Sonderbericht des Bundesrechnungshofs zur Energiewende: Habeck, setzen, Sechs!
Von Dagmar Henn
Ein derartiger Bericht kann eigentlich kaum vernichtender sein, als das, was der Bundesrechnungshof zur Frage der Energiewende und insbesondere zur Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft Robert Habeck und seines Ministeriums ablieferte. Alle Versprechungen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bezüglich der erneuerbaren Energien abzugeben pflegt, treffen nicht zu. Weder die Bezahlbarkeit noch die Funktionalität sind sichergestellt, und eine Überwachung der Umweltfolgen des Ausbaus erneuerbarer Energien lässt man lieber gleich ganz ausfallen.
Selbstverständlich formuliert der Bundesrechnungshof das in seinem neuen Sonderbericht noch immer vergleichsweise freundlich, denn umgangssprachlich würde das noch ganz anders klingen:
"Der Bundesrechnungshof bewertet die Annahmen im Monitoring zur Versorgungssicherheit als wirklichkeitsfremd." "Deutschland könnte dauerhaft zum Nettostromimporteur werden." "Der Bundesrechnungshof sieht das Ziel einer sicheren Versorgung mit Elektrizität nicht als gewährleistet an." "Der Bundesrechnungshof sieht das Ziel einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit Strom als nicht gesichert an." "Die aktuelle und voraussichtliche Entwicklung der Strompreise birgt ein erhebliches Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung."
Das klingt alles völlig anders als die Verlautbarungen aus dem "Hause Habeck", die eher an das berüchtigte "Wir schaffen das" von Frau Merkel erinnern.
Die Vorhaltungen des Bundesrechnungshofs betreffen jede einzelne Fragestellung, die überhaupt mit der angestrebten Energiewende verbunden ist, ohne das "Klimaschutzziel" dabei bisher noch irgendwie, irgendwo überhaupt infrage zu stellen, und selbst dann ist das Ergebnis katastrophal.
So übergehen die Berechnungen, die eine Sicherheit bei der Stromversorgung bei einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien belegen sollen, einige entscheidende Punkte:
"Eine sichere Versorgung mit Strom aus volatilen erneuerbaren Energien erfordert aber zusätzlich, dass parallel ein weitgehend redundantes System mit gesicherter, steuerbarer Leistung verfügbar ist. Andernfalls kann es bei geringem Angebot an erneuerbaren Energien zu Versorgungslücken kommen."
Dabei übergehen die Berechnungen aus dem BMWK zum einen, dass der besagte Ausbau erneuerbarer Energien weit hinter dem Plan zurückliegt und im vergangenen Jahr weit weniger Windkraft- und Solar-Anlagen tatsächlich in Auftrag gegeben als rein formal ausgeschrieben wurden. Nicht nur das: Die wasserstofffähigen Gaskraftwerke, die unter anderem die nur bis 2031 betriebenen Kohlekraftwerke ablösen sollen, gibt es samt der dafür erforderlichen Infrastruktur bisher nur auf dem Papier.
Da es so etwas wie die berüchtigte "Dunkelflaute", bei der weder Wind- noch Solarenergie zur Verfügung stehen, tatsächlich gibt, wird im Grunde die gesamte Kapazität, die zur Deckung des Strombedarfs erforderlich ist, für diese Eventualfälle doppelt benötigt. Die Präferenz für die erneuerbaren Energien führt dann dazu, dass die vorgehaltenen Kapazitäten in der konventionellen Energieerzeugung aber auch irgendwie finanziert werden müssen, sonst werden sie nicht gebaut oder vorgehalten. Das soll über ein Kapazitätsentgelt funktionieren, das aber verstößt gegen EU-Richtlinien zu Subventionen, die nur vorübergehend ausgesetzt sind. Tatsache bleibt – auch die Stromverbraucher zahlen den Strom, den sie benötigen, am Ende gewissermaßen doppelt. Die Kosten für dieses gesamte Backup-System sind aber ein Teil jener Kosten, die kurzerhand nicht mehr erwähnt werden, wenn der Öffentlichkeit vorgerechnet wird, wie viel Strom aus Solarzellen oder Windkraftanlagen tatsächlich kostet.
Ein weiteres Problem, das der Bundesrechnungshof sehr deutlich moniert, ist die Tatsache, dass der Netzausbau weder im vorgesehenen Ausmaß erfolgt, noch mit seinen Kosten klar erkennbar beziffert wird. Dabei wird auch ein Netzausbau wieder gleich doppelt benötigt – auf der Ebene der Überlandnetze, um den Strom etwa aus Offshore-Windkraftanlagen überhaupt verfügbar zu machen und regionale Schwankungen ausgleichen zu können, und auch auf dem letzten Stück zwischen Versorger und Endverbraucher, weil beispielsweise die hochgelobte Elektromobilität zwar keinen Kraftstoff, dafür aber in vielen Fällen deutlich höhere Leistungsübertragungen an Elektroenergie erfordert.
Der Netzausbau im Bereich der Überlandnetze liegt derzeit sieben Jahre (oder 6.000 Kilometer Stromleitungen) hinter den Planungen zurück. In diesem Bereich hat sich seit dem letzten themenspezifischen Bericht des Bundesrechnungshofs aus dem Jahr 2021 schlicht gar nichts zum Positiven getan. Die Kosten dieses Netzausbaus werden auf 313,7 Milliarden Euro bis zum Jahr 2045 geschätzt. Der Ausbau der Verteilernetze, der ursprünglich mit 42,27 Milliarden Euro angesetzt wurde, könnte nach neueren Presseberichten mehr als das Fünffache, nämlich bis zu 240 Milliarden Euro kosten. Nicht nur, dass die Finanzierung dieser Ausgaben keinesfalls sichergestellt ist – diese Kosten erhöhen den Strompreis für die Verbraucher noch weiter.
Dabei scheint das Verschweigen ungünstiger Daten beim BMWK ein Prinzip zu sein. So schreibt das der Bundesrechnungshof natürlich nicht, aber hier ein Beispiel, an dem das ziemlich deutlich wird: im vergangenen Jahr wurden statt der vorgesehenen Kapazität von 12,84 Gigawatt durch neu zu errichtende Windkraftwerke nur Windräder mit insgesamt 6,38 Gigawatt tatsächlich vergeben.
"Das EEG 2023 legt fest, dass das im Vorjahr nicht vergebene Ausschreibungsvolumen dem Folgejahr zugeschrieben wird. Somit erhöht sich das auszuschreibende Volumen im Jahr 2024 von 10,00 GW auf 16,46 GW (+ 65 %). In der Bekanntmachung für den Gebotstermin 1. Februar 2024 hat die BNetzA diese zusätzliche Menge nicht berücksichtigt."
Die dem BMWK untergeordnete Bundesnetzagentur (BNetzA) verfährt bei den Berechnungen zur Versorgungssicherheit ähnlich verschleiernd:
"Der aktuelle Monitoringbericht der BNetzA zur Versorgungssicherheit geht hingegen sicher davon aus, dass alle Ziele der Bundesregierung rechtzeitig erreicht werden ('Best-Case'). Der Bericht entspricht damit nicht den gesetzlichen Anforderungen."
In der Wirklichkeit liegen also alle Teile der Entwicklung weit hinter den Planungen, aber bei der für die Öffentlichkeit entscheidenden Information, die die Bundesnetzagentur abliefert, eben jener zur Versorgungssicherheit, wird stets so getan, als gäbe es alle diese Abweichungen nicht. Dabei wirken natürlich diese Abweichungen selbst wieder auf die Prognosen bezüglich des Strompreises zurück, denn Strom, der in Deutschland dann eben nicht erzeugt wird, muss zugekauft werden und ist in der Regel noch deutlich teurer. Im Jahr 2015, auch das belegt der Bericht, war Deutschland übrigens noch Nettoexporteur von Elektroenergie. 2023 war nun das erste Jahr, in dem Deutschland zum Nettoimporteur wurde, das aber gleich drastisch:
"Einige Probleme haben sich seit der letzten Prüfung des Bundesrechnungshofes im Jahr 2021 noch verschärft – beispielsweise der Verzug beim Netzausbau und die Verfügbarkeit gesicherter, steuerbarer Leistung."
Ja, das belegt, dass auch die Große Koalition unter Merkel schon die wirklichen Verhältnisse nach Kräften verschleiert hat. Das ist allerdings keine Rechtfertigung, das jetzt noch zu steigern.
"Der angestrebte vorgezogene Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 erscheint damit fraglich … Zugleich vermitteln Bundesregierung und BNetzA mit dem Monitoringbericht ein verzerrtes und damit unzutreffendes Bild der zukünftigen Versorgungssicherheit.""
Auch bei dem erklärten Ziel einer "preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit Strom" scheitert das BMWK krachend. Nicht nur, dass die Strompreise in Deutschland für die Industrie zwar nur 5 Prozent, für die Verbraucher aber 42,7 Prozent über dem europäischen Durchschnitt liegen (wobei die 5 Prozent mehr nun schon genügen, um die Industrie aus Deutschland abwandern zu lassen), die Zahl jener, die längst Schwierigkeiten haben, ihren Bedarf an Elektroenergie noch zu finanzieren, erhöhte sich deutlich: "Krisenbedingt stieg der Anteil der von Energiearmut bedrohten Haushalte in Deutschland im Jahr 2022 auf 25,2 Prozent (im Jahr 2021: 14,5 Prozent)". Das ist jeder vierte Haushalt in Deutschland, und die massiven Kosten für Aus- und Umbau stehen erst noch bevor.
Zeitweilig wurde die Wirkung dieser extremen Kosten auch für die Verbraucher über die "Strompreisbremse" noch abgefangen (nur um jetzt durch die Erhöhung der Netzentgelte weiter verschärft zu werden), aber der Rechnungshof moniert, dass in Zukunft eine preisgünstige Versorgung nicht mehr möglich sei, was die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung deutlich verringern könne, und meint dazu:
"Die Bundesregierung scheint diese Einschätzung zu teilen: Denn hielte sie die aktuellen Strompreise für bezahlbar, wären Zuschüsse zum Stabilisieren der Netzentgelte oder die temporäre Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe nicht nötig."
Der Endverbraucher kann bei alledem diesen Kosten nicht mehr entgehen, denn jede Finanzierung aus Steuermitteln muss er am Ende ebenso selbst aufbringen wie eine Finanzierung über horrende Strompreise.
Auch bei den Folgen, die der angestrebte Ausbau der erneuerbaren Energien auf die Umwelt hat, wurde nach Ansicht des Bundesrechnungshofs geschlampt. Genaugenommen wird gar nicht erst hingesehen, wo es problematisch wird. Das betrifft nicht nur das Genehmigungsverfahren, in dem eine spezifische Umweltprüfung durch eine allgemeinere ersetzt wurde. Das Monitoring, bei dem schon immer geschlampt wurde – der Bericht für das Jahr 2017 erschien etwa erst im Jahr 2019 – wurde inzwischen vollkommen eingestellt. Doch laut dem Rechnungshof ist mitnichten ein absoluter Vorrang des Klimaschutzes vor allen anderen Umweltfragen angebracht, denn dem stünde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz entgegen.
Dabei ist die Umweltverträglichkeit von Windenergieanlagen keineswegs nur ein Anliegen von Vogelschützern:
"So habe sich u.a. die Anzahl von Windenergieanlagen in Schutzgebieten im Zeitraum 2010 bis 2020 verdoppelt. Nur wenige Anlagen unterlagen Abschaltauflagen zum Schutz von Tieren. Für mehr als zwei Drittel der Anlagen lagen hierzu keine Daten vor."
All das ist ja kein Problem, wenn man gar nicht erst nachsieht oder das Ergebnis in einem Bericht zusammenfasst:
"Stattdessen kommt das BMWK seit dem Berichtsjahr 2020 seinen Berichtspflichten aus dem Monitoring-Prozess 'Energie der Zukunft' nicht nach. Jüngst hat das BMWK diesen Prozess – das 'Kernstück des Monitorings zur Energiewende' – bis auf Weiteres faktisch eingestellt."
Die gesamte Energiewende – so lautet das Fazit, das man aus der Lektüre dieses Berichts ziehen könnte – ist ein riskantes Spiel mit vielen Unbekannten und unzähligen Plänen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen, sowie einer völligen Weigerung, sich die wirklichen Ergebnisse auch nur anzusehen, dafür aber mit einem einzigen gesicherten Ergebnis: dass der Strom noch viel, viel teurer wird.
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