Preistreiberei bei Lebensmitteln für Extraprofite: Bundesregierung setzt Kontrollgesetz nicht um
Von Susan Bonath
Die Bevölkerung in Deutschland leidet unter anhaltend hohen Lebensmittelpreisen. Vor allem Grundnahrungsmittel kosten teils erheblich mehr als noch vor eineinhalb Jahren, wobei es starke Schwankungen innerhalb bestimmter Produktgruppen wie etwa Milcherzeugnissen gibt.
Laut Verbraucherverbänden liegt das nicht allein an der Inflation. Sie warnen vor unlauteren Methoden zur Profitmaximierung großer Einzelhandelsketten – zum Schaden von Verbrauchern und kleinen Betrieben. Doch mit dem Schutz Letzterer hat es die Bundesregierung nicht eilig: Seit über zwei Jahren setzt sie ein verabschiedetes Gesetz nicht um. Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) soll dies auch nächstes Jahr so bleiben, denn der Bund verweigert die Mittel.
Verbraucherschutzgesetz nicht umgesetzt
Unlautere Praktiken der Handelsmonopolisten wie etwa Preisabsprachen oder einseitige Vertragsbrüche hinsichtlich der Abnehmerpreise sind nicht neu. Deshalb hatte der Bundestag im Mai 2021 beschlossen, eine "Ombudsstelle für mehr Fairness in der Lebensmittelversorgungskette" einzurichten. Dieser unabhängig arbeitenden Institution sollen anonym Verstöße gemeldet werden können, um dagegen vorgehen zu können. Außerdem sollte die Einrichtung die tatsächlichen Produktionskosten überwachen. Mit dem Gesetz folgte der Bundestag einer EU-Richtlinie für Verbraucherschutz.
Doch das Papier, auf dem die Gesetze geschrieben stehen, ist ersichtlich geduldig. Denn umgesetzt wurde das geplante Gremium bis heute nicht. Mehr noch: Auch für den Haushalt für das kommende Jahr sind keine Mittel dafür eingeplant. Dies beklagt jetzt die Gewerkschaft NGG in einer Pressemitteilung. Ihr Vorsitzender Guido Zeitler wandte sich darin direkt an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) und bekräftigte die Notwendigkeit einer solchen Ombudsstelle.
"Angesichts des hohen Anteils der Ausgangsstoffe, wie zum Beispiel Getreide, am Bruttoproduktionswert eines Produktes, ist es für das Nachvollziehen der Preisentwicklung von Lebensmitteln von großer Bedeutung, die Gestehungskosten [Anm. d. Autorin: Herstellungskosten] transparent zu machen. Wäre die Kostenstruktur bekannt, würde dies auch eine präzisere Bewertung des Anteils von Spekulationen an der Preisbildung ermöglichen."
Große Ketten setzen kleine Produzenten unter Druck
Eine unabhängige Einrichtung, die einzelne Preisbestandteile kontinuierlich beobachtet, untersucht und statistisch erfasst, sei zwingend notwendig, um die unfairen Handelspraktiken der Einzelhandelsmonopole unter Kontrolle zu behalten und notfalls einzugreifen.
Der NGG-Chef spricht von den "großen Vier". Dazu zählt er die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland sowie Edeka, Rewe und Aldi, also die führenden Supermarktketten, die Nahrungsmittel anbieten. Diese bestreiten nach Einschätzung der Gewerkschaft 85 Prozent des täglichen Geschäfts mit Brot, Fleisch, Gemüse, Milchprodukten und anderen Nahrungsgütern. Zeitler warnt:
"Mit unfairen Handelspraktiken schnüren sie vielen Lebensmittelproduzenten die Luft ab – und der Druck auf viele tausend Arbeitsplätze in der Ernährungsindustrie steigt."
Macht der Monopole nicht auf der Tagesordnung
Dass sich im Rahmen kapitalistischer Produktionsverhältnisse Monopole herausbilden, die Marktpreise und Bedingungen bestimmen, liegt auf der Hand. Ihr Machtgebaren im Einzelhandel ist auch dem Münchner ifo Institut aufgefallen, das einer marxistischen Analyse völlig unverdächtig ist. Wie die Tagesschau kürzlich berichtete, wies dieses bereits letztes Jahr darauf hin, dass der rapide Anstieg zahlreicher Lebensmittel nicht allein mit der Inflation erklärt werden könne.
Auch Sven Reuter, Geschäftsführer der Great Value Group, die "Potenziale für Markterfolg" erschließen will, rätselte gegenüber dem meinungsführenden öffentlich-rechtlichen Format: "In den letzten eineinhalb Jahren sind deutlich über 70 Prozent aller Produkte teurer geworden." Bei vielen Lebensmitteln sehe man erhebliche Preissprünge ohne einen nachvollziehbaren Grund, so Reuter. Er erläuterte dies anhand gravierender Unterschiede bei den Verbraucherpreisen für verschiedene Milchprodukte.
Reuters Erkenntnis, wonach Hersteller und Händler den Markt und die Konkurrenz genau beobachten, ist nun nicht besonders neu. Genauso wenig verwundert seine Feststellung, dass Konzerne sich sagten: "Wenn dieser Hersteller den Preis verlangen kann, dann können wir das auch verlangen." Natürlich geht es wie bei allem unternehmerischen Treiben um maximalen Profit.
Auf das Problem der Finanzmacht großer Ketten, die mittels Preisabsprachen kartellähnlich agieren und einseitige Verträge von Produzenten erpressen, kommt Reuter nicht zu sprechen. Auch eine Lösung hat er ebenso wenig parat wie andere zitierte "Marktexperten". Und die Bundesregierung scheint sich eher geringe Sorgen um die kontinuierliche Machtverschiebung nach ganz oben zu machen. Sonst hätte sie das Gesetz zum Schutz von Verbrauchern und Mittelstand wohl längst umgesetzt.
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