukraine-Solis ausgesprochen.
Ukraine-Soli-Wirtschaftsweise: "Wir können uns weiter steigende Renten nicht leisten"Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO

Wer unmittelbar mit 18 eine rentenversicherungspflichtige Vollbeschäftigung aufgenommen und während seines Erwerbslebens die Beitragszahlungen niemals ausgesetzt hat, kann nach der derzeitigen Regelung mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Er bekommt dann nach aktuellem Stand etwa 50 Prozent seines letzten Nettolohns.

Die Standardrente nach 45 Beitragsjahren betrug im Jahr 2021 nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung 16.432 Euro im Jahr oder rund 1.370 Euro im Monat. Das ist zu viel, meint der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und bekommt Unterstützung von der Chefin des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer.  Die Wirtschaftsweise teilt die Einschätzung Lindners.

"Wir können es uns nicht leisten, einfach die Renten weiter so steigen zu lassen wie bisher", sagte sie der dpa. 

Schnitzer plädiert für die Entkopplung der Rentenentwicklung von der Entwicklung der Löhne und will sie an die Inflationsentwicklung koppeln. Dann sei man als Rentner zwar nicht mehr an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt, aber die Kaufkraft bleibe erhalten. 

Die Expertin bedient sich in ihrer Argumentation des demografischen Arguments. Die Babyboomer-Generation habe nicht genug Nachkommen gezeugt, ist ihr Vorwurf an die Beitragszahler. 

"Das Problem ist, dass die Babyboomer einen Teil des Generationenvertrags nicht eingehalten haben. Sie haben mit ihren Beiträgen für die Rentner und Rentnerinnen bezahlt. Aber sie haben nicht ausreichend viele Kinder bekommen und großgezogen, um später genügend Beitragszahler für ihre eigene Rente zu haben. Damit müssen wir irgendwie umgehen."

Schnitzer fordert zudem mehr Eigenengagement. Sie plädiert für eine Ausweitung der Aufstockung der gesetzlichen Rente durch private Zusatzversicherungen. In den letzten Jahren wurde das Rentenniveau durch die Politik immer weiter abgesenkt, um den Druck auf die Arbeitnehmer zu erhöhen, sich zusätzlich privat abzusichern und die Kassen der Versicherungskonzerne zu füllen.

Ein guter Tipp war das angesichts der jahrelang anhaltenden Niedrigzinspolitik nicht. Eine private Absicherung lohnt nur in seltenen Ausnahmefällen. Zudem ist das Rentenniveau in Deutschland im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich niedrig. Die unterschiedlichen deutschen Regierungen haben es in den vergangenen Dekaden mit den Beitragszahlern nicht besonders gut gemeint. 

Kritiker an der Politik der Rentenkürzungen wie der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck weisen immer wieder darauf hin, dass die Diskussion in Deutschland verkürzt geführt wird. In der Bundesrepublik steht der demografische Wandel im Mittelpunkt der Argumentation, andere Faktoren werden unterschlagen.

So findet der Produktivitätsfortschritt als maßgeblicher Faktor kaum Erwähnung. Das Argument lässt sich einfach zusammenfassen: Steigt durch technischen Fortschritt die Produktivität, kann also durch den gleichen oder sogar einen geringeren Einsatz an Arbeitskraft ein höherer Output generiert werden, verliert das demografische Argument an Bedeutung. Dann ist das Problem nicht die Geburtenrate, sondern mangelnde Investitionen aufgrund von geringer Nachfrage. Entkräftet wird das demografische Argument auch dadurch, dass trotz niedriger Reproduktionsrate die Bevölkerung in Deutschland durch Zuwanderung wächst. 

Schnitzer fordert, eine abschlagsfreie Rente nur Geringverdienern auszuzahlen. Das wirkt geradezu zynisch, da Geringverdiener beim jetzigen Rentenniveau in die Grundsicherung fallen und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. 

Unterschlagen wird in der deutschen Diskussion zudem, dass es sich bei der Rente um eine Versicherungsleistung und nicht um eine freiwillige Wohlfahrtsleistung des Staates handelt.

Im Dezember sorgte die Wirtschaftsweise für Schlagzeilen, als sie sich für die Einführung eines Ukraine-Solis stark machte. Damals sagte Schnitzer: 

"Besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen. Ein Ukraine-Soli als Aufschlag auf die Einkommensteuer für die militärische Hilfe wäre eine mögliche Antwort auf diese Herausforderung. Das ist nicht populär – aber schließlich geht es in diesem Krieg auch um unsere Freiheit." 

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