"Wer Nazis wählt, ist ein Nazi": Zwei Positionen zu den jüngsten AfD-Erfolgen
Von Björn Kawecki
Ob die gewonnene Landratswahl in Sonneberg oder das neue Umfragehoch in Brandenburg: Zumindest aktuell sieht es danach aus, als könnte sich die AfD bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr zur neuen Volkspartei in Ostdeutschland aufschwingen.
Manchem Politiker der Union dämmert es, dass es fehlende Oppositionspolitik ist, die die Wähler zur AfD treibt, und nicht rechtsextreme Gesinnung. Der linksliberale Mainstream befindet sich hingegen weiterhin auf der Suche nach einem Schuldigen für die offensichtlich gescheiterte Strategie der "Brandmauer gegen Rechts".
In einem Interview mit der Tageszeitung (Taz) hat der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk den Schuldigen bereits gefunden. Es ist, wenig originell, der ostdeutsche Wähler, und um die eigenen Vorurteile zu bestätigen, wird auch gerne mal weit ausgeholt.
Die Ostdeutschen sind schuld
So wird den Ostdeutschen unter Bezugnahme auf eine jüngste, fragwürdige Studie der Universität Leipzig allgemein ein "Hang zum Autoritarismus" unterstellt – ein Ergebnis, das Kowalczuk laut eigenen Worten nicht überraschte. Die "problematischen Tendenzen" habe es ja bereits "ungebrochen seit den 1990er Jahren" gegeben, so Kowalczuk.
Mit deutlichem Ärger stellt der Historiker auch fest, dass 20 bis 25 Prozent der Deutschen "überhaupt nicht mehr erreichbar" seien – für die Politik des Mainstreams, müsste man ergänzen. Ein Grund für den besonderen Widerstand im Osten sei, dass die Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung gerade ihre zweite große "Transformationswelle" erlebten, die Kowalczuk unbestimmt "Digitalisierung" nennt.
Die wahren Ursachen liegen laut dem Historiker jedoch in einer jahrhundertealten vorfaschistischen Grundeinstellung der Deutschen, der man nach dem Zweiten Weltkrieg wenigstens in Westdeutschland das Wasser abgraben konnte. In der DDR habe es nach dem Mauerfall jedoch keine entsprechende Umerziehung gegeben, was Kowalczuk offensichtlich bedauert:
"So etwas wie Re-Education in Westdeutschland durch die Amerikaner fehlte."
Wenn die ostdeutschen "Präfaschisten" dann ihre Neigung wie bei der Landratswahl in Sonneberg erfolgreich ausleben, werde laut Kowalczuk gerne so getan, als seien AfD-Wähler "arme, verwirrte Bürger. Aber das stimmt nicht", weiß der Historiker. "Wer Nazis wählt, ist ein Nazi."
Ins gleiche Signalhorn stieß unlängst auch die SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Im Tagesspiegel trompetete sie, dass die AfD-Wähler von Sonneberg "mit ihrem Votum, auch ohne selbst Gewalttäter zu sein, Menschenleben bedrohen" würden. Wer AfD wähle, sei laut Chebli entweder selbst "rechtsextrem und rassistisch" oder maße sich an, "Rechtsextreme und Rassisten" aus persönlichem Befinden zu stärken.
Im linksliberalen Spiegelkabinett
So hysterisch wie gegen Ostdeutsche geschossen wird, ist es fragwürdig, ob aufseiten der AfD-Gegner überhaupt noch politische Strategie am Werk ist. Der Rückgriff auf stumpfe antideutsche Klischees und eine immer aggressivere Wählerbeschimpfung deuten darauf hin, dass die Linksliberalen ihren politischen Werkzeugkasten weitgehend ausgeschöpft haben.
Dass AfD-Wähler und Sympathisanten die Regierungspolitik schlichtweg nicht wollen, darf nicht sein. Und wer nur mit dem Hammer umgehen kann, für den ist bekanntermaßen jedes Problem ein Nagel. Außer einem vagen Appell für "mehr Freiheit" hat der Historiker Kowalczuk auch wenig anzubieten.
Das Problem: Der Osten will nicht befreit werden, weder von der ethnischen Mehrheit im eigenen Land noch von traditionellen Vorstellungen von Familie, Eigentum oder dem Recht auf politische Partizipation. Dies ahnt vermutlich auch Kowalczuk, der sich im Interview zwar zum liberalen Freiheitsbegriff von John Locke bekennt, diesen jedoch sogleich mit Karl Popper reflexhaft und typisch links einkassiert:
"Gegen die Feinde der offenen Gesellschaft muss man militant vorgehen."
Also hoch mit der Brandmauer und die Isolierung der AfD fortsetzen. Im Bundestag könnte man die AfD getrost ignorieren und bei gesellschaftlichen Debatten solle man sich auf keinen Fall die Argumente von den "Faschisten" aufzwingen lassen. Beim Thema "Gendern" ermuntert Kowalczuk Konservative dazu, sich doch bitte an das liberale Laissez-faire zu halten.
Bis der Krug bricht?
Kowalczuks Weltbild gleicht damit einem Spiegelkabinett, in dem von allen Seiten Liberale und Linke zurückblicken. Grundsätzlich andere Positionen, wie sie die AfD und ihre Wähler vertreten, kommen überhaupt nicht vor. Wie der Kolumnist Harald Martenstein gegenüber der Zeitung Welt kommentierte, ist es aber ganz normal, dass die AfD in den Umfragen aktuell zulege.
Während die Bürger nämlich aufgrund der schlechten Regierungspolitik eine große Sehnsucht nach Opposition hätten, werde die CDU als Teil einer Art Regierungskartell empfunden – wodurch sie als Wahlalternative ausscheidet. Die ständige Tabuisierung von Reizthemen führe hingegen dazu, dass die AfD ein Monopol auf die Opposition halte.
"Und in Demokratien muss es eine Opposition geben."
Die Versuche, die AfD durch die Brandmauer-Strategie zu isolieren, waren sogar eine "Art Mastprogramm" für die AfD, schätzt Martenstein. Abgesehen davon würde auf Gemeinde-Ebene bereits mit AfD-Politikern zusammengearbeitet und auf EU-Ebene mit Parteien aus Ungarn, Polen und Italien, die der AfD ähnlich seien.
Einen Politikwechsel vonseiten der etablierten Parteien, der die erwartbaren starken Ergebnisse bei den kommenden Landtagswahlen verhindern könnte, sieht Martenstein laut eigenen Angaben nicht. Da werde der sprichwörtliche Krug so lange zum Brunnen gehen, bis er bricht. So zu tun, als existiere die AfD nicht, als sei sie etwas wie "Lord Voldemort in den Harry-Potter-Romanen", würde zu nichts führen, so Martenstein.
In Deutschland vergesse man auch gerne, wie radikal die Linke und die Grünen in ihren Anfangsjahren einmal waren. Sobald die aber gezwungen waren, sich mit Realpolitik auseinanderzusetzen, hätten sie sich gemäßigt. Einer Regierungsbeteiligung der AfD sieht Martenstein daher eher gelassen entgegen und man müsse schauen, wo man irgendwo mal "einen Versuchsballon" starten könne. Dies würde Liberalen übrigens die Möglichkeit geben, ihren Werkzeugkasten neu zu befüllen.
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