Gemeinsam in den Abgrund – Die Sicherheitsvereinbarung zwischen Deutschland und der Ukraine
Von Gert Ewen Ungar
Am 16. Februar unterzeichneten der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij und Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz die "Vereinbarung über Sicherheitszusammenarbeit und langfristige Unterstützung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine." Die Münchner Sicherheitskonferenz fand dieses Jahr unter dem Motto "Lose – Lose" statt. Es passt auch auf die Vereinbarung zwischen Kiew und Berlin. Das bilaterale Bündnis ist auf zehn Jahre angelegt und kann verlängert werden.
Es bindet die Ukraine und Deutschland vor allem wirtschaftlich und militärisch enger aneinander. Vorrangiges Ziel der Vereinbarung ist aber, den Krieg in der Ukraine zu verlängern und zu verstetigen. Es sind keine Punkte enthalten, die einer Befriedung des Konflikts dienen. Die tatsächlichen Ursachen – die Verletzung der Sicherheitsinteressen Russlands – werden weder benannt, geschweige denn berücksichtigt, die Aufnahme der Ukraine in die NATO wird weiterhin angestrebt. Deutschland sagt schon vor dem Beitritt der Ukraine zur NATO eine enge militärische Zusammenarbeit zu, mit dem Ziel, die ukrainische Armee in die NATO-Streitkräfte zu implementieren. Man bleibt beim Wording vom "unprovozierten, illegalen und brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine".
"Alle Fähigkeitskoalitionen werden die Interoperabilität der ukrainischen und NATO-Kräfte verbessern."
Mit der Aufnahme der von Selenksij im sogenannten "Friedensplan" formulierten Ziele in die Vereinbarung machen beide Länder deutlich, an einer zeitnahen Beilegung der militärischen Handlungen und einer diplomatischen Lösung kein Interesse zu haben. Die Wiederherstellung der Grenzen von 1991 wird in der Vereinbarung genannt. Ein Tribunal zur Aburteilung Russlands sowie Reparationszahlungen Russlands an die Ukraine werden gefordert – damit hat sich Deutschland den ukrainischen Maximalforderungen des sogenannten "Friedensplans" nicht nur verbal angeschlossen, sondern sich vertraglich verpflichtet, zu deren Umsetzung beizutragen. Mit dieser Vereinbarung zeigt Deutschland seinen Willen, den Kriegszustand in Europa festzuschreiben.
"Deutschland ist unerschütterlich in seiner Unterstützung für die Unabhängigkeit,
Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb der Grenzen, die seit 1991 international anerkannt sind, einschließlich des Küstenmeers und der freien (maritimen) Wirtschaftszone. (...)Deutschland wird deshalb sein Engagement im Rahmen der 'Kerngruppe für die Einrichtung eines Sondertribunals zum Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine' fortsetzen. (...)
Die Teilnehmer werden weiter gemeinsam mit anderen, darunter Mitglieder der G7, daran arbeiten, im Einklang mit ihren jeweiligen Rechtssystemen und dem Völkerrecht alle möglichen Wege auszuloten, um der Ukraine dabei zu helfen, Kompensationsleistungen von Russland zu erhalten."
Dabei ist klar: Die gewaltsame Rückeroberung der Krim würde den Konflikt weiter eskalieren. In der aktuellen Situation gilt auch die Rückeroberung des von Russland bereits befreiten Gebiets im Donbass als wenig realistisch. Die Interessen der Menschen im Donbass und auf der Krim werden übergangen. Deren Wunsch nach Abspaltung wurzelt in der offenen Diskriminierung ihrer Kultur und Sprache durch Kiew. Das Kiewer Regime tötet mit westlicher Unterstützung Zivilisten in Donezk. Die Genozidabsicht wurde von hochrangigen ukrainischen Politikern öffentlich geäußert.
Die in der Vereinbarung verankerten Klauseln, die Ukraine habe sich an das Völkerrecht zu halten, sind angesichts des bisherigen Verlaufs die Hintertür, die sich Deutschland offen hält. Deutschland hat so die Möglichkeit auf die in der Vereinbarung gemachten Zusicherungen zu verweisen und sich in die Aussage flüchten, man wisse ansonsten von nichts. Diese Strategie verfolgt Berlin auch hinsichtlich des Genozids Israels an den Palästinensern.
Klar ist, die Vereinbarung zielt nicht auf eine Beendigung des Konflikts, sondern auf dessen Verlängerung und darauf, erneut die Kiewer Schreckensherrschaft über die Menschen im Donbass und auf der Krim zu etablieren.
Eine Rücknahme der Sanktionen ist nur für den Fall vorgesehen, dass alle Gebiete inklusive der Krim an die Ukraine zurückgegeben werden. Da dies unrealistisch ist, setzt sich Deutschland für dauerhafte Russlandsanktionen ein.
"Deutschland wird sich im Rahmen der EU und der G7 dafür einsetzen,
den Sanktionsdruck auf Russland aufrechtzuerhalten und die Umgehung von
Sanktionen zu bekämpfen, solange der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine fortdauert und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine nicht wiederhergestellt ist."
Deutschland will die Ukraine auch finanziell weiter unterstützen. Im laufenden Jahr sind 7,1 Milliarden Euro an direkter Militärhilfe geplant. Das ist mehr als in den vergangenen beiden Jahren zusammen. Im Jahr 2022 überwies Berlin 1,68 Milliarden Euro, im Jahr 2023 über 5 Milliarden Euro an Kiew. Dieses Geld ist für die deutsche Volkswirtschaft verloren. Es dient nicht dem Standort Deutschland, außer die Ukraine würde den gesamten Betrag dazu verwenden, Rüstungsgüter aus Deutschland zu kaufen. Dies käme dann der indirekten Subventionierung der deutschen Rüstungsindustrie gleich. Aber auch dann würde das Geld nur sehr begrenzt dazu dienen, die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands zu mindern.
Dabei kann es sich Deutschland derzeit nicht leisten, weiterhin auf Investitionen in die eigene Infrastruktur, den Wohnungsbau und die Digitalisierung zu verzichten. Deutschland hinkt ökonomisch bereits hinterher und befindet sich in der Rezession. Es hat durch die Sanktionen, an denen die Bundesregierung festhalten möchte, sein Geschäftsmodell verloren. Die Wirtschaftsforscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) rechnen daher auch dieses Jahr mit einem Rückgang des BIP. Die Zusagen, der Ukraine Milliarden aus dem Bundeshaushalt für Rüstung und Militär zukommen zu lassen, sind angesichts der wirtschaftlichen Situation in Deutschland unverständlich.
Die Grünen konnten zudem ihre Klima-Programmatik in der Vereinbarung unterbringen. Kiew verpflichtet sich demnach zu einer "Energiewende" nach deutschem Vorbild. Die Vereinbarung verspricht, dass Arbeitsplätze sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine entstehen werden. Bisher hat sich dieses Versprechen für Deutschland allerdings nicht erfüllt. Warum das in der Ukraine anders sein sollte, geht aus dem Dokument nicht hervor. Es ist reiner Wunschglaube.
"Die Teilnehmer werden daher auch innovative Ansätze für die wirtschaftliche Erholung verfolgen und den digitalen Wandel sowie Energieeffizienz und eine grüne Energiewende fördern."
Bereits im vergangenen Jahr hatte Wirtschaftsminister Habeck Investitionsgarantien für deutsche Unternehmen angekündigt, die in der Ukraine investieren – auch in Zeiten des Krieges, wohlgemerkt. Das ist ebenfalls in die Vereinbarung eingegangen. Gleichzeitig soll unter Beteiligung deutscher Rüstungskonzerne die Rüstungsproduktion in der Ukraine ausgeweitet werden.
Rüstungsunternehmen sind Ziel russischer Angriffe. Das wirtschaftliche Risiko für die Zerstörung von Rüstungsproduktionsstätten, die in Kooperation mit deutschen Konzernen geführt werden, wird dann Deutschland tragen.
Die Ukraine verpflichtet sich im Gegenzug zur Umsetzung neoliberaler Politik. Public Private Partnership, der Verkauf von Staatseigentum und günstige Bedingungen für private Investoren werden explizit in der Vereinbarung genannt. Der Ukraine soll zum wirtschaftlichen Niedergang als Kriegsfolge noch eine neoliberale Schock-Strategie verpasst werden.
Sicherlich am problematischsten für den europäischen Kontinent als Ganzes ist, dass die Vereinbarung suggeriert, Sicherheit in Europa sei in Opposition und Konfrontation zu Russland möglich. Sicherheit gibt es jedoch nur dann, wenn auch Russland Teil des Sicherheitskonzepts ist und sich keiner Bedrohung ausgesetzt sieht. Das Übergehen russischer Sicherheitsinteressen ist der Auslöser des Konflikts. Daran festzuhalten, zementiert ihn. Mit der bilateralen Vereinbarung zwischen der Ukraine und Deutschland wird die Konfrontation in Europa vertraglich dauerhaft festgeschrieben.
Um es klar zu sagen: Frieden ist nicht das Ziel dieser Vereinbarung zwischen Deutschland und der Ukraine. Ziel ist es, den Konflikt in Europa zu verstetigen. Die von Scholz und Selenskij unterzeichnete Vereinbarung ist daher zum Nachteil sowohl der Ukraine als auch Deutschlands und Europas. Für die deutsche Wirtschaft sind die gemachten Zusagen verheerend. Positive Effekte sind nicht zu erwarten.
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