AFD-Verbot könnte nach hinten losgehen: Bundestag will populäre rechtsgerichtete Partei verbieten
Von Tarik Cyril Amar
Bei wirklich schlechten Ideen stellen sich oft zwei Fragen. Erstens: Warum wird sie nicht funktionieren? Zweitens: Warum wäre sie schädlich, wenn sie funktionieren würde? Diese Logik gilt in Deutschland, wo derzeit viel über die wirklich schlechte Idee diskutiert wird, die Alternative für Deutschland (AfD) zu verbieten.
Der Hintergrund der Debatte ist simpel. Die AfD wurde vor zehn Jahren gegründet und hat sich als fester Bestandteil der politischen Landschaft etabliert. Sie ist eine rechtspopulistische Partei (in etwa vergleichbar mit der österreichischen FPÖ) und vereint Politiker und Wähler aus einem breiten Spektrum von Positionen. Dieses reicht bei der AfD von stramm konservativ bis weit rechts außen.
Noch ist die AfD vergleichsweise klein, aber sie ist dennoch bedeutsam. Mit derzeit etwas mehr als 40.000 Mitgliedern verfügt sie über 78 von 736 Sitzen im Bundestag. Auch in 14 von 16 Landesparlamenten ist sie mit 242 von 1898 Sitzen (alle Landesparlamente zusammengenommen) gut vertreten. Ihr Einfluss auf die nationalen Debatten geht weit über dieses quantitative Gewicht hinaus.
Vor allem aber ist die AfD sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene erfolgreich. Würden die Deutschen heute den Bundestag – und damit faktisch das Kanzleramt – wählen, käme die AfD auf 23 Prozent. Zum Vergleich: Die traditionelle Mitte-links-Partei SPD, die die unglückliche Koalitionsregierung anführt, käme auf 14 Prozent. Alle Parteien der Regierungskoalition (SPD, Die Grünen und die marktliberale FDP) kommen zusammen nur auf 31 Prozent Zustimmung.
Auf regionaler Ebene zeigt sich ein weitgehend ähnliches Bild, wobei die AfD in den neuen Bundesländern besonders stark zulegen konnte. In Brandenburg zum Beispiel liegt die AfD in einer Umfrage mit 28 Prozent an der Spitze und damit sowohl vor der konservativen CDU (18 Prozent) als auch vor der SPD (17 Prozent). Zu allem Überfluss übertrifft AfD-Vize-Chef Tino Chrupalla auch noch den SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz auf der persönlichen Beliebtheitsskala, was zugegebenermaßen eine niedrige Messlatte ist. Denn Scholz hat es geschafft, zu einem der unbeliebtesten deutschen Politiker überhaupt zu werden.
Kein Wunder, dass Deutschlands unterqualifizierter und etwas hysterischer Wirtschaftsminister Robert Habeck, in dessen Kopf ganz Russland mietfrei zu wohnen scheint, öffentlich halluziniert, die AfD wolle aus Deutschland einen Staat wie Russland machen. Die Ironie dabei ist freilich, dass bei Habecks eigenem, schlecht geführten Ministerium nicht wenige Deutsche gerne die Wachstumsraten Russlands hätten.
Eine solche Rhetorik sowie der Zeitpunkt, zu dem die Idee eines Verbots der AfD ins Spiel gebracht wird, verraten: Der Versuch, die Idee eines Verbots der AfD populär zu machen, ist eine opportunistische Reaktion auf ihr wachsendes Wahlgewicht – was natürlich nicht offen zugegeben werden kann. So argumentieren die Verbotsbefürworter, die AfD sei eine extremistische Partei.
Entscheidend ist jedoch, dass Extremismus eine bestimmte, juristisch (und eng) definierte Bedeutung hat. Nach dem Grundgesetz (Art. 21 Abs. 2) kann das Bundesverfassungsgericht (und nur das Bundesverfassungsgericht) eine Partei verbieten, wenn sie die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder ihren Bestand selbst ernsthaft gefährdet. Ein wichtiger und oft übersehener Vorbehalt ist, dass es nicht ausreicht, dass eine Partei sich verfassungsfeindlich verhält. Ein Verbot kommt nur dann in Betracht, wenn die Partei dies in einer "aktiv-kämpferischen, aggressiven Weise" tut, wie es das deutsche Innenministerium formuliert.
Nur zwei Parteien wurden jemals verboten, eine rechtsextreme im Jahr 1952 und eine linksextreme im Jahr 1956. Auch andere Versuche, Parteien zu verbieten (bzw. die gleiche Partei), sind zweimal gescheitert: 2003 und 2017 lehnte das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der rechtsextremen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) ab.
Aus diesem Grund ist ein Verbot der AfD eine schlechte Idee, denn es ist unwahrscheinlich, dass es funktionieren wird:
Generell ist es nach dem Prinzip des Parteienprivilegs im deutschen Recht glücklicherweise schwierig, Parteien zu verbieten. Um sowohl dem Gesetz als auch der Rechtsprechung zu genügen, müssen zwei wichtige Kriterien erfüllt sein: Eine Partei muss sich nachweislich gegen die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland richten und zudem eine reelle Aussicht auf Erfolg haben.
Das zweite Kriterium ist der Grund, warum das Bundesverfassungsgericht die NPD 2017 nicht verboten hat, obwohl ihr Programm offen faschistische Züge aufweist. Vereinfacht gesagt, hielt das Gericht die NPD zwar für hinreichend böse, aber nicht für bedeutend genug, um sie zu verbieten.
Was die AfD betrifft, so könnten ihre Gegner natürlich argumentieren, dass sie tatsächlich Einfluss hat und noch mehr Einfluss haben wird. Allerdings hätten es die Gegner der AfD ungleich schwerer als bei der NPD: Während die NPD programmatisch eine klare Politik verfolgt, die mit dem Grundgesetz grundsätzlich unvereinbar ist, ist dies bei der AfD nicht der Fall. Sie ist programmatisch eine rechtspopulistische Partei (für die ich offen gesagt keine Sympathien hege), aber sie stellt das Grundgesetz nicht grundsätzlich in Frage. Würde sich ein Verbotsverfahren allein auf Parteiprogramme stützen, wäre der Versuch, die AfD zu verbieten, aussichtslos.
Solche Fälle hängen jedoch auch von einer anderen Art von Beweisen ab. Um eine politische Partei zu verbieten, bedarf es einer großen Menge belastenden Materials, wie es nur Geheimdienste sammeln können. Um es ganz offen zu sagen: Bevor man hoffen kann, eine Partei zu verbieten, muss man sie ausspionieren –und zwar ausgiebig –, auch durch verdeckte Ermittler innerhalb der Partei. Darin liegt übrigens die eigentliche Bedeutung der Tatsache, dass die deutschen Nachrichtendienste (in den Ländern und auf Bundesebene) die AfD offiziell als grundsätzlich verdächtig einstufen. Über die Chancen eines Verbotsverfahrens sagt diese Einstufung wenig aus. Sie bedeutet vielmehr, dass sich die Schnüffler an die Arbeit machen können.
Es ist diese Frage, ob die AfD systematisch über ihr wahres Wesen und ihre Absichten lügt, die die jüngsten Enthüllungen über mindestens ein Geheimtreffen mit anderen Vertretern der extremen Rechten so nachhallend macht. Dort wurde über konspirative Pläne zur Ausweisung – euphemistisch "Remigration" genannt – auch von Inhabern deutscher Pässe gesprochen, was direkt gegen das Grundgesetz verstößt. Doch selbst solche Treffen allein reichen für ein Verbot nicht aus.
Aber auch hier gibt es für die Verbotsbefürworter eine Kehrseite der Medaille. Würde eine der drei Institutionen (Parlament, Bundesversammlung und Regierung), die rechtlich dazu befugt sind, tatsächlich ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht einleiten, müssten alle V-Leute sofort abgeschaltet werden. Tatsächlich war es die Tatsache, dass in der NPD noch V-Leute aktiv waren, die den ersten Verbotsantrag gegen diese Partei im Jahr 2003 scheitern ließ.
Zusammen mit der Tatsache, dass solche Verfahren Jahre dauern, ergibt sich ein paradoxer Effekt. Mit der Eröffnung des Verfahrens wäre die AfD zumindest offiziell und in dem Sinne aus dem Visier der inneren Sicherheit befreit, dass keine Beweise aus einer fortgesetzten Bespitzelung gegen sie verwendet werden könnten.
Die Tatsache, dass es so lange dauert, bis über ein Verbotsverfahren entschieden wird, bedeutet auch, dass es keine Möglichkeit gibt, dem aktuellen Aufstieg der AfD mit einem Verbot zu begegnen. Ein Verbot käme viel zu spät, um beispielsweise Auswirkungen auf die bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen zu haben. Würde ein Verbotsverfahren jetzt eingeleitet, würde die AfD wahrscheinlich nur noch davon profitieren, wenn sie die Opferkarte spielt.
Nicht zuletzt hat ein Verbotsverfahren einen weiteren paradoxen Effekt. Wenn es scheitert, wird das Verfassungsgericht zwar nur in der juristischen Theorie feststellen, dass es nicht genügend Beweise für ein Verbot gibt. In der politischen Realität aber würde die AfD ein solches Ergebnis als Beweis dafür präsentieren, dass sie so sauber ist, wie sie nur sein kann. Raten Sie mal, welche Geschichte bei den Wählern besser ankommen würde.
Das bringt uns zum zweiten Aspekt, warum der Versuch, die AfD zu verbieten, eine schlechte Idee ist. Im unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbots wären die Folgen für die deutsche Politik äußerst nachteilig. Zum einen würden viele Wähler ein Verbot als Betrug ansehen, als Missbrauch einer Notstandsoption, um gegen einen politischen Konkurrenten vorzugehen. Und sie hätten recht. Denn selbst wenn wir das Schlimmste von dem annehmen, was die AfD wirklich ist und will, so müssen wir die gleiche Skepsis auch auf diejenigen anwenden, die sie verbieten wollen, und ebenso auf deren Motive.
Zweitens ist das Thema ein Lehrbeispiel für Polarisierung. Nach einer neuen Umfrage würden 42 Prozent der Deutschen ein Verbotsverfahren begrüßen. Wie viele sind dagegen? Ebenfalls 42 Prozent. Viel Glück!
Drittens: Die Politiker, aus denen die AfD besteht, und die Wähler, die sich auf ihre Seite schlagen, würden natürlich nicht einfach verschwinden. Im Gegenteil, sie würden versuchen, sich neu zu organisieren und neu anzufangen. Und die Erfahrung eines Verbots würde sie noch weiter vom politischen System entfremden. Und da die AfD keine kleine Partei mit einer winzigen Wählerschaft ist, wäre dieser Effekt besonders nachteilig.
Schließlich würde die allgemeine Legitimität – im praktischen Sinne der grundsätzlichen Akzeptanz durch viele Bürger – der übrigen Parteien in Deutschland, insbesondere derjenigen, die sich an einer Verbotskampagne gegen die AfD beteiligt haben, weiter sinken. Ironischerweise würden gerade die Parteien, die vorgeben, einen aufkommenden Autoritarismus zu bekämpfen, nicht nur als autoritäre Taktiker wahrgenommen, sondern auch als solche, die dies aus egoistischen und unehrlichen Motiven tun. Und das aus gutem Grund.
Ein Dilemma? Vielleicht. Lässt es sich durch ein Verbot der AfD lösen? Nein, mit Sicherheit nicht.
Aus dem Englischen
Tarik Cyril Amar ist Historiker an der Koç-Universität in Istanbul, befasst sich mit Russland, der Ukraine und Osteuropa, der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, dem kulturellen Kalten Krieg und der Erinnerungspolitik. Man findet ihn auf X unter @tarikcyrilamar.
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