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Rammstein-Anwalt: "Spiegel" unterbietet in der Verdachtsberichterstattung mittlerweile die "Bild"

In einem Interview mit dem Magazin "Cicero" erhebt der Anwalt des Rammstein-Sängers Till Lindemann schwere Vorwürfe gegen den "Spiegel". Dieser unterbiete in seiner Verdachtsberichterstattung mittlerweile selbst das Boulevard-Blatt "Bild".
Rammstein-Anwalt: "Spiegel" unterbietet in der Verdachtsberichterstattung mittlerweile die "Bild"Quelle: Legion-media.ru © picture alliance / Jens Kalaene/

In einem Interview mit dem Magazin Cicero erhebt Simon Bergmann, Anwalt des Rammstein-Sängers Till Lindemann, schwere Vorwürfe gegen das Magazin Spiegel. Das Vorgehen des Spiegels in Fällen der Verdachtsberichterstattung unterbiete mittlerweile die Methoden und das Niveau der Bild-Zeitung. Es handele sich um einen "reißerischen, sensationsheischenden Stil", der mit Aufklärung von Missständen nur noch am Rande zu tun habe, so Bergmann.

Entgegen häufiger Annahmen sei auch eine "Waffengleichheit" nicht zwingend zutreffend, so der Anwalt. Nicht jeder Prominente verfüge über große finanzielle Mittel. Blätter wie der Spiegel und die dazugehörigen Rechtsabteilungen legen es in solchen Fällen darauf an, dass ihren Opfern im Verlauf eines Rechtsstreits finanziell die Luft ausgehe und sie aufgeben müssten, denn es könnten Kosten in sechsstelliger Höhe zusammenkommen. Bergmann erklärte diesbezüglich gegenüber Cicero:

"Natürlich gibt es Leute, die sich das leisten können und müssen, aber es gibt eben auch Mandanten, die sind zwar prominent, aber es sind keine Millionäre. Und das wissen die Medien, die Prozessgegner. Und die kalkulieren die finanzielle Situation des Betroffenen ein. Die sagen sich: Wir machen die Verdachtsberichterstattung trotz aller Bedenken, aber der Scoop ist so groß, dass es sich auf jeden Fall rechnet und die Anwaltsgebühren buchen wir mit ein."

Bergmann berichtete auch von einer Reihe von Erfolgen gegen den Spiegel im Zusammenhang mit der Berichterstattung in der Causa Rammstein und führte weiter aus, dass entsprechende Berichte im Zusammenhang mit der "MeToo"-Bewegung und Harvey Weinstein "einen ganz neuen Spin gewonnen haben".

"Die Redaktionen haben bemerkt, dass dieses Thema die Leute triggert. Es erzielt hohe Aufmerksamkeit, alleine schon das Schlagwort 'MeToo', und es garantiert hohe Verkaufszahlen, insbesondere im Digitalbereich."

Deshalb finde man laut Bergmann auch kaum "MeToo"-Berichte ohne eine Bezahlschranke.

"Sie erscheinen in der Print-Ausgabe, die man kaufen muss, und häufig im kostenpflichtigen Abo-Bereich, sind dann also nicht frei zugänglich. Der Grund dafür ist, dass man damit auch Geld machen will. Das hat zu einer erheblichen Zunahme unzulässiger Verdachtsberichterstattung geführt und zu einer gefährlichen Verschiebung der Vorgaben. Das ist eine schlechte Entwicklung."

Gegen die Tatsache, dass nun die Berliner Staatsanwaltschaft im Fall Rammstein ermittle, habe er hingegen nichts einzuwenden – im Gegenteil:

"Ein Ermittlungsverfahren hat den Vorteil, dass die Vorwürfe geklärt werden, und zwar von Profis und nicht von Investigativ-Journalisten."

Ihm und seinen Mandanten sei es lieber, dass ermittelt werde, als dass die Vorwürfe im Raum stehen bleiben. Bergmann führte weiterhin aus, dass der Spiegel häufig das erforderliche Mindestmaß an Beweistatsachen, welches für eine Verdachtsberichterstattung notwendig sei, ignoriere. In vielen Fällen existiere anfangs noch nicht einmal eine Strafanzeige oder ein Ermittlungsverfahren. Im Fall Luke Mockridge war das Ermittlungsverfahren beispielsweise bereits eingestellt worden, als die Berichte begannen, bei Rammstein hingegen wurden Verdachtsberichte zum Anlass eines Ermittlungsverfahrens genommen.

In anderen Fällen, die die Zeit betrafen, gab es überhaupt kein Ermittlungsverfahren, was die Zeitung jedoch nicht an der entsprechenden Berichterstattung hinderte. Natürlich könne man sich fragen, ob es noch zeitgemäß sei, dass Groupies mit Rockstars ins Bett gehen müssen, so Bergmann.

"Das kann man alles kritisch bewerten und den moralischen Zeigefinger erheben. Ich finde diese gespielte Empörung völlig überzogen."

Falls es zu Straftaten gekommen sei, wolle er dies auch nicht verteidigen, im Moment könne er dies jedoch nicht erkennen:

"Und was die K.O.-Tropfen angeht, da habe ich nichts Relevantes in den vom Spiegel vorgelegten Unterlagen und Beweismitteln gefunden. Das hat mittlerweile auch das Landgericht Hamburg so bewertet."

Völlig absurd finde er hingegen die Gleichsetzung von Harvey Weinstein mit Till Lindemann und den Vorwurf des Machtmissbrauchs. Diese Vergleiche werden "manipulativ" benutzt, da dies auch in Deutschland viele Klicks garantiere. Dabei werde suggeriert, dass auch bei Weinstein alles mit einer Frau angefangen habe und auch Lindemann so enden könne. Dabei ging es im Fall Weinstein um schwere Sexualstraftaten, was nach aktuellem Sachstand nicht ansatzweise in Betracht kommt. Bergmann sagte weiterhin:

"Der Machtmissbrauch existiert nicht. Was soll das für eine Macht sein? Prominenz des Rockstars soll die Macht sein. Die nutze er aus. Nur: Diesen Vorwurf könnten Sie gegen jeden Prominenten erheben, der mit einer Frau, die vielleicht nicht seine eigene ist, Sex hat."

Bergmann stellte weiterhin klar, dass keine der Frauen daran gehindert wurde, den Raum zu verlassen:

"Wenn aber jemand sagt wie Shelby Lynn, sie sei gespiked worden, ihr seien K.O.-Tropfen gegeben worden, dann gehen wir dagegen vor. Weil es eine falsche Tatsachenbehauptung ist. Und es muss einem Betroffenen möglich sein, sich hiergegen zu verteidigen, um den Rufschaden einzudämmen. Das Recht zur Verteidigung gehört zu den fundamentalen Prinzipien eines Rechtsstaats."

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