"Ich sollte politisch vernichtet werden" – Hubert Aiwanger über die Kampagne gegen seine Person
Seit rund einer Woche sieht sich Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der stellvertretende bayerische Ministerpräsident sowie bayerische Wirtschaftsminister, mit einer mehr als aggressiven medial-politischen Kampagne konfrontiert. Diese läuft nun wenige Wochen vor den anstehenden Wahlen in Bayern. Die massiven Vorwürfe beziehen sich auf spekulative und nur teilweise belegte Vorwürfe und Ereignisse, die rund 35 Jahre zurückliegen. Aiwanger wird dabei auf mehreren Ebenen unterstellt, in seiner Schulzeit als sympathisierender "Rechter" und "Antisemit" negativ aufgefallen zu sein. Als Bundes- und bayerischer Landesvorsitzender der Freien Wähler erklärte er nun erstmalig seine Sicht auf die diskreditierenden Vorwürfe.
Aiwanger gab der dem Springer-Verlag zugehörigen Tageszeitung Die Welt am 31. August ein Interview. Zuvor an diesem Tag gab der Politiker bereits eine Erklärung im Rahmen einer Pressekonferenz ab. Der Welt-Artikel trägt die Überschrift (Bezahlschranke):
"Ich sollte politisch vernichtet werden"
Kurz vor Beginn des Telefoninterviews bittet Aiwanger dabei um einen Rückruf, da die ebenfalls dem Springer-Verlag zugehörige Bild-Zeitung in einem Artikel eine "weitere Zeugin" präsentierte, eine Mitschülerin aus den 1980ern, die behauptet, "er – Aiwanger – habe als Schüler 'Mein Kampf' mit sich herumgetragen". Aiwanger hatte sich zudem Mitte der Woche missverständlich in einem Fernsehinterview geäußert, als er versicherte, "kein Antisemit, sondern ein Menschenfreund, zumindest als Erwachsener in den letzten Jahrzehnten" gewesen zu sein. Bild-Redakteur Ronzheimer kommentierte daraufhin süffisant auf X (Twitter): "Das war's für Hubert Aiwanger." Tim Röhn von der Welt-Redaktion wollte diese Äußerung von Aiwanger einleitend erläutert bekommen, dieser antwortete kurz und knapp:
"Das war von mir in einem Kamerainterview zwischen Tür und Angel missverständlich formuliert. Ich war nie ein Antisemit."
Aiwanger empfindet alle Vorwürfe und Gerüchte gegen seine Person "als äußerst dubios". Der Welt-Redakteur möchte dann erfahren, ob die von Aiwanger auf X (ehemals Twitter) gemutmaßte These, "Opfer einer Kampagne" geworden zu sein: "So einfach ist die Sache für Sie?" Der Beschuldigte erläutert:
"Ich bin überzeugt davon, dass die Süddeutsche Zeitung (SZ), womöglich mit Hilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant hatte, mich massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten. Damit sollten die Freien Wähler geschwächt und Stimmen auf andere Parteien gesteuert werden. Konkreter: Unsere Partei sollte raus aus der Regierung – und Die Grünen rein."
Aiwanger sei sich sicher, dass "diese Skandal-Berichterstattung nicht gemacht worden wäre, wenn wir in den Umfragen unter zehn Prozent liegen würden". Bezugnehmend auf den schwerwiegendsten Vorwurf, die unterstellte "Urheberschaft eines antisemitischen Flugblatts aus dem Jahr 1988", stellt Aiwanger klar:
"Man muss sich schon fragen, wie solche Gemeinheiten produziert werden. Von den Vorwürfen bleibt übrig, dass ein Blatt oder wenige Blätter eines abscheulichen Papiers in meiner Tasche gefunden wurden. Weder die behauptete Verbreitung noch die behauptete Urheberschaft durch mich. Insofern wurde hier offenbar absichtlich gelogen und eine Verdachtsberichterstattung mit schwerwiegenden Folgen praktiziert."
Der Interviewer möchte dann im Detail dargelegt bekommen, wie die "Causa Flugblatt" über die Tage an Dynamik gewonnen hätte. Dabei geht es auch um die Rolle des Bruders von Hubert Aiwanger, der mit gewisser Verzögerung medial bekannt gab, selbst der Verfasser des beanstandeten Flugblatts gewesen zu sein. Auf die Frage, warum Hubert Aiwanger dieses Detail nicht von vornerein kommuniziert hätte, lautet seine Erklärung:
"Schon aus der Fragestellung der Anfrage – der SZ – waren viele Unwahrheiten zu erkennen. Ich wusste ja, dass ich nicht der Urheber war. In dem Moment habe ich einfach nicht gesehen, dass ich hier jetzt für Aufklärung sorgen sollte."
Nach erneutem Nachhaken seitens des Welt-Redakteurs ergänzt Aiwanger:
"Wie gesagt: Schon in den SZ-Fragen steckten Unwahrheiten. Da hieß es, sie hätten Zeugenaussagen bezüglich der Urheberschaft. Ich wusste ja, dass das gar nicht sein kann. Dass die mit falschen Karten spielen. Also wollte ich denen nicht im Vorfeld alles auf den Tisch legen."
Schlussendlich sollte der Bruder befragt werden, sollten weitere Punkte geklärt und erläutert werden müssen. Röhn möchte dann wissen: "Was war das damals für eine Zeit?" und in Bezug auf die seitens medialer Berichterstattung präsentierten Aussagen von vermeintlichen Zeitzeugen zu "einem Problem mit Rechtsextremismus, mit Holocaust-Verharmlosung":
"Dieser Eindruck trügt. Diese Zustände gab es so nicht. Es werden jetzt von den Medien nur diese Leute gehört, die behaupten, dass es damals so gewesen sei. Menschen, die etwas anderes berichten, werden ignoriert. Ich glaube, dass die Wahrnehmung verzerrt und einseitig ist."
Aiwanger stellt klar, "auf alle Fälle" sei er nicht der, "als der ich jetzt dargestellt werde – als Menschenfeind". Und er rechtfertigt sich weiter:
"Ich war hilfsbereit, habe andere unterstützt und war niemand, der anderen etwas Böses wollte. Wissen Sie, ich bin kein böser Mensch. Ich verstehe nicht, warum man dieses Bild von mir zeichnet."
Zum immer wiederkehrenden Vorwurf, dass die belastenden Flugblätter in seiner Schultasche gefunden wurden, "fehlt schlichtweg die Erinnerung". Er hätte die Bestrafung seitens der Schulleitung nach der Konfrontation mit den Flugblättern schlicht akzeptiert, "weil Sie damals als relativ einfacher Ausweg erschienen ist. Auf der anderen Seite stand die Drohung mit der Polizei im Raum". Aiwanger sei zum Zeitpunkt seiner Schulzeit "erschrocken" über seinen Bruder und entsprechendes "Nazi-Gedankengut" gewesen. Auf die Frage, seit wann Hubert Aiwanger wusste, "dass durch das Flugblatt – erneuter – Ärger drohen könnte", lautet seine Antwort:
"Das geht schon seit vielen Jahren so, dass ich immer wieder Meldungen bekomme, wonach ein Lehrer dies oder jenes behauptet. Dann habe ich lange wieder gar nichts gehört, dann ist es wieder aufgeploppt. Nach meiner Wahrnehmung war schon das gezielt gesteuert, um das Thema am Köcheln zu halten."
Mittlerweile wurde bekannt, dass ein ehemaliger Lehrer von Aiwangers Gymnasium die treibende Kraft der Kampagne ist. Dieser versuchte vergeblich, in lokalen SPD-Kreisen Karriere zu machen, wobei die aktiven Kontakte zur SPD als Partei bis in die Gegenwart nachweislich andauern. Zu der mentalen Dauerbelastung, der Person dieses Lehrers und dessen bekannten Ambitionen, heißt es seitens Aiwangers:
"Ja, schon. Wenn man den Eindruck hat, dass da jemand ständig Dinge herumerzählt und vielleicht versucht, dich in etwas reinzuziehen, dann ist das schon so. Es war wohl das Ziel dieses Mannes, der meine politische Karriere kritisch gesehen hat, mich zu vernichten. Und das Papier kursierte ja schon, bevor es die SZ bekam."
Das Flugblatt ist und bleibe "beschämend", zudem würden beide Aiwanger-Brüder "sehr viel dafür geben, das aus der Welt zu schaffen. Das ist leider nicht mehr möglich". Abschließend sei weiterhin noch nicht geklärt, wer "sich darum bemühte, das Flugblatt politisch motiviert nach 36 Jahren pünktlich bei hohen Umfragewerten zur Landtagswahl zu veröffentlichen". Aiwanger sei dennoch klar:
"In meinen Augen wird hier die Shoa zu parteipolitischen Zwecken missbraucht."
Er werde trotz des immensen medial-politischen Druckes "bis zur Landtagswahl durchhalten", danach könnte es auch für ihn gegebenenfalls "mit der Koalition aus CSU und Freien Wählern" weitergehen.
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