Verfassungsrechtler: Heuchlerische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen von Politikern und Medien
Von Felicitas Rabe
Der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hofft, dass man die Spaltung der Gesellschaft nach der COVID-19-Pandemie überwinden kann. Im Interview mit dem ZDF heute-journal erklärte er am Sonntag, in einer neuen Dialogkultur müssten Politiker und Medien Fehler eingestehen und andere Meinungen respektieren. Das gelte nicht nur für das Thema Corona, sondern auch für die Themen Klima und Krieg.
Neben den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche wirkte sich vor allem die durch Politiker hervorgerufene Spaltung der Gesellschaft bis heute aus, gestand der CDU-Politiker ein. Populisten würden diese Spaltung weiterhin nutzen, um "gegen den Staat Stimmung zu machen". Für Laschet sei die ganze Debatte über die Pandemie grundsätzlich zu moralisierend und zu schwarz-weiß.
Wer gegen die Maßnahmen gewesen sei, sei automatisch als Corona-Leugner diffamiert und ausgegrenzt worden. Für die Aufarbeitung wünsche er sich eine Enquete-Kommission mit parteiübergreifenden Experten. Nachdem kürzlich Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) öffentlich gemacht worden seien, könne man erst erkennen, wie differenziert man tatsächlich beim RKI diskutiert habe und wie wenig von dieser Meinungsvielfalt innerhalb der Behörde in die konkrete Regierungspolitik mündete. Diese internen Debatten hätten Laschet zufolge veröffentlicht werden sollen. So habe man zum Beispiel laut den Protokollen auch beim RKI gewusst und festgehalten, dass FFP2-Masken für den Arbeitsschutz konzipiert worden wären und eben nicht für Pandemien.
Problematisch sei dabei auch die Abhängigkeit dieser Gesundheitsbehörde vom Bundesministerium für Gesundheit. Für die Zukunft brauche man eine größere Unabhängigkeit des RKI und eine größere wissenschaftliche Meinungsvielfalt. Schließlich brauche man in der Politik eine Sensibilität für die Einschränkung von Grundrechten. Dazu stellte der ehemalige Unions-Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers fest:
"Man muss in der Politik ein Gespür haben, wenn man Grundrechte einschränkt, und sie sobald wie möglich wieder zurücknehmen."
Im Nachhinein würden die Maßnahmen unter Politikern auch kritisch diskutiert. Erst kürzlich habe der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun erklärt, dass man die Wirkung der Impfung auf das Ansteckungsrisiko überschätzt habe. Aber neben den Politikern müssten nun auch die Medien eine kritische Bilanz ziehen, stellte Laschet fest:
"Dass die RKI-Protokolle von einer Plattform erklagt werden, von der man sagt, sie sei verschwörungstheoretisch – ich kann das nicht beurteilen – heißt ja auch, dass Qualitätsmedien nicht die Offenlegung der Protokolle eingeklagt haben."
Der Rechtsanwalt Ralf Ludwig hat die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und insbesondere die Grundrechteeinschränkungen sowie den Umgang mit Andersdenkenden von Anfang an kritisiert und juristisch bewertet. In seinem Telegram-Kanal kommentierte der Verfassungsrechtler am Montag die Ausstrahlung des Interviews im ZDF. Jetzt – wo es nichts mehr zu verbergen gebe – wollten die Mainstreammedien plötzlich die Spitze der Aufklärung sein. Das sei zum einen heuchlerisch, zum anderen belege es aber eindrucksvoll die damalige Mittäterschaft, kritisiert das Ludwig. Man werde aber die Aufklärung nicht den Tätern überlassen, betonte er:
"Wir werden den Tätern jetzt nicht die Aufklärung überlassen. Um Entschuldigung kann man bitten. Ob die Bitte gewährt wird, entscheiden die Opfer, nicht die Täter."
Aufklärung über die Corona-Pandemie werde es weder in einer Enquete-Kommission, noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) oder einem Untersuchungsausschuss geben. Die Aufklärung der COVID-19-Pandemie werde vor einer Hauptverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshof stattfinden.
Schließlich ginge es nicht nur um ein paar Fehler, die wir verzeihen müssten. Dem Juristen zufolge ginge um eine Machtüberschreitung, "die wir aus gutem Grund Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder – wie Hannah Arendt es formulierte – Verbrechen gegen die Menschheit nennen". Tatsächlich habe es sich bei der Corona-Politik um einen Angriff auf die Bevölkerung gehandelt:
"Was wir erlebt haben, war ein systematischer und ausgedehnter Angriff auf die Zivilbevölkerung. Grundrechte sind vollständig genommen worden, Existenzen zerstört und Menschen an der Gesundheit geschädigt oder gar getötet worden."
Dazu seien politische Entscheidungen zur Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen sogar gegen wissenschaftliche Warnungen betrieben worden. Für Ludwig ist dafür der Begriff "Staatsstreich" zutreffend. Diese totalitäre Machtüberschreitung in demokratischen Staaten müsse gesühnt werden. Außerdem müssten Strukturen entwickelt werden, die derartige Eingriffe in die Freiheitsrechte zukünftig unmöglich machen würden.
Die aktuelle kritische Berichterstattung von ZDF und Co. sei kein Grund zum Jubeln. Jahrelang hätten diese Medien es versäumt, ihrem Auftrag nachzukommen. Täter sei auch derjenige, der dem Haupttäter Beihilfe geleistet habe. Rechtsstaatlichkeit ließe sich dadurch wiederherstellen, dass der Generalbundesanwalt Anklage gegen die Täter erhebe. Und wenn die Politik die Spaltung überwinden wolle, könne sie Amnestie- und Rehabilitationsgesetze vorlegen.
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