Vom Schmuddelkind zur "Systemrelevanz": Die "Rehabilitierung" Rheinmetalls in den Mainstream-Medien
Einst galt Rheinmetall als "Schmuddelkind" der deutschen Industrie, doch mittlerweile wird das Rüstungsunternehmen im Rahmen der "Zeitenwende" nicht nur von der Politik, sondern auch von den Mainstream-Medien hofiert.
Eine Analyse der Informationsstelle Militarisierung, einem Verein aus dem linksalternativen und der Friedensbewegung nahestehenden Spektrum, hat nun analysiert, wie es dazu kommen konnte, dass der Konzern nicht nur von der Politik, sondern "auch von der öffentlichen, medial vermittelten Meinung mehr Akzeptanz und Legitimität erfährt als zuvor".
Entscheidend für das Unternehmen war demnach die Eskalation des Konflikts in der Ukraine seit dem Februar 2022. Seitdem erlebe das Unternehmen einen Imagewandel vom "eher unsympathischen Geschäftemacher mit Krieg und Tod zum geschätzten Partner" der Politik.
In seiner Analyse stellte der Autor Jonas Uphoff fest, dass in fünf ausgewählten Medien (Welt, taz, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Zeit), deren Berichterstattung vom 1. Januar 2018 bis zum 1. Januar 2024 untersucht wurde, die Kritik an Rheinmetall seit dem 22. Februar 2022 deutlich nachlasse. Während in den Jahren zuvor noch regelmäßig die Waffenverkäufe an Saudi-Arabien oder die Türkei kritisiert worden seien, seien diese Stimmen mittlerweile weitgehend verstummt.
Der Imagewandel für Rheinmetall lasse sich allerdings nicht direkt auf eine "Heiligsprechung" oder eine positive Verklärung von Rheinmetall zurückführen. Stattdessen werde ein Narrativ vom Zweck, der die Mittel heilige, bedient. Der "gute Zweck", die Ausrüstung des deutschen Militärs und vor allem die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen, werde dabei grundsätzlich nicht hinterfragt. Die Konfrontation mit Russland werde als eine Art Naturgesetz hingestellt, dem "Europa" unterworfen sei. Der Politik werde vorgeworfen, dies nicht erkannt und nicht entschieden genug reagiert zu haben.
Einigkeit bestehe lediglich darin, dass der Konzern ein Profiteur der globalen Entwicklung zu mehr Krieg und Militär, eines "Rüstungsbooms", sei. Die eigene Rolle bei der Diskursverschiebung werde jedoch von keinem Medium thematisiert. Der Image-Wechsel der Rüstungsindustrie wird monokausal auf politische Entwicklungen zurückgeführt, ohne zu untersuchen, auf welche Art und Weise er stattfindet. Medial wird zudem das Narrativ einer "dynamischen" Rüstungsindustrie und einer langsamen, schwerfälligen Politik konstruiert. In der Analyse heißt es diesbezüglich:
"Im Kontext der nachdrücklichen Forderungen, Panzer und Munition zu liefern ('Free the Leos') wurde zu Zeiten, in denen diese am präsentesten waren, von 'Medienkampagnen' gesprochen. Der Begriff ist aber etwas irreführend, denn er suggeriert eine Art einheitliche Planung und Durchführung. Die Realität ist wesentlich komplizierter und erschreckender: Eine einheitliche politische Position und Forderung setzte sich, getragen von Petitionen, privaten und öffentlichen Medien, innerhalb kürzester Zeit durch und hatte eine Zeit lang unumstritten die hegemoniale Position im Diskurs inne. Die vermeintlich schwerfällige Politik kam den Ansprüchen dieses Diskurses nicht schnell genug hinterher. Rheinmetall positionierte sich in diesem Diskurs bestimmt, aber diskret: Indem der Konzern der Regierung sowohl zur Ausstattung der Bundeswehr als auch zur Unterstützung der Ukraine Angebote aus ihrem Repertoire machte, brachte sich der Konzern damit als relevanter politischer Akteur in Position."
Das von den Medien verbreitete Narrativ lautet also: Die Rüstungsindustrie könne und wolle sofort liefern, aber die Politik verschleppt es und lässt sie nicht. Insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) waren damals Zielscheibe der sogenannten "Leitmedien". Dass es neben der vermeintlich schleppenden Bürokratie auch materielle Gründe hatte und die Rüstungsindustrie später selbst einräumte, dass die Lieferung von instand gesetzten Leopard-Kampfpanzern Zeit benötigt, wurde erst ignoriert und erst dann zögerlich thematisiert, als die politischen Entscheidungen für Panzerlieferungen bereits gefallen waren.
Uphoff stellt in seiner Analyse zudem fest, dass viele Journalisten zu "Amateurexperten in Sachen Rüstungstechnologie" geworden seien. Der Fokus auf technologische Zweckmäßigkeit unter Ausblendung des Zwecks habe eine Enttabuisierung und Normalisierung von Kriegsgerät zur Folge, teils werde die Rüstungstechnik aber auch ästhetisiert. In besonders peinlicher Weise steche hier die Welt heraus: So schwärme ein Reporter des Springer-Blattes in "fast libidinösen" Tönen vom Besuch einer Waffenmesse. Die Bewunderung, die einige dieser neuen Experten an den Tag legen würden, bleibe selbst hinter der Werbung auf Rheinmetalls eigener Website noch zurück. Beispielhaft erwähnt wird auch die Doku "Inside Rheinmetall", welche trotz einiger kritischer Fragen den etablierten Diskurs weiter reproduziert und verfestigt:
"Trotzdem erfüllt der ARD-Film so effektiv eine Werbefunktion für Rheinmetall, die keine konzerneigene Reklame in der Form hinbekommen hätte."
Weiterhin lasse sich feststellen, dass Rheinmetall-CEO Armin Papperger "vom Underdog zum Helden der Stunde" stilisiert wurde. In den vergangenen zwei Jahren habe sich der Rheinmetall-Vorstand zu einer festen Instanz in der öffentlichen Debatte etabliert. Die Bühne hierfür werde bereitwillig von fast allen untersuchten Medien geboten, und diese Bühne werde Rheinmetall auch nicht mehr so schnell verlassen. Der Konzern sei, so das Fazit des Autors, gekommen, um auf der Bildfläche zu bleiben.
Gelohnt habe sich diese Verschiebung des öffentlichen Diskurses für den Konzern allemal: Da die Investition in die europäische oder deutsche "Sicherheit" nun als guter Zweck Greenwashing und Nachhaltigkeitskriterien überflügelt, wird wesentlich mehr in die Rüstungsindustrie investiert:
"Stand Ende März 2024 ist die Rheinmetall-Aktie die meistgehandelte Aktie des DAX und erreichte mit ca. 520 Euro ihren bisher höchsten Kurs. Im Vergleich dazu dümpelte ihr Wert im Dezember 2021 zwischen 70 und 80 Euro herum."
Zwar sagen die Aktienkurse nichts über tatsächliche Wertproduktion aus, zeigen jedoch die Erwartung von Aktionären an das Unternehmen, zukünftig ordentlich Profit zu machen.
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