Wie durch die Vorenthaltung von Kanzlerakten Geschichte manipuliert wird
Von Felicitas Rabe
Offiziell muss das Kanzleramt nach Amtsende der jeweiligen Bundeskanzler die betreffenden Akten beim Bundesarchiv in Koblenz abgeben. Dort stünden die Unterlagen dann für Journalisten und Wissenschaftler zur Recherche bereit. In ihrem neuen Dokumentarfilm "Die geklauten Kohlakten – wie Geschichte manipuliert wird" zeigt die Journalistin Gaby Weber jedoch, wie weit man sich in der Bundesrepublik vom offiziellen Prozedere verabschiedet hat. Die Dokumentation wurde am 23. August auf dem Youtube-Kanal von Gaby Weber veröffentlicht. Dort findet man auch eine Zusammenfassung der Filmemacherin.
Der Film startet mit dem Umgang von privat gelagerten Regierungsunterlagen in den USA. Dort ließ die Bundespolizei im Auftrag des US-Bundesarchivs NARA in den Privaträumen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump die von ihm mitgenommenen Regierungsunterlagen beschlagnahmen.
In Deutschland würden die Kanzlerakten demgegenüber häufig in parteinahen Stiftungen landen. Dort stünden sie dann der Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung. So seien die Unterlagen im Falle der Regierung Kohl, nach seinem Amtsaustritt im Jahre 1998, zunächst bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und schließlich 2010 in seinem Privathaus in Oggersheim gelagert worden. Sein Biograph habe sie vor Ort ausgewertet. Seit dem Tod des Ex-Kanzlers würden sie in Kohls Privathaus von seiner Witwe bewacht. Nach dem Strafgesetzbuch erfülle diese rechtswidrige Vorenthaltung den Tatbestand des "Verwahrungbruchs". Dies bezeugte auch der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann:
"Das Bundeskanzleramt hat sein dienstliches Schriftgut vollständig dem Bundesarchiv anzubieten. Dass das nicht der Fall ist in der Realität, wissen wir alle."
Der Kommentator des Bundesarchivgesetzes und des Informationsfreiheitsgesetzes, Rechtsanwalt Christoph Partsch, äußerte sich ebenfalls dazu:
"Es hat sich eingebürgert, dass Bundeskanzler die Dokumente mit nach Hause nehmen, mit dem Ziel, sie im eigenen Interesse zu kommerzialisieren, während sie gleichzeitig anderen den Zugang zu diesen Unterlagen versagen. Damit manipulieren sie die Geschichte."
Gleich bei mehreren Recherchen habe Gaby Weber Unterlagen im Bundesarchiv in Koblenz vermisst: So bei ihrer Recherche zu dem Kommentator der Nürnberger Rasseschutzgesetze Hans Globke, der später Kanzleramtschef unter Konrad Adenauer wurde. Seit 2010 klage sie auf Herausgabe der Akten, die bei der Konrad-Adenauer-Stiftung lagern. Inzwischen liege der Fall beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Auch bei ihrer Recherche zu den Seilschaften von Helmut Kohl in Südamerika und zu seiner Rolle innerhalb dieser lägen die Unterlagen nicht in Koblenz. Ebenso wenig könne sie seine Rolle bei der Privatisierung der Leunawerke zurückverfolgen.
Aus diesem Grund habe Gaby Weber die Kohl-Witwe bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und das Kanzleramt auf Wiederbeschaffung der Kohlakten verklagt. Im März 2023 habe das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klage abgewiesen. Ihr Rechtsanwalt Raphael Thomas habe jetzt Verfassungsbeschwerde eingereicht. Der Jurist kommentierte:
"Diese Akten gehören dem Volk. Aber man hat den Eindruck, dass sie mit ihnen machen können, was sie wollen. Das kann nicht sein."
Die Dokumentation wird schließlich zu einem Krimi: Einen Tag nach der Entscheidung des Leipziger Gerichts, habe der Spiegel in einer kleinen Notiz vermeldet, die Akten aus dem Oggersheimer Keller seien verschwunden:
"So fehlen die Originale von 70 Dokumenten, die Historiker des Instituts für Zeitgeschichte noch zu Kohls Lebzeiten in dessen Privathaus in Oggersheim kopiert haben."
Dies habe das Institut für Zeitgeschichte gegenüber der Journalistin bestätigt.
Gaby Weber hatte die Klagen auf Aktenzugang mit Crowdfunding finanziert. Direkt nach ihrer Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht sperrte Paypal ihr Konto. Weber fragt sich im Film deshalb: "War es ein Zufall, dass Paypal mein Konto sperrte, als ich gerade den Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht verloren hatte? Irgendjemand muss mich bei Paypal denunziert haben."
Daraufhin habe sie bei Paypal protestiert. Sie habe ihrem Protestschreiben einen Artikel über ihren Prozess hinzugefügt und einen Hinweis, "dass das, wofür ich prozessiere, in den USA das FBI erledigt." Am nächsten Tag sei das Konto wieder freigegeben worden.
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