Deutschland

Italienische Ermittlungen: Deutsche Flüchtlingsretter kooperieren mit kriminellen Schleppern

Ermittelnde italienische Behörden werfen auch einer deutschen NGO vor, seit Jahren mit kriminellen Schlepperorganisationen Hand in Hand zu arbeiten. Ein 650-seitiger Report aus dem Jahr 2020 belegt laut Auswertung demnach, dass deutsche Hilfsorganisationen in Libyen und Italien mit Schleusern kooperiert haben.
Italienische Ermittlungen: Deutsche Flüchtlingsretter kooperieren mit kriminellen SchleppernQuelle: AFP © NORA BÖRDING / SEA-WATCH

Die Vorwürfe sind detailliert belegt, die entsprechenden deutschen NGOs zeigen sich empört, was wenig überraschend ist. Das Nachrichtenmagazin Focus wertete einen 650-seitigen Report italienischer und sizilianischer Strafverfolger aus, der demnach belege, dass namentlich genannte und mittlerweile angeklagte Hilfsorganisationen bewusst mit Schleusern zusammengearbeitet haben. So heißt es in dem Artikel:

"Der Report zeigt auch anhand von Bildern und Videos, wie eng Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie 'Jugend Rettet', 'Save the Children' oder 'Ärzte ohne Grenzen' mit libyschen Menschenhändlern kooperiert haben sollen."

Crew-Mitglieder des Schiffs von "Jugend Rettet" sind aktuell in Italien wegen Unterstützung von Schleuserkriminalität angeklagt. Dazu heißt es in dem Artikel, dass im vergangenen Jahr die Staatsanwaltschaft der in Westsizilien liegenden Stadt Trapani insgesamt "21 Beschuldigte wegen der Beihilfe zur illegalen Einreise von Migranten nach Italien angeklagt" habe. Alle gelisteten Organisationen würden sämtliche Anschuldigungen mit Nachdruck zurückweisen. Die niedergeschriebenen Tatvorwürfe liegen dabei bereits sechs bis sieben Jahre zurück, würden jedoch laut den Ermittlungen bis in die Gegenwart fortgesetzt werden. Der Vorwurf der sizilianischen Strafverfolger lautet unter anderem, die Ermittler würden davon ausgehen, dass "die systematischen Bergungsaktionen der NGOs nahe an der libyschen Küste das Schleusergeschäft erleichtern".  

Die damit verknüpften Probleme zeigen sich unter anderem in der Tatsache, dass ein großer Teil der mehr als unsicheren und lebensgefährdenden Schlauchboote von Libyens Küste zur zentralen Seeroute von Nordafrika nach Italien starten. Daraus ergebe sich laut dem Focus die fatale Situation:

"Ausgebeutet durch skrupellose Schlepper-Banden riskieren die Zuwanderer aus arabischen, asiatischen oder afrikanischen Staaten ihr Leben, um in den gelobten Westen zu gelangen."

Aktuell seien seitens der Behörden alleine in Italien für 2023 "bisher knapp 130.000 Zuwanderer gemeldet, doppelt so viele wie im Jahr zuvor". Dafür mitverantwortlich sind nachweislich deutsche und internationale NGOs. Für Deutschland gerät dabei die Hilfsorganisation "Jugend Rettet" in den Fokus der Ermittler. Videoauswertungen hätten gezeigt:

"Gemeinsam ging es zur 'Iuventa', einem Schiff der deutschen Hilfsorganisation 'Jugend Rettet'. Dort plauderten die Schlepper noch ein wenig mit der Crew, während die Migranten hoch auf das deutsche Schiff kletterten. Eine Szene, wie es sie ausweislich italienischer Ermittlungen oft gab: Menschenhändler bringen die Flüchtlinge nur wenige Kilometer weit vor der nordafrikanischen Küste hinaus zu Treffpunkten mit den Schiffen internationaler Hilfsorganisationen."

Beschlagnahmter E-Mail-Verkehr von "Jugend Rettet" aus dem März 2017 würde so zum Beispiel belegen, dass demnach Mitglieder der internationalen Organisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF – Médecins sans frontières) "beim Treffen im Januar (2017) in Berlin angedeutet haben, dass sie darüber nachdenken würden, in besonderen Fällen mit Schmugglern zu kooperieren", legte in dieser E-Mail eine deutsche Aktivistin dar. Die Welt wusste in einem Artikel aus dem Jahr 2017 zu berichten:

"Ein weibliches Besatzungsmitglied der 'Iuventa' erklärte den Ermittlern zufolge in einem abgehörten Gespräch, Fotos von Schleusern würden nicht an die italienischen Behörden übergeben, damit es nicht zu Festnahmen komme."

Diesbezüglich hätten weiterte Ermittlungen laut dem Focus-Artikel ergeben:

"So verwundert es nicht, dass etwa die Anwälte der Berliner NGO 'Jugend Rettet' mit ihren Einsprüchen gegen den Strafprozess – gegen Mitglieder der Bootsbesatzung – vor Gericht im Juni 2023 scheiterten."

Die ausbleibende Verwunderung im Focus-Artikel resultiert offenbar aus der Erkenntnis, dass "mit der ultrarechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die italienische Regierung den Kurs gegen die Seenotrettungs-Organisationen nochmals verschärft" hätte. Erweiterungen der Anklageschriften und Vorwürfe an die NGOs würden lauten:

"Schließlich wiegen die Vorwürfe der italienischen Ermittler schwer und sind detailliert belegt. Laut dem Ermittlungsbericht sollen die englische Organisation 'Save the Children' mit ihrem Schiff Vos Hestia, die internationale NGO 'Ärzte ohne Grenzen' mit der Vos Prudence sowie 'Jugend Rettet' mit der Iuventa 'ein komplettes System zur Organisation, Erleichterung und Unterstützung der illegalen Einwanderung auf der Grundlage von Schiffen entworfen' haben."

Im Report wird der naheliegende Vorwurf formulierte, über die medial kolportierten dramatischen Bilder "soll der Öffentlichkeit ein positives Bild der Hilfsaktionen vermittelt werden". Weiter heißt es in der Veröffentlichung:

"Etliche Fotos ihrer Rettungsaktionen veröffentlichten die Hilfswerke im Internet oder über die Medien. In erster Linie verfolgte man das Ziel, neue Spenden zu generieren ... Die Retter durften sich als Helden feiern lassen, wenn sie Menschen vor dem Ertrinken bewahrten."

Auf der Webseite der deutschen Hilfsorganisation heißt es in den Darlegungen zur Motivation der Aktivitäten, es handele sich um ein "Netzwerk junger Menschen, die sich organisiert haben, um gegen das Sterben im Mittelmeer anzukämpfen". Mit dem 2016 erworbenen Schiff wären "bereits mehr als 14.000 Menschen aus Seenot gerettet" worden. Ziel sei es "der humanitären Katastrophe auf dem Mittelmeer und dem kollektiven politischen Versagen an europäischen Außengrenzen" entgegenzuwirken.

Zu den strafrechtlichen Vorwürfen der italienischen Behörden heißt in einer Mitteilung wenig einsichtig:

"Wir werden uns von dieser Kriminalisierungskampagne nicht einschüchtern lassen! Wir werden weiterhin – in Solidarität mit allen anderen, die derzeit angeklagt und ausgegrenzt werden – unser Gesicht zeigen und unsere Stimmen im Gerichtssaal, in Diskussionen, Protesten und anderen direkten Aktionen erheben!" 

Pressesprecher der die Schleuser unterstützenden Gruppe ist seit dem Jahr 2017 Philipp Külker, der im Jahr 2018 auch an dem seitens EU finanzierten "Human Rights Defenders World Summit" teilnahm. Auf der jüngsten TINCON-Konferenz, einer Konferenz der gemeinnützigen "TINCON gGmbH" für Jugendliche und junge Erwachsene, "die sich rund um das Leitthema 'digitale Jugendkultur' dreht", war er im Juni dieses Jahres als Vortragsredner eingeladen. Die Konferenz wurde unter anderem sogar vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend offiziell gefördert. Zuständige Ministerin dieses Ressorts ist Lisa Paus von Bündnis 90/Die Grünen.

Auf der Webseite von "Jugend Rettet" heißt es weiterhin vorwurfsvoll:

"Stattdessen finanzieren die europäischen Staaten nun die Akteure, die gestern skrupellose Schlepper waren, damit sie heute im Dienste Europas Flüchtende von der Überfahrt abhalten. Währenddessen werden wir daran gehindert, mit unseren Rettungsmissionen die humanitäre Katastrophe zu dokumentieren und Menschenleben zu retten."

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