Netanjahu in Berlin: Deutsche Staatsräson und Massenproteste in Israel
Von Seyed Alireza Mousavi
Seit Netanjahu im Dezember in Israel eine Regierung nur gemeinsam mit radikalen Zionisten bilden konnte, blickt der Westen angeblich besorgt nach Tel Aviv. Während die USA und weitere westliche Staaten in letzter Zeit Israel für dessen umstrittene Justizreform und den Umgang mit Palästinensern schärfer kritisieren, hält sich bislang die bundesdeutsche "Ampel"-Koalition speziell gegenüber Israel ausnahmsweise mit Kritik zurück.
Während im Weißen Haus in Washington, D.C. laut Reuters-Informationen abgelehnt wird, einen Besuchstermin des israelischen Premierministers Netanjahu in den USA zu bestätigen, da die US-amerikanischen Bedenken gegen der neue israelischen Regierung wachsen würden, wurde Netanjahu am Donnerstag in Berlin willkommen geheißen, um sich mit dem Bundeskanzler zu treffen. Im Vorfeld seiner Reise forderten dagegen zuhause Tausende der israelischen Künstler Deutschland dazu auf, Netanjahu wieder auszuladen. Bereits dessen Flug von Tel Aviv nach Berlin gestaltete sich schwierig, denn Demonstranten blockierten bis zuletzt seinen Weg zum Flughafen.
Die neue Regierung in Israel hat wieder einmal die tiefen Gräben und Bruchlinien in der israelischen Gesellschaft offenbart. Seit Wochen gehen Hunderttausende von Israelis gegen die geplante Justizreform auf die Straße, mit der die neue Regierung das Oberste Gericht faktisch entmachten und somit korrupten Ministern Immunität verschaffen will. Dieser Schritt ist deshalb so brisant, weil Israel keine Verfassung hat und dementsprechend dieses Gericht das wichtigste Korrektiv der Regierung ist. Die Staatskrise reicht allerdings weit über den Streit um die Justizreform und die radikalen Persönlichkeiten im Regierungskabinett hinaus. Die Rückkehr Netanjahus in einem Bündnis mit einer Reihe religiöser und rechtsextremer Parteien, die den Siedlungsausbau und die Entrechtung der Palästinenser befürworten, hat zu Befürchtungen über eine erneute Konfrontation mit den Palästinensern geführt.
Im Koalitionsvertrag der "Ampel" in Berlin jedoch steht: "Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson." Im März 2008 hielt die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem israelischen Parlament eine Rede, in der sie zum ersten Mal die Sicherheit des heutigen Israels zur Leitlinie jeder deutschen Außenpolitik erhob.
Seit Jahren wird Israel von westlichen Medien als die "einzige Demokratie" in der Region dargestellt und propagiert, während der Westen islamische Länder im Nahen Osten zum Sündenblock macht. Und dies, obwohl Tel Aviv ebenso seit Jahren systematisch Palästinenser diskriminiert und entrechtet. Mit den jüngsten Gesetzesvorhaben droht nun aber das Ende der vom Westen gelobten "Demokratie", wobei mit der Abkehr von einer Zweistaatenregelung und dem Übergang von einer befristeten militärischen Besetzung des Westjordanlandes zu einer völkerrechtlichen Annexion sogar die Anwendung des Begriffs Apartheid auf Israel immer naheliegender wird.
Viele kritische Beobachter in Deutschland drücken zudem ihre Sorge über die Pläne zur Wiedereinführung der Todesstrafe (gegen Palästinenser) in Israel aus. In Deutschland lerne man in der Schule bisher, dass Israel – obwohl es wie kein anderes Land von "Terror" bedroht sei – bisher eine Todesstrafe nur einmal in seiner Geschichte vollstreckt habe, und zwar gegen den Nazi-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann.
Inzwischen hat Deutschland auch hier seine Doppelstandards erweitert. Der Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte im Vorfeld der Ankunft von Netanjahu mit, dass sich ungeachtet der jüngsten Kritik der Bundeskanzler auf den Besuch des israelischen Premierministers freue. Die Bundesregierung wolle die Reformen in Israel nicht "von der Seitenlinie" kommentieren, kündigte Hebestreit an. Als Außenstehende kommentierten dagegen die Politiker vom Kabinett der Bundesregierung nicht nur die jüngsten Unruhen in Iran, sondern mischen sich auch sonst gern in innere Angelegenheiten des Landes ein, indem Deutschland sogar eine Führungsrolle bei der Isolierung Teherans auf internationaler Bühne übernahm.
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